Gauck predigt gegen "Drückebergerei"

Bundespräsident Joachim Gauck bei seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Bild: Mueller/MSC /CC-BY-SA-3.0

Der Bundespräsident ermuntert Deutschland, Weltmachtpolitik zu betreiben

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Die Kanzel war geschickt gewählt: Vor globaler Politikprominenz sprach Joachim Gauck zur Eröffnung des "wehrkundlichen" Events in München, und er nutzte die Gelegenheit, um seine Richtlinien für eine deutsche Geopolitik zu verkünden, die militärischen Einsatz nicht scheuen soll.

"Endlich spricht er Tacheles", kommentierte in der "Welt" Michael Stürmer, der als Historiker und Politikberater immer zur Stelle ist, wenn es deutsches Selbstbewusstsein zu kräftigen gilt.

Günther Nonnenmacher sieht in Gaucks Münchener Rede eine Chance, dass nun "ein autoritatives Wort zur Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik" gesprochen ist, ein "Leitfaden" entwickelt wurde, "der dem operativen Geschäft eine Richtschnur für Deutschlands Rolle in der Welt sein kann" ("Gaucks Leitfaden", F.A.Z. vom 1.2.). Der Mitherausgeber des deutschen Intelligenzblattes stellt auch gleich den springenden Punkt des "Leitfadens" heraus: Ein Staat, der global Politik machen will, müsse "alle Mittel nutzen - wenn es geboten ist, auch militärische". Destruiert habe Gauck das "abgewetzte Wort" von der "Kultur der (militärischen) Zurückhaltung". Und so mag Guido Westerwelle stille Reue üben.

Ob der Bundespräsident wirklich eine so "fundamentale Neuorientierung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik vorgeschlagen" hat, wie Thomas Lanig für die Deutsche Presse Agentur berichtet, lässt sich anzweifeln; ohne schöngeistiges Beiwerk sind seine Konzepte längst in offiziellen "verteidigungspolitischen" Richtlinien und in offiziösen Denkschriften regierungsnaher Think Tanks formuliert.

Aber Gauck spricht ein anderes Publikum an - er will das gemeine deutsche Volk dazu bringen, vom weltpolitischen "Wegducken" abzulassen, mit der "Drückebergerei" Schluss zu machen; bekanntlich hat immer noch die Mehrheit der Bevölkerung hierzulande eine Abneigung gegen globales Engagement der Bundeswehr, schon wegen der Kosten. Im Gauck-Ton heißt das: In der Bundesrepublik "zögere" man immer noch, "die eigenen Fähigkeiten zur Gefahrenabwehr zu verbessern".

Zur EU, zur NATO und zum großen Bruder jenseits des Atlantiks legte der Bundespräsident ein Treuebekenntnis ab, wer hätte es anders erwartet. Jedoch mit nationalen Akzenten: Den USA müsse die Bundesrepublik einiges an Weltmachtarbeit abnehmen, und in der EU habe das ökonomisch starke Deutschland besondere "Verantwortung" zu tragen, also die Führung zu übernehmen auch in Sachen Globalpolitik.

"Wertebasiert" sei der "Sicherheitsbegriff" zu definieren, aber das Profane vergaß Gauck auch nicht: Weltpolitisches Agieren "erlaube" Deutschland, "Interessen und grundlegende Werte zu verbinden". Und dann ein aufschlussreicher Lehrsatz: "Freihandel reimt sich auf Frieden, Warenaustausch auf Wohlstand."

Es leuchtet ein, dass da gelegentlich militärisch nachgeholfen werden muss, denn mitunter gibt es Territorien auf der Welt, in denen die Befürchtung aufkommt, bei solchem Handel und Tausch könnten sich dann Gewinner und Verlierer herausbilden.

Der Bundeswehreinsatz in Afghanistan? Da ist Gauck ganz glaubensfest: Der war "notwendig", sagt er, mehr nicht. Kein Wort über die Motive und Folgen dieses militärischen Zugriffs, nichts darüber, welche Nöte denn dort gewendet wurden.

Wo geopolitisch gehobelt wird, da fliegen Späne - so ließe sich das gedankliche Muster dieser Politik "globaler Verantwortung" formulieren. Freilich nicht in einer bundespräsidialen Predigt, so unverblümt kann da nicht gesprochen werden. Redete Gauck "Tacheles"? Das schon, aber für Kenner. Und die anwesenden Sponsoren der "Sicherheits"-Konferenz aus der Rüstungsbranche werden den Bundespräsidenten verstanden haben, ganz wertebasiert.