Schafft arbeitgeberfreundliche Politik mehr Arbeitsplätze?

Der Sozialdemokrat Hollande versucht es mit einer neuen Liebesaffäre mit den Arbeitgebern

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

François Mitterand wurde noch überwiegend als "sozialistischer" Präsident bezeichnet, François Hollande meist als sozialdemokratisch, beider Partei ist der Parti Socialiste (PS). Mitterand hatte in den 1980er Jahren die Linke vereinigt und mit seinem Reformkurs die Kommunisten auf die Seite geschoben, als politische Kraft irrelevant gemacht. Damit blieb er im Gedächntnis und nicht als erfolgreicher Wirtschaftsreformer. "So unbeliebt war bislang kein Präsident der Fünften Republik", hieß es 1984 in der Zeit, unter der Überschrift "Die Linke tut sich schwer, ein neues politisches Programm zu finden". Ähnliches sagt man nun, drei Jahrzehnte später, von François Hollande. Sein neues Reformprogramm wird von Kommentatoren als Abgesang der Sozialdemokratie in Frankreich gewertet.

"Hollande entlastet die Arbeitgeber um 30 Milliarden Euro", wird jetzt getitelt. Die Problemstellung wird der öffentlichen Wahrnehmung in der gleichen Weise präsentiert, in Frankreich wie in Deutschland: die Linke tut sich schwer mit einem neuen politischen Programm.

Nur dass die Linke von 2014 eine andere ist als die von 1984, sie ist Zentrum, Mitte, und von den benachbarten Rechten/Konservativen nur in einem symbolpolitisch sehr aufgeladenen zivilrechtlichen Standpunkt zu unterscheiden, zum Beispiel, dass sich die PS-Regierung für die Ehereform zugunsten gleichgeschlechtlicher Ehen entschieden hat. Die angestrebte Justizreform von Taubira wäre ein anderer deutlicher Unterschied. Außenpolitisch gibt es kaum wahrnehmbare Unterschiede, sondern vor allem Kontinuität.

Machtpolitisch klug

In der Wirtschaftspolitik postiert sich Hollande mit seinem Reformprogramm derart in der Mitte, dass der Oppositionspartei UMP kaum mehr Möglichkeiten bleiben, hier eigene kenntliche Gegenpositionen zu entwickeln. Denn: Wie gegen ein Programm opponieren, das die die Abgabenlast der Unternehmen und Selbstständigen drastisch kürzt - durch die Aufhebung von Sozialbeiträgen für die Familien und Steuererleichterungen. 1 Da Hollande sein Programm mit der Vertrauensfrage verknüpft, würde ein Nein der PS-Mehrheit bzw. der angeschlossenen linken Parteien bedeuten, dass sie die Regierungsverantwortung abgeben. Bei Neuwahlen hätten sie vermutlich wenig Chancen.

Machtpolitisch geht die Rechnung von Hollande auf, wirtschaftlich ist das nicht so sicher. Auch abgesehen von der Frage, wie die staatlichen Kosten durch die Einsparungen, die die französischen Unternehmen wieder wettbewerbsfähiger machen sollen, aufgefangen werden können. Der "Pakt der Verantwortung", wie Hollande seine angebotsorientierte Schulterschluss-Politik mit den Forderungen der Arbeitsgeberorganisation Medef nennt, beruht auf wesentlich der Hoffung, dass sich daraus mehr Arbeitsplätze für die Franzosen ergeben.

"Eine Million neue Arbeitsplätze": der Wetteinsatz für den "Pakt der Verantwortung"

Es ist gar von einer Million Arbeitsplätzen die Rede, die Medef-Präsidänt Pierre Gattaz in Aussicht gestellt haben soll, falls sich Hollande in die richtige Richtung bewegt. Mittlerweile rudert Gattaz zurück; das Versprechen wird aber in Erinnerung bleiben. Andere Vertreter der Wirtschaft legen sich nun ins Zeug, um zu erklären, dass solche Versprechungen von Unternehmen gar nicht gemacht werden können.

Finanzieren will Hollande den unternehmerfreundlichen "Pakt der Verantwortung" mit einem drastischen Einsparprogramm staatlicher Ausgaben. Der spektakulärste Vorschlag ist dabei die verwaltungstechnische Zusammenlegung mancher Regionen. Hält man sich vor Augen, wie sehr es in manchen Landesteilen brodelt, bei traditionellen Aversionen gegen Paris, so ist vorstellbar, dass diese Verwaltungsakte nicht so leicht vonstatten gehen könnten, wie auf dem Reißbrett geplant.

Zur Öffentlichkeitspolitik gehört auch die Liebe

Frankreich hat momentan viele unruhige Stellen, wo der Unmut angesichts neuer Betriebsschließungen und gesetzlichen Maßnahmen rasch in deutliche Widerwehr umschlagen kann. Hollande hat daraus gelernt, dass mehr fiskalische Lasten sich derzeit nicht gut verkaufen lassen; bis die Einsparmaßnahmen, die mit Entlastungen der Unternehmen einhergehen, von den Franzosen deutlich gespürt werden, sollten sich positive Effekte auf dem Arbeitsmarkt zeigen, so die politische Wette Hollandes. Er setzt damit auf das richtige Timing.

Dass die Liebesaffäre des Präsidenten gerade vor dem Wochenende hochgespielt wurde, bevor die als außerordentlich wichtig angekündigte Pressekonferenz über das Reformprogramm stattfand, zeigt, dass es Möglichkeiten in Hülle und Fülle gibt, mit Timing verbundene politische Pläne zu durchqueren.

Das sieht nicht gut aus für das Image des Präsidenten, angesichts dessen dass Hollande so sehr seine verlässliche Normalität gegenüber Bling-Bling Sarkozy betont hatte. Die Fremdgehaffäre ist aber harmlos im Vergleich dazu, wie sich das politische Klima und damit der soziale Friede mit anderen Mitteln aufheizen ließe. Die Demonstrationen gegen die Ehereform bieten dafür Anschauungsmaterial.

Zum anderen sind solche Geschichten, die das öffentliche Interesse darauf lenken, dass ein Staatspräsident eben auch Mitspieler der quotenstarken Celebrity-Dauerserie ist, eine Möglichkeit zum Eskapismus, die gerne genutzt wird. Wie ein Bericht der Welt von der Pressekonferenz zeigt, wurden Ausführungen zu den Reformen, Thema der Pressekonferenz, als Ablenkung auf der Frage nach der "Première Dame" empfunden:

Alles in allem gelang es Hollande während der mehr als zweieinhalbstündigen Pressekonferenz auch deshalb relativ gut, das alles bestimmende Thema seiner Beziehungsprobleme im Zaum zu halten, da er sein Publikum mit einer ganzen Reihe von teilweise komplexen Reformvorschlägen immer wieder auf andere Gedanken brachte.

Demgegenüber wundern sich Zuschauer, die die Pressekonferenz im TV verfolgt haben, über die Berichterstattung. Dass die private Affäre die ganze Pressekonferenz überschattet habe, sei falsch. Die Affäre sei am Anfang sehr kurz behandelt worden und auf die späteren Fragen der Journalisten (hauptsächlich angelsächsische) wurde lediglich kurz eingegangen.So würde nur eine vorgefertigte Sicht verbreitet.