Seehofers Energiewende-Wende

Ein Kommentar

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"Wendehälse" nannten wir Politiker der alten DDR, die nach 1989 so taten, als wären sie schon immer überzeugte Demokraten und gegen die sozialistische Diktatur gewesen. Was ein Wendehals ist, kann man zurzeit in der bayerischen Landespolitik beobachten. Nach der Atomkatastrophe in Fukushima spielte Horst Seehofer den überzeugten Vertreter des Ausstiegs aus der Atomenergie. Alle bayerischen Ministerpräsidenten von Franz Josef Strauß über Edmund Stoiber bis Horst Seehofer hüteten zuvor die bayerischen Atomkraftwerke wie ihren eigenen Augapfel.

Aber nach Fukushima sagte Seehofer im April 2011 der Süddeutschen Zeitung: "Jetzt nach Japan kann es kein Weiter-So geben. Wir müssen an der Effizienz arbeiten, Kraftwerke sanieren und auf erneuerbare Energien umsteigen. Das wird nicht ohne Gaskraftwerke und ohne Pumpspeicherkraftwerke gehen. Wir müssen die Energiewende in diesem Jahrzehnt schaffen. Bayern soll Modell für Deutschland werden…Mir ist es bitterernst…Dieses Projekt ist wichtiger als alles andere…"

Das war eine atemberaubende politische Kehrtwendung. Sie sollte freilich nicht seine letzte sein. Damals nahmen viele seine Worte ernst. Auch ich. Doch nun leitet er schon wieder die nächste Wende ein. Ein echter Wendehals!

Jetzt fordert der Ministerpräsident ein Moratorium, also eine Pause, für jene Stromtrasse, die er zuvor selbst gefordert hatte. Zudem ist er inzwischen auch gegen Windräder, wenn sie nicht zumindest einen Abstand von 2.000 Metern zum nächsten Haus haben und zu allem Überfluss auch noch gegen Pumpspeicherkraftwerke, die als Speicher dann gebraucht werden, wenn keine Sonne scheint oder kein Wind weht.

Wie aber, Horst Seehofer, soll die Energiewende gelingen, wenn wir jeden Tag hören, wogegen Sie sind? Nämlich gegen alles, was Sie bisher für richtig und wichtig gehalten haben. Der bisherige Befürworter gibt jetzt den Volkstribun und springt all jenen zur Seite, die sich gegen angebliche "Landschaftsverschandelung" und "Monsterstromtrassen" wenden.

2015 soll das nordbayerische AKW Grafenrheinfeld abgeschaltet werden. Ohne zusätzliche Stromtransportwege von Nord nach Süd oder ohne mehr Windräder in Bayern, besteht die Gefahr, dass es zu Stromausfällen kommt.

Auch Pumpspeicherkraftwerke werden für die Zeit gebraucht, in der keine Sonne scheint oder kein Wind weht. Doch der Ministerpräsident ist einfach gegen alles. Nach dem Motto "Hauptsache dagegen" - wenn es gerade mal opportun scheint – wird die Energiewende nicht gelingen.

Verantwortliche Politik sieht anders aus. Seehofer zögert und zaudert wieder mal, er hüpft nach links und dann wieder nach rechts, er ist heute gegen das, was er gestern noch gefordert hat. Das ist keine Energiewende, sondern allenfalls eine Energiewende-Wende.

Mehr von Franz Alt 2014 auf der Website Sonnenseite.com.