Autokennzeichen mit "HH" verboten

Wie Verantwortlichkeiten im Bürokratiedschungel verschwimmen

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Der Wolfratshauser Helmut Hasch betreibt im oberbayerischen Wolfratshausen eine Spedition und einen Brennstoffhandel. Nachdem 1994 so genannte Wunschkennzeichen erlaubt wurden, entschied er sich, auf seiner Fahrzeugflotte der Tölzer Landkreiskennung TÖL sein Namens- und Firmenkürzel "HH" folgen zu lassen. Auch viele andere Unternehmer und Gewerbetreibende nutzen diesen Werbeeffekt, der zudem die Kommunikation mit Personal, Lieferanten und Kunden erleichtert.

Als der heute 53-Jährige seinen insgesamt etwa 30 Wagen umfassenden Fuhrpark unlängst um ein weiteres Kraftfahrzeug ergänzen wollte, erlebte er auf der Zulassungsstelle eine Überraschung: Dort sagte man ihm, es gebe nun eine Weisung des Bundesverkehrsministeriums vom 6. August 2010, der zufolge die Kürzeln KZ, NS, SA, SS, HJ, AH und HH "nicht auf Kfz-Kennzeichen erscheinen dürfen" und dass man bei Entscheidungen dazu keinen Ermessensspielraum habe. Allerdings müsse er seine etwa 30 älteren Schilder nicht gebührenpflichtig austauschen, da diese Bestandsschutz genießen würden.

Auf Anfrage von Telepolis heißt es im seit kurzem nicht mehr von Peter Ramsauer, sondern von Alexander Dobrindt geführten Bundesverkehrsministerium, diese Angaben seien "nicht korrekt". Die Fahrzeug-Zulassungsverordnung regle nämlich nur, "dass die Zeichenkombination der Erkennungsnummer des Kennzeichens sowie die Kombination aus Unterscheidungszeichen und Erkennungsnummer nicht gegen die guten Sitten verstoßen dürfen".

Hinsichtlich der Verwendung von Buchstabenkombinationen, "die unerwünschte Wortbildungen ergeben", wurde dem Bundesverkehrsministerium zufolge im Bund-Länder-Fachausschuss Fahrzeugzulassung letztmalig im Jahr 2000 festgehalten, dass es in den Ländern entsprechende Empfehlungen, Weisungen bzw. Erlasse gibt, bestimmte Buchstabenkombinationen bei der Zuteilung der Erkennungsnummern möglichst zu vermeiden". Für den Vollzug des Zulassungsrechts seien aber ausschließlich die Länder zuständig, in deren Ermessen es liege, die Empfehlung umzusetzen, und denen das Bundesverkehrsministerium keine Weisungen erteilen dürfe.

Beim Landratsamt Tölz stellt man auf Rückfrage hin klar, dass das Schreiben vom 6. August 2010 nicht aus dem Bundesverkehrsministerium, sondern aus dem Bayerischen Wirtschaftsministerium stammt. Allerdings beruft sich das damals vom FDP-Politiker Martin Zeil geführte Ministerium darin auf das Bundesverkehrsministerium und den Bund-Länder-Fachausschuss und stellt das Verbot als bloße Weitergabe dar. Ruft man jetzt im Bayerischen Wirtschaftsministerium an, dann heißt es, dass man dort für das Schreiben von damals nicht mehr zuständig sei, weil sich die Ressortzuschnitte im Herbst 2013 geändert hätten: Der Bereich Verkehr gehört nun zum Bayerischen Innenministerium. Und in dem von Joachim Herrmann geführten Ministerium schweigt man bislang trotz Fristsetzung zu Fragen zum Fall.

So muss leider offenbleiben, wie sich das "HH" auf allen Autokennzeichen der Hansestadt Hamburg und das Vorgehen in Tölz mit dem in der Verfassung geschützten Gleichheitsgrundsatz vereinbaren lassen. Auch dazu, ob es tatsächliche Erkenntnisse gibt, dass Extremisten mit der Autokennzeichenkombination "HH" provozierten, und wie vor dem Verbotserlass Rechtsgüter abgewogen wurden, wollte sich keine der zahlreichen angefragten Behörden äußern.

Autokennzeichen der Hansestadt Hamburg

Das Autokennzeichen "HH" ist jedoch nicht der einzige behördliche Umgang mit Symbolen der für Kopfschütteln sorgt: So warnte etwa der Brandenburger Verfassungsschutz auf seiner Website vor Nummernschildern, die von Neonazis als Symbole "genutzt" werden könnten. Dabei waren die Möglichkeiten so breit gefasst, dass nicht nur Kennzeichen mit "18", sondern auch solche mit "14", "28" und zahlreichen Buchstabenkombinationen aufgelistet wurden, was im Endeffekt einen beträchtlichen Anteil der ausgegebenen Nummernschilder verdächtig machte.

Ähnlich angemessen ging der ehemalige Berliner Polizeipräsident Dieter Glietsch vor, der Zivilpolizisten das Tragen bestimmter Kleidungsmarken mit der Begründung untersagte, dass diese nach Statistiken des LKA "bevorzugt in der rechten Szene getragen" würden. Auf der Liste fanden sich unter anderem Fred Perry, Ben Sherman, Lonsdale und Alpha Industries. Nachdem die Firma Ben Sherman mit rechtlichen Schritten drohte, nahm der Polizeichef die vier Firmen vom Verbot aus. Ben Sherman war 1963 von einem Mann namens Arthur Bernard Sugarman gegründet worden. Eigentlich hätte allein das bei der Berliner Polizei ein Nachdenken einleiten und sie darauf bringen können, dass der Fall mit den vermeintlich "rechtsradikalen Marken" möglicherweise etwas komplexer ist.

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