"Ein Teil der Präsenzlehre wird durch MOOCs ersetzt werden"

Prof. Dr. Bernd Huber. Bild: LMU

Bernd Huber, der Präsident der LMU, über Massive Open Online Courses (MOOC) und die Zukunft der Lehre

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Prof. Dr. Bernd Huber ist seit 2002 Präsident der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Unter seiner Präsidentschaft etablierte sich die LMU als eine der wichtigsten und forschungsstärksten Hochschulen in Deutschland und war 2006 eine der drei Gewinnerinnen der sogenannten Exzellenz-Initiative. Außerdem gehört der einflussreiche Volkswirtschaftler dem Unternehmensbeirat der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte an und wurde während der Schröder/Fischer-Regierung in den Wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministeriums berufen, in dem er bis heute Mitglied ist.

Hubers Universität war die erste in Deutschland, die eine Kooperation mit einem der führenden amerikanischen Anbieter einging. Für Bernd Huber ist dieses Online-Engagement seiner Universität ein ergebnisoffenes Experiment. Dass aber Massive Open Online Courses (MOOCs) die künftige Hochschulbildung prägen werden, ist für ihn eine ausgemachte Sache. Zu MOOCs siehe auch: Ein Weltmarkt für Internet-Bildung).

Professor Huber, die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) ist unter den deutschen Hochschulen wohl diejenige, die sich am stärksten im Bereich der MOOCs engagiert. Auf der Plattform Coursera sind mittlerweile vier Kurse Ihrer Universität zu finden. Was versprechen Sie sich von diesem Engagement?

Bernd Huber: Wir sehen unsere MOOCs im Augenblick in erster Linie als Experiment, als einen Modellversuch. Wir wollen herausfinden, was sich mit diesem neuen pädagogischen und technischen Instrument anfangen lässt, wir sammeln Erfahrungen. MOOCs werden die Lehre an den Hochschulen fundamental verändern, und wir wollen frühzeitig bei dieser Entwicklung dabei sein.

Die Netz-Kurse der LMU sind seit Sommer 2013 bei Coursera abrufbar. Wie zufrieden sind Sie nun mit dem Ergebnis Ihres Experiment?

Bernd Huber: Der Erfolg ist sensationell. Wir hatten insgesamt fast 200.000 Teilnehmer und vergleichsweise hohe Abschlussraten. Sogar an unserem MOOC zur Vulkanologie, eigentlich ja eher ein kleineres Fach, haben mehr als 10.000 Nutzer aus der ganzen Welt teilgenommen. Natürlich bedeutet es für die Dozentinnen und Dozenten erst einmal eine Umstellung, ihre Vorlesung nicht vor einem Auditorium, sondern vor der Kamera zu halten. Aber auch das hat bemerkenswert gut geklappt. Kurz, wir sind bisher außerordentlich zufrieden!

Wie viel Aufwand und Geld steckt in den MOOCs der LMU?

Bernd Huber: In die Produktion geht natürlich eine Menge Arbeit ein, weil man das Format einer Vorlesung nicht einfach auf ein Netzangebot übertragen kann. Insgesamt hat die Produktion der vier Kurse ohne Personalkosten rund 60.000 Euro gekostet. Diese Investition ist mit Blick auf die sich uns dabei bietenden Möglichkeiten vertretbar.

Warum haben Sie sich für Coursera entschieden und nicht für einen anderen Anbieter oder für eine eigene Netz-Plattform?

Bernd Huber: Wir sind ja eine Volluniversität, die gleichermaßen Geistes- und Naturwissenschaften anbietet, und das Angebot von Coursera ist ebenfalls inhaltlich sehr breit. Coursera ist außerdem das größte internationale Netzwerk mit der größten Reichweite und auch der größten Erfahrung auf diesem Gebiet. Um darin Erfahrungen zu sammeln, sind sie der idealer Partner für uns.

"Es geht uns darum, international noch sichtbarer zu werden"

Sehen Sie nicht auch eine Gefahr darin, sich in Abhängigkeit von einem kommerziell orientierten Privatunternehmen wie Coursera zu begeben?

Bernd Huber: Nein, überhaupt nicht. Das Urheberrecht an den Kursen bleibt komplett bei uns. Wir konzipieren und liefern die Kursangebote, die Mitarbeiter von Coursera geben uns dabei Hinweise und Tipps. Wir profitieren natürlich auch von der internationalen Sichtbarkeit der Marke, denn es geht uns ja auch darum, international noch sichtbarer zu werden.

Dieses Argument wird von fast allen Hochschulen angeführt, die sich im Bereich der MOOCs engagieren. Was bedeutet den "internationale Sichtbarkeit" eigentlich konkret, welchen Nutzen haben Sie?

Bernd Huber: Wir sind ganz bewusst Coursera beigetreten, weil dieses Netzwerk die größte Reichweite und Reputation hat. Für uns bietet das die Chance, global wahrgenommen zu werden. Das schlägt sich dann beispielsweise in der Nachfrage von Doktoranden nieder, die etwa unseren MOOC über Zellbiologie kennengelernt haben und nun zu uns nach München kommen wollen - ein ganz konkreter, unmittelbarer Vorteil.

Wie wird es nun weiter gehen, wie will Ihre Universität die neuen Formen der Internetlehre zukünftig nutzen?

Bernd Huber: Wir werden unser Angebot bei Coursera weiter ausbauen. Wir wollen uns darauf konzentrieren, ein attraktives und qualitativ hochwertiges Angebot zu machen. Das ist übrigens ein wichtiger Punkt: Wenn ein Internetkurs nicht so gut läuft, haben Sie als Ergebnis nicht nur keinen Werbeeffekt, sondern hinterlassen womöglich sogar einen negativen Eindruck.

Clicks instead of Bricks. Gang im LMU-Hauptgebäude. Bild: Björn Láczay/CC-BY-2.0

Nun sind Internetkurse für viele Studierende offenbar gar nicht geeignet. Jedenfalls ist die Rate der Absolventen bei MOOCs in der Regel wenig beeindruckend. Ist das nicht ein schwer zu überwindendes Hindernis, um die Netzlehre weiter auszubauen?

Bernd Huber: Grundsätzlich denke ich, dass gute Online-Angebote didaktisch durchaus mit dem Unterricht vor Ort mithalten können. Eine umfassende Analyse des US-amerikanischen Bildungsministeriums kam zu dem Schluss, dass Online-Lernen dem Präsenzunterricht überlegen sei.

Bei Coursera liegt der Anteil der Nutzer, die erfolgreich an der Abschlussprüfung teilnehmen, gegenwärtig bei durchschnittlich fünf Prozent. Einer unserer Kurse, nämlich Competitive Strategy von Tobias Kretschmer , hat jetzt immerhin eine Absolventenquote von fast 20 Prozent erreicht. Solche Zahlen sind aber wenig aussagekräftig, solange man für einen erfolgreich abgeschlossenen MOOC nur eine Teilnahmebestätigung erhält. Was passieren wird, wenn MOOCs einmal Teil des regulären Studiums sind, ist eine offene Frage.