Kampf der Religionen nimmt zu

Auch eine Leidensreligion kann gewalttätig werden. Bild: F.R.

Nach einer Pew-Studie führt die Religion weltweit zu mehr Konflikten, gleichzeitig werden Anhänger von Religionen auch stärker eingeschüchtert oder staatlich reguliert

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Gern verkünden die Vertreter von Religionen, dass diese befrieden. Aber weil Religionen stets eigen ist, ihren Anhängern ein besseres Schicksal dank des jeweiligen "Herrn" zu versprechen, stehen diese notwendig in Konkurrenz zueinander. Dazu kommt, dass andere Religionen bestenfalls als Irrwege, meist aber als Götzendienste und ihre Anhänger als Ungläubige verstanden werden. Sie kann man entweder missionieren oder aber auch als Feinde oder weniger wertvolle Menschen betrachten.

Dass Religion auch im keineswegs aufgeklärten 21. Jahrhundert noch für Kriege und Gemetzel sorgen, macht eine Pew-Studie klar. Schlimmer noch, die religiösen Konflikte nehmen zu. In 33 Prozent der untersuchten 198 Länder gab es 2012 religiöse Konflikte, die 74 Prozent der Weltbevölkerung betrafen, 2011 waren es noch 29 Prozent, 2007 erst 20 Prozent. Bis auf Süd- und Nordamerika, wo das Christentum praktisch uneingeschränkt dominiert, verstärkten sich die religiösen Feindseligkeiten auf allen Kontinenten. Am schlimmsten im Mittleren Osten und in Nordafrika, verstärkt durch die militärischen Interventionen der USA und der jeweiligen Koalition der Willigen.

Pew sieht auch die Restriktionen der Religion durch Regierungen und gesellschaftliche Feindseligkeiten am Ansteigen. Zum Messen wurden der Government Restrictions Index (GRI) und der Social Hostilities Index (SHI) gebildet. 2007 gab es danach in 29 Prozent der Staaten hohe Restriktionen, 2012 in 43 Prozent. Besonders stark seien die religiösen Feindseligkeiten 2012 in Mali, Libyen, Mexico, Tunisien, Syrien, Guinea, Holland, Madagaskar, im Libanon, in Afghanistan und Malawi angestiegen. Pakistan hatte 2012 die größte religiöse Feindseligkeit, gefolgt von Afghanistan, Indien, Somalia, Israel, Irak, Palästina und Syrien, Ägypten die schärfsten staatlichen Restriktionen, gefolgt von China, Iran und Saudi-Arabien. Christen und Muslime, die die Hälfte der Weltbevölkerung stellen, werden in den meisten Ländern eingeschüchtert, die Christen in 110, die Muslime in 109. Zwar werden auch Muslime in mehr Ländern diskriminiert als noch 2007, am stärksten ist der Anstieg aber bei den Juden. 2007 wurden sie in 51 Ländern und 2012 in 71 Ländern eingeschüchtert.

In 39 der Länder (2007: 18%) sind nach der Studie die Gewalt oder die Androhung von Gewalt gegen Menschen angestiegen, um die religiösen Normen durchzusetzen. Deutlich hat daher auch die Belästigung von Frauen zugenommen, sich nach den religiösen Vorschriften zu kleiden. 2007 wurde das in 7 Prozent der Länder festgestellt, jetzt schon in 32 Prozent. Angestiegen sind auch der religiöse Terrorismus und die Mob-Gewalt gegen Andersgläubige.

Die große Schwäche der Studie ist, neben den durchaus fragwürdigen Beurteilungen der staatlichen Restriktionen und der gesellschaftlichen Einschüchterungen, dass es keinerlei Ansatz gibt, die Veränderungen, den angeblich sich ausbreitenden Kampf der Religionen, zu erklären. Interessant wäre auch, ob 2001 oder davor das Ende des Kalten Kriegs ein Wendepunkt waren.

Vergleiche lassen sich aber mit der verwendeten Methode erst bis 2007 ziehen. Was hat sich also in den wenigen Jahren verändert? Warum führen religiöse Unterschiede etwa zwischen Christen und Muslimen oder zwischen Schiiten und Sunniten eher zu Konflikten als früher? Findet nun doch der prophezeite Clash of Civilizations statt? Haben Aufklärung und Säkularisierung an Einfluss verloren? Werden die Menschen ängstlicher und klammern sich stärker an Religionen, die Unsicherheit mit der religiösen Regeldichte für das Alltagsleben bekämpfen? Dafür spricht, dass auch hierzulande die religiösen Rückzuggebiete wie Sexualität, Ehe, Reproduktion, Sterbehilfe für Aufregung sorgen und die Ablehnung der Anderen wächst?