Die Rumänen der einen sind die Deutschen der anderen

Anfang Februar wird in der Schweiz über einen Volksentscheid der rechten SVP entschieden, der sich vor allem gegen die EU-Ausländer richtet

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Was den Deutschen, angeführt von CSU, NPD oder AfD, die Bulgaren und Rumänen bei der angeblichen Einwanderung in die Sozialsysteme sind, sind die Deutschen und andere Ausländer aus der EU für die Schweizer, zumindest für die rechtspopulistische SVP. Die hat Volksinitiative gegen Masseneinwanderung zuwege gebracht, die sich vornehmlich gegen die Zuwanderung aus der EU richtet und über die die Schweizer am 9. Februar abstimmen. Nicht direkt, aber indirekt werden die EU-Bürger bei den EU-Wahlen über ihr Verhältnis zur Gemeinschaft und zu ihren Mitbürgern abstimmen. Die Rechten setzen auf Ausländerablehnung und Angstmache, die Wirtschaft lehnt dies weitgehend ab.

Die SVP will, dass die Schweiz aus den Vereinbarungen über Freizügigkeit mit der EU aussteigt und die Zuwanderung alleine regelt. Gefordert wird: "Die Zahl der Bewilligungen für den Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz wird durch jährliche Höchstzahlen und Kontingente begrenzt. Die Höchstzahlen gelten für sämtliche Bewilligungen des Ausländerrechts unter Einbezug des Asylwesens. Der Anspruch auf dauerhaften Aufenthalt, auf Familiennachzug und auf Sozialleistungen kann beschränkt werden." Also auch die Zahl der Asylbewilligungen soll begrenzt und offenbar nicht mehr nach dem geltenden Asylgesetz und der Verfassung aufgrund der menschenrechtlichen Bedingungen erteilt werden. Die Bundesverfassung sieht in Artikel 25 vor, dass Flüchtlinge nicht in einen Staat ausgeschafft oder ausgeliefert werden (dürfen), in dem sie verfolgt werden", es darf auch niemand in ein Land abgeschoben werden, "in dem ihm Folter oder eine andere Art grausamer und unmenschlicher Behandlung oder Bestrafung droht".

Die SVP argumentiert, man kann es so sagen, "völkisch", sie benutzt in erster Linie ethnische Begründungen von Wir und den Anderen. Selbst das belastete Raumthema spielt herein, wenn "Wir" in der Schweiz zahlenmäßig immer weniger werden, also die Anderen den Raum einnehmen und die "Schweizer" verdrängen oder für Überfüllung sorgen, wenn jährlich 80.000 Menschen dazu kommen:

Die Staus nehmen auf allen Strassen zu, Busse und Züge sind überfüllt. Wer zu später Stunde an einem städtischen Bahnhof ankommt, fragt sich ab und zu, ob er sich noch in der Schweiz befindet. Auch fühlen sich immer mehr Menschen nicht mehr sicher in unserem Land.

SVP

"Wir", also die Schweizer, wer auch immer das so genau genealogisch sein mag, bleiben nämlich nach der SVP demografisch mit 5,4 Millionen Menschen seit 1980 stabil, was auch heißt, die "gebürtigen" Schweizer wachsen nicht, sie bekommen nicht genug Nachkommen, während die Eingebürgerten und die Ausländer für ein Bevölkerungswachstum sorgen:

Geht die Zuwanderung unbegrenzt weiter, wird die Schweiz im Jahr 2035 die 10-Millionen-Grenze überschreiten. Die Folge: Die heutige Zuwanderung ist für die Schweiz weder kulturell noch mengenmässig verkraftbar.

Nicht nur die Zahl der Ausländer steigt, so erklärt die SVP, auch die der arbeitslosen Ausländer. Irgendwie fördern sie die Arbeitslosigkeit:

Innerhalb eines Monates (zwischen November und Dezember 2013) verloren in unserem Land 10.364 Menschen ihre Arbeit. Davon sind 66% Ausländer. Von diesen kommen 75% aus der EU. Damit zeigt sich: Die Personenfreizügigkeit bringt immer mehr EU-Arbeitslose in der Schweiz. So sind 12,8% der Bulgaren und Rumänen in unserem Land arbeitslos. Bei den Portugiesen sind es 10,3%!

Im Dezember waren etwa 7.548 Deutsche arbeitslos, das sind 4,1 Prozent. Trotz guter Konjunktur steigt also die Arbeitslosenzahl leicht, betroffen seien immer mehr EU-Ausländer. 2013 waren durchschnittlich 73.199 Schweizer arbeitslos (2012: 68.274), bei den Ausländern lag die Zahl bei 63.325 (2012: 57.320), also ein ähnlicher Zuwachs. Die Arbeitslosenquote stieg von 2012 auf 2013 von 2,9 auf 3,2 Prozent an, bei den Schweizern von 2,1 auf 2,2, bei den Ausländern von 5,5 auf 6,0 Prozent.

Nach einer aktuellen Umfrage lehnen 55 Prozent der Schweizer die Initiative ab, 37 Prozent sind dafür. Die Mittelschicht, getrieben von der Angst vor dem Absturz, scheint am ehesten dafür zu sein. 64 Prozent sagen, dass die Schweiz die Zuwanderung selbst steuern soll, 61 Prozent meinen, die unkontrollierte Einwanderung führe zu "Lohndruck, Wohnungs- und Verkehrsproblemen". Da gibt es also Stimmen zu holen.