Die Linke: Die unsichtbare Oppositionsführerin

Die Partei Die Linke kann ihre neue Rolle als Führerin der Bundestagsopposition bisher nicht in größere mediale Wahrnehmung umsetzen. Liegt es am fehlenden Geschick ihrer Politiker oder haben die zuständigen Redakteure ein grundsätzliches Problem mit den Linken?

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Das Medienjahr 2014 begann für die Partei Die Linke mit einem Wechselbad der Gefühle. Markus Lanz hatte am 16. Januar die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht eingeladen, um sie "nicht zu Wort kommen zu lassen", wie Medienjournalist Stefan Niggemeier anschließend vermutete. Beim Publikum löste die Behandlung der Linken-Vertreterin durch den Moderator einen Proteststurm aus. Innerhalb einer Woche forderten 200.000 Menschen die Ablösung des ehemaligen RTL-Stars ("Holt mich hier raus!"). Ein Moderator, der "offenbar große Probleme damit hat, dem politischen Spektrum links von der Mitte mit einem Mindestmaß an Höflichkeit zu begegnen", passe nicht zu einem öffentlich-rechtlichen Medium, so die Unterzeichner. Inzwischen hat Lanz sich bei Wagenknecht entschuldigt.

Linke-Parteichefs Bernd Riexinger und Katja Kipping auf der Feier nach der bundestagswahl. Bild: DerHexer, Wikimedia Commons, CC-by-sa 3.0

Dass die Linkspartei ein Medienproblem hat, dürfte den meisten Zuschauern schon länger bewusst sein. In den vergangenen Tagen erschienen mehrere wissenschaftliche Beiträge, die Hinweise darauf geben, wie groß dieses Problem tatsächlich ist. So wurde Die Linke bei den vergangenen Bundestagswahlen zwar drittstärkste Partei und im Ergebnis der Koalitionsverhandlungen zur Oppositionsführerin. Dieser neue Status im Bundestag beeinflusst die mediale Wahrnehmung bisher jedoch nicht. Im Gegenteil: Seit den Wahlen treten zunehmend weniger Politiker der Linkspartei in den Nachrichten auf und auch in der gedruckten Presse kam Die Linke immer weniger vor.

Auf einen historischen Tiefststand fiel die Präsenz der Linken nach Angaben des Kölner Instituts für empirische Medienforschung (IFEM) im vergangenen Monat Dezember. In den wichtigsten Nachrichtensendungen von ARD, ZDF, RTL und SAT1 gehörten gerade noch 2,6 Prozent der auftretenden Politiker der Linken an. Damit liegt die Partei abgeschlagen noch weit hinter parteilosen Mandatsträgern und nahe bei der Kategorie "Sonstige", die sich Piraten, AfD und NPD teilen. Die Grünen, im Bundestag nur geringfügig schwächer aufgestellt als Die Linke, erreichten in diesem Monat mit fast acht Prozent mehr als die dreifache Medienpräsenz in den untersuchten Sendungen. Ähnlich häufig waren im Dezember auch Politiker der FDP zu Gast in den Nachrichten, obwohl die Partei weder im Bundestag noch in einer Landesregierung vertreten ist.

Gegenüber Telepolis bestätigt der Geschäftsführer des IFEM, Udo Michael Krüger, dass sich diese Tendenz für das gesamte Jahr 2013 abzeichnet. "Die Linke hat unter den parlamentarischen Parteien in allen Nachrichtensendungen die geringste Präsenz. In den privaten Sendungen fällt sie schwächer aus als in den öffentlich-rechtlichen." Zwar könnten anhand der erhobenen Daten keine genauen Aussagen über die Gründe getroffen werden, außer dass ein Amtsbonus für an der Regierung beteiligte Parteien besteht, aber grundsätzlich sind zwei Ursachenkomplexe auszumachen: "Hier wirkt sich die Nachrichtenselektion der Redaktionen aus und ebenso das Potenzial der Parteien und ihrer Politiker, durch eigenes Handeln Aufmerksamkeit für sich zu schaffen." Man müsse die Redaktionen der Sender selbst befragen, was anderen kleinen Parteien in der Oppositionsrolle – etwa der FDP und den Grünen – vergleichsweise stärkere Präsenz bringt, so der Kölner Kommunikationswissenschaftler.

Mediales Zweiparteiensystem

Zumindest hinsichtlich der Einladungspolitik drängt sich der Eindruck auf, dass die Redaktionsleiter der großen Nachrichtensendungen die Bundesrepublik eigentlich für ein Zweiparteiensystem halten.

Seit Juli 2013 gehörten zwischen 70 und 84 Prozent der eingeladenen Gäste zur CDU/CSU oder der SPD. Nur im Wahlmonat September sank dieser Wert laut IFEM-Zahlen kurzfristig auf etwa 60 Prozent, da Politiker der Grünen und aus der FDP ihre Nachrichtenpräsenz auf Anteile über 15 Prozent mehr als verdoppelten. Besonders gravierend ist die fehlende Repräsentation der Partei Die Linke tatsächlich bei den privaten Anbietern RTL und SAT1. Bei den Wahlsendungen dieser Sender stammten im Sommer nur drei Prozent der Politiker aus der Linkspartei.

Nur im August konnte die Partei die Zahl ihrer Auftritte vergrößern. Eins der medialen Top-Themen war zu diesem Zeitpunkt der Einsatz von Giftgas in Syrien. Mehrere Redaktionen luden den ehemaligen Biowaffen-Inspekteur der UNO und damaligen außenpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion Jan van Aken ein. Mit dessen fachpolitischen Kommentaren - insgesamt trat Jan van Aken laut IFEM im August elf Mal auf - verdoppelte Die Linke ihre Medienpräsenz beinahe. Fast alle anderen Nachrichtenauftritte der Partei bestritt während des Wahlkampfs Gregor Gysi. Der Fraktionsvorsitzende trat laut IFEM-Daten 66 Mal persönlich in den Nachrichten auf. Bei den Sondersendungen zur Bundestagswahl hält Gregor Gysi mit neun Auftritten sogar den All-Parteien-Rekord. Nur in den Sondersendungen von RTL und SAT1 fehlte Die Linke vollständig.