Keine Rettung mehr

Das Allzweck-Narkotikum "Hoffnung" beiseite legen

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Wir sollten damit aufhören, uns immer noch Hoffnungen zu machen, was Auswege aus und Lösungen für die multiplen Krisen unserer Gesellschaften und unseres Planeten anlangt. Das Prinzip Hoffnung scheint zwar anthropologisch zum Menschen dazu zu gehören - und, klar, es hat unzählige tödliche Depressionen, Selbstmorde und Rebellionen verhindert. Jedoch sind die ökologischen, politischen, sozialen und psychokulturellen Entwicklungen mittlerweile so kaputt und verfahren, dass auch mit viel Optimismus menschenwürdige Lösungen, Lösungen zum Guten, unendlich weit entfernt scheinen. Zeit also, einige Dinge noch einmal zu rekapitulieren.

Die ökologische Krise wird bedrohlicher

Wie nahe am ökologischen Notfallpunkt wir mittlerweile angelangt sind, hat Stephen Emmott in seinem kleinen, die Fakten zusammenziehenden Buch "Zehn Milliarden"1 beschrieben. Suffizienz, also Konsumverzicht (im Westen), wäre notwendig - das Gegenteil findet statt: Mehr Wachstum ist das Dogma, das auch Linke und Grüne stetig wiederholen, so als hätte ein Virus Politiker und Ökonomen jedweder Richtung nachhaltig und unrettbar im Gehirn infiziert.

Es gibt keinen relevanten gesellschaftlichen Akteur, der eine ökologisch tragfähige Lösung vertritt und damit politische Bildung vorantreibt.2 Die politischen Eliten, auch die NGOs, sind zu sehr mit Machterhalt und Selbstreproduktion beschäftigt, um über Alibiaktionen hinaus in die Wirklichkeit einzugreifen oder Nachdenken und Umdenken zu fördern. Es gibt nur Alibi-Lösungen, wie das Glühlampenverbot, brave Recyclingarbeit, Stand By-Ausschalten und eine sehr dürftige Energiewende zum Wohl der Solar- und Windrad-Konzerne. Das führt zum nächsten Punkt: Politik funktioniert nicht mehr.

Politik in der repräsentativen Demokratie funktioniert nicht mehr

Politik ist heute auch in den westlichen Republiken zu einem selbstreferentiellen System der politischen Eliten und der kapitalistischen Wirtschaft geworden. Die repräsentative Demokratie funktioniert nicht mehr, das hat letzthin Wolfgang J. Koschnik in einer Essay-Serie in Telepolis ausführlich erörtert (Die entwickelten Demokratien der Welt stehen am Abgrund).

Politik und Wirtschaft haben darüber hinaus auch Kunst und offizielle Kultur in eine Kulturindustrie und einen Kunstmarkt (etwa durch politisches Nichtstun) transformiert; Bildungsinstitutionen wurden in eine naturwissenschaftlich orientierte Ausbildungs- und staatliche geförderte Forschungsindustrie für die Wirtschaft umgewandelt. Politische Ideenarbeit ist heute in aufmerksamkeitsorientierte Public Relations und in einen dazugehörigen Beraterschwall aufgelöst.

Das Beraterunwesen ist nicht nur auf die Politik beschränkt, auch in Unternehmen, der Administration und anderen Organisationen wird nahezu jede Äußerung von Menschen auch nachrangiger Ebenen mittlerweile PR-mäßig begleitet und allfällige Aktivitäten werden vorab mit zugekaufter rechtsanwaltlicher Expertise abgesichert. Man hat den Eindruck, je besser bezahlt handelnde Personen sind, desto aufwendiger stehlen sie sich mit zugekaufter Beratung aus ihrer Handlungsverantwortung.

Die in Politik und Wirtschaft tätigen Menschen haben auch keine Zielvorstellungen mehr, außer mehr Marktanteil, mehr Macht und mehr Aufmerksamkeit zu erzielen, also ein mehr vom Gleichen. Drogenabhängige fallen einem dazu ein - ein zwanghaftes, eindimensionales, süchtiges Verhalten. Und wenn selbst Exponenten traditionell linker Parteien, wie Helmut Schmidt oder Franz Vranitzky Menschen mit Zukunftszielen den Gang zum Arzt empfehlen (Wer Utopien hat gehört zum Arzt)3, spricht das für den kompletten Verlust von Zukunft. Das führt zum nächsten Punkt.

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