Je mehr Facebook genutzt wird, desto schlechter fühlen sich die Menschen

Französische Wissenschaftler haben untersucht, wie sich die Facebook-Nutzung auf das Wohlergehen und die Lebenszufriedenheit auswirkt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Mehr als eine Milliarde Menschen nutzen Facebook, 500 Millionen täglich. Aber es gibt bislang noch keine Studie darüber, so französische Forscher, wie sich die oft intensive Benutzung des Sozialen Netzwerks auf die Befindlichkeit auswirkt. Subjektives Wohlbefinden sei aber in den Verhaltenswissenschaften eine der am meisten untersuchten Variablen, die eng mit Folgen für die Gesundheit und Langlebigkeit zusammen hänge. Vorliegende Studien hätten zwar Faktoren wie Depression, Zahl der Freunde, Einsamkeit, Selbstwertgefühl etc. untersucht, die mit dem Wohlbefinden zusammenhängen, sie würden aber zu widersprüchlichen Ergebnissen führen. Zuletzt wollte eine australische Soziologin herausgefunden haben, dass Facebook Selbsttherapie befördern könne (Facebook kann Selbsttherapietool sein).

Also sind die Forscher vom Institut Pluridisciplinaire Hubert Curien angetreten, um dem Missstand abzuhelfen. Für ihre Studie, die im Open-Access-Journal PLoS One erschienen ist, fragten sie bei Versuchspersonen das "In-vivo-Verhalten" ab. In Ann Harbor, Michigan, wurden Flugblätter verteilt, um Versuchspersonen zu finden, die einen Facebook-Account und ein Smartphone hatten. Sie erhielten 20 US-Dollar für die Teilnahme, eine Versuchsperson konnte ein iPad2 gewinnen.

Den 82 Versuchspersonen (53 Frauen und 29 Männern) wurden zwei Wochen lang fünfmal täglich eine SMS-Botschaft mit einem Link zu einer Online-Umfrage zum Befinden geschickt, die sie über ihr Smartphone ausfüllen sollten. Vor Beginn und nach dem Ende beantworteten die Teilnehmer neben anderen Tests die Fragen des Satisfaction With Life Questionnaire, um zu sehen, wie sich die Nutzung von Facebook auf das emotionale und das kognitive Wohlbefinden auswirkt. Beim kognitiven Wohlbefinden geht darum, wie zufrieden die Menschen mit ihrem Leben sind, beim emotionalen, wie sie sich jetzt fühlen.

Mit der Auswahl und der geringen Zahl der Versuchspersonen kann die Studie bestenfalls einen Hinweis auf die Wirkung von Facebook geben, zumal die Versuchsteilnehmer auch schon zuvor Facebook genutzt hatten. Fünfmal am Tag wurden die Teilnehmer gefragt, wie sie sich gerade fühlen (von sehr positiv bis sehr negativ), wie sehr sie gerade beunruhigt sind, wie einsam sie sich fühlen, wie oft sie Facebook seit der letzten Anfrage benutzt haben und wie oft sie seit der letzten Anfrage mit anderen Menschen "direkt" - über Telefon oder von Angesicht zu Angesicht - kommuniziert haben.

Das Ergebnis: Je mehr die Versuchspersonen Facebook nutzten, desto schlechter fühlten sie sich. Umgekehrt wird aber Facebook nicht je nach Befindlichkeit mehr oder weniger genutzt. Wenn zwischen den Anfragen Facebook genutzt wurde, ging es den Versuchspersonen bei der nächsten Anfrage schlechter. Auch über die zwei Wochen hinweg beobachteten die Forscher einen geringfügigen Rückgang an Wohlbefinden. Ähnlich ist das Ergebnis für die Lebenszufriedenheit. Je mehr die Versuchspersonen Facebook nutzen, desto stärker nahm ihre Lebenszufriedenheit ab.

Facebook wird nicht mehr genutzt, wenn die Menschen unzufriedener sind

Es könnte freilich sein, dass nicht Facebook alleine, sondern jede Form der sozialen Interaktion das Wohlbefinden beeinträchtigt. Da die Versuchspersonen auch nach der Zahl der direkten Kontakte gefragt wurden, ließ sich diese Frage auch beantworten. Direkte Kontakte senken zwar nicht das Wohlbefinden, sie steigern es auch nicht, wie man hätte vermuten können, sondern sie haben darauf keinen Einfluss. Die Versuchspersonen nutzen auch dann nicht Facebook häufiger, wenn es ihnen schlecht geht. Aber beobachten ließ sich, dass die Zufriedenheit je nach der Zahl der direkten Kontakte bei der nachfolgenden Facebook-Nutzung sank.

Auch Sorgen beeinflussen die Facebook-Nutzung nicht, wohl aber Einsamkeit. Je einsamer jemand ist, desto eher nutzt er Facebook. Das aber heißt nicht umgekehrt, dass Einsamkeit ein Faktor ist, der die aus der Facebook-Nutzung folgende Befindlichkeit und Lebenszufriedenheit beeinflusst. Es gibt zudem bei den einzlenen Versuchspersonen keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der Zahl der Freunde, depressiven Symptomen, dem Geschlecht, der Selbstschätzung oder der Motivation. So bleibt die Facebook-Nutzung selbst nach den Forschern mit dem Niedergang des Wohlbefindens verbunden.

Die Autoren weisen darauf hin, dass die beobachteten Auswirkungen der Facebook-Nutzung zwar statistisch relevant, aber relativ klein waren. Persönliche Lebenszufriedenheit hänge von vielen Faktoren ab, weswegen die Erwartung, einen Faktor zu finden, der es stark beeinflusst, unrealistisch sei: "Überdies lassen sich aus der persönlichen Zufriedenheit eine Reihe von psychischen und physischen Folgen vorhersagen. Deswegen ist die Identifizierung eines Faktors, der diese systematisch beeinflusst, wichtig, besonders wenn der Faktor sich wahrscheinlich mit der Zeit bei einer großen Zahl von Menschen verstärkt." Das eben sei der Fall bei der Facebook-Nutzung, die anders als bei unterstützenden Offline-Verbindungen mit anderen Menschen die Lebenszufriedenheit zumindest bei jungen Menschen senken könnte.