"Die Quote ist als Symbol wichtig"

Deborah Steinborn über "weibliches Denken" als Vorteil im Wirtschaftsleben

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Für Deborah Steinborn und den ZEIT-Wirtschaftsredakteur Uwe Jean Heuser ist die Äußerung der IWF-Chefin Christine Lagarde, dass die Finanzkrise anders aussehen würde, wenn Lehmann Brothers Lehman Sisters geheißen hätte, nicht nur ein Bonmot. In ihrem Buch Anders denken! vertreten sie die These, dass die Ökonomie weiblicher werden müsse, um für die Herausforderungen der von Sachzwängen beherrschten und Krisen bedrohten Zeit besser gewappnet zu sein.

Frau Steinborn, was zeichnet für Sie weibliches und männliches Wirtschaften aus, worauf führen Sie diese Unterschiede zurück und kommen Sie hier nicht - unter positiver Verkehrung der Vorzeichen - in die Nähe von Positionen, die man als chauvinistisch und sexistisch bezeichnen könnte?

Deborah Steinborn: Vor ein paar Jahren hätte ich Ihre Sorge noch geteilt. Da galt es wirklich als unkorrekt, über Unterschiede zwischen Mann und Frau zu reden. Diese Phase ist zum Glück vorüber, heute interessieren sich auch Frauen für die eigenen Verhaltensweisen. Wie sonst könnten wir auch den Wert von Geschlechtervielfalt in den Unternehmen verstehen.

In aller Kürze und wohl wissend, dass jedes Individuum anders ist: Frauen nehmen sich auch in heißen Phasen eher einmal zurück und fragen nach dem Risiko, sie sind eher an der Teamleistung als an der Konkurrenz am Arbeitsplatz interessiert und sind etwas seltener auf dem reinen Egotrip.

Können Sie Phänomene wie die Finanzkrise als Resultat männerdominierten Handelns erklären?

Deborah Steinborn: Teilweise ja. Im Investmentbanking herrscht schon eine Machokultur, das geben auch männliche Insider zu. Es geht um den Kampf Mann gegen Mann und darüber, wer am Ende gewinnt. Diese Haltung hat dazu beigetragen, dass eine Art kollektiver Wahnsinn entstand.

Was machen Frauen speziell in Spitzenpositionen anders als Männer? Was unterscheidet beispielsweise die Politik Margaret Thatchers von der Ronald Reagans? Was macht Frau Merkel – außer dass sie eine ungleich zurückgenommenere und deswegen sympathischere Art hat – politisch anders als seinerzeit die politischen Alphamännchen Schröder und Fischer?

Deborah Steinborn: Wie schon gesagt, Vorsicht damit, jedes Individuum als Repräsentanten seines Geschlechts zu sehen. Aber die Unterschiede zwischen Merkel und Schröder sind eklatant. Hier die Kanzlerin, die auch in der Krise alle Risiken abwog und ganz aufs Ergebnis konzentriert war, dort der Exkanzler, der Genosse der Bosse, der die Nähe der Konzernchefs suchte und noch in der Nacht seiner Abwahl mit merkwürdiger Gewinnzuversicht agierte. Beide waren für ihre Zeit und ihre Aufgaben vielleicht sogar am besten geeignet.

Deborah Steinborn. Foto: © Hannah Schuh.

Ich finde auch, dass Schröder und Merkel sehr unterschiedliche Typen sind, aber noch einmal: Was unterscheidet jetzt deren Politik konkret? Frau Merkel hätte wahrscheinlich ebenfalls Hartz IV einzuführen versucht und Gerhard Schröder hätte die Finanzkrise wahrscheinlich mit noch voluminöseren Bankenrettungsschirmen pariert ...

Deborah Steinborn: Es ist zu spekulativ, einzelne politische Reformen mit dem Geschlecht eines Regierungschefs zu verbinden. Vergessen Sie nicht, dass wir über durchschnittliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern reden und nicht zwischen einzelnen Personen.

Sie stützen sich in Ihrem Buch auf Studien, denen zufolge die wirtschaftliche Leistung deutlich zulegen würde, wenn mehr Frauen in verantwortliche Stellen gelangten. Wenn dem so ist, warum wird dies von der Wirtschaft nicht forciert?

Deborah Steinborn: Es wird ja forciert, von vielen mittelständischen Unternehmen zum Beispiel. Unser Buch beschreibt ja gerade diesen Wandel und sagt: Die Hälfte der gut ausgebildeten jungen Menschen sind Frauen, wer sie außen vorlässt, verliert auf Dauer.

Er verliert erstens, weil er nicht mehr genug Talente für die Führung findet, er verliert zweitens, weil gemischte Führungszirkel mit ihren verschiedenen Perspektiven erfolgreicher sind. Im Mittelstand ist schon fast ein Drittel aller Führungspersonen weiblich. Bei den Konzernen ist die Männerwirtschaft aber oft noch verbreitet.

Ist die Frauenquote in Ihren Augen ein geeignetes Mittel, um das Geschlechterverhältnis in der Wirtschaft besser auszutarieren?

Deborah Steinborn: Besser wäre es, die Konzernlenker hätten früher Einsicht bewiesen, statt es sich in ihrem old boys network bequem zu machen. Doch genau das geschah und geschieht vielfach, so dass die Quote als Symbol wichtig wird: als Erinnerung daran, dass unsere Wirtschaft auf Dauer nur erfolgreich bleibt, wenn sie von beiden Geschlechtern gelenkt wird.

Warum unterstützt die Politik über Mindestlöhne, Kindergeld, Krippen-, Kindergarten- und Hortplätze etc. Frauen nicht besser, wenn Sie so wertvoll für das wirtschaftliche Wachstum sind?

Deborah Steinborn: Es geschieht ja viel auf den Feldern, die Sie nennen. Aber warum haben wir immer noch ein Ehegattensplitting statt eines Familiensplittings in der Einkommensteuer? Warum ist es mit das größte Armutsrisiko in Deutschland alleinerziehend zu sein? Sie haben recht, trotz Frau Merkel und Frau von der Leyen, es gibt viel zu tun, um die Wende zur Geschlechtervielfalt in der Wirtschaft zu unterstützen.

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