Spionagedrohne "Euro Hawk" fliegt - fliegt nicht - fliegt doch

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker, musste im Verteidigungsausschuss zum militärischen Abhörsystem ISIS berichten. Er bringt ins Spiel, dass die Riesendrohne "Euro Hawk" wieder aus der Versenkung geholt werden könnte

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Das von EADS (mittlerweile in Airbus Defence & Space umbenannt) gebaute Spionagesystem besteht aus zwei Geräten zum Abhören funkgebundener Kommunikation sowie von elektromagnetischer Strahlung. Es sollte in die Spionagedrohne "Euro Hawk" montiert werden. Wegen zu hoher Kosten hatte der damalige Verteidigungsminister de Maizière das Vorhaben aber gestoppt: Die Drohne sollte im allgemeinen Luftraum verkehren, benötigte Zulassungsverfahren wurden dafür aber vergessen. Berater des Ministers sprachen von Zusatzkosten von einer halben Milliarde Euro. De Maizière zog daraufhin die berüchtigte "Reißleine" (Wir.Drohnen.Deutschland).

Die Drohne Euro Hawk in Manching. Bild: Rekke/gemeinfrei

Das ISIS soll nun mit einer Alternativplattform in die Luft befördert werden. Um etwaige Lösungen hierfür auszuarbeiten wurde ein "Projekt Team ISIS - Alternative Trägerplattformen" einberufen. Letzte Woche hatte das Verteidigungsministerium auf Nachfrage bereits jene vier Luftfahrzeuge benannt, die hierfür in die engere Wahl kommen.

Zur Debatte stehen das Passagierflugzeug "Airbus A319", die Geschäftsreiseflugzeuge "Gulfstream G550" oder "Bombardier G5000" sowie die israelische Drohne "Heron 1", die von der Bundeswehr bereits in Afghanistan geflogen wird. Eigentlich kann die "Heron" das ISIS aber wegen zu geringer Nutzlast nicht transportieren. Die Bundeswehr schlägt deshalb vor, das Spionagesystem in diesem Falle in seine beiden Bestandteile zu zerlegen (den sogenannten "COMINT- und ELINT-Anteil") und mit zwei Drohnen zu befördern.

Generalinspekteur Wieker will Entscheidung vertagen

Der Generalinspekteur wollte eigentlich bis Ende März mitteilen, für welche Variante er sich entscheidet. So wurde es jedenfalls letzte Woche noch behauptet. Dann sollten weitere Testflüge mit dem ISIS starten. Nun heißt es, dass auch der "Euro Hawk" wieder zur Debatte steht. Wieker habe die Ministerin um einen zeitlichen Aufschub gebeten, meldet die Agentur Reuters. Denn keine der vier untersuchten Alternativen sei "so leistungsfähig wie gewünscht". Überdies lägen auch sie deutlich über den vorgesehenen Kosten von rund 600 Millionen Euro.

Nach der Bundestagswahl hatte de Maizière zugegeben, dass ihn die Affäre beinahe zum Rücktritt zwang. Die damalige rot-grüne Opposition nutzte seine Bedrängnis, um zu fordern, das ISIS schnellstmöglich mit einem anderen Träger in die Luft zu schicken. Die Zeiten haben sich geändert: Heute fordert der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, womöglich doch den "Euro Hawk" aus der Versenkung zu holen.

Die Grünen, früher gern gesehener Junior-Partner der SPD, kontern: Der als "Grünen-Wehrexperte" bezeichnete Tobias Lindner nörgelt am ISIS herum und meint, es bleibe unklar, ob das Aufklärungsmodul überhaupt funktioniere. Ein für September 2013 zugesichertes Prüfergebnis stehe weiter aus. Ein Regierungssprecher hatte im Sommer für Aufmerksamkeit gesorgt, als er das Spionagesystem als "Juwel" gelobt hatte (Drohnendesaster für den Verteidigungsminister).

Die Riesendrohne steht nun in Manching und ist zunächst bis Juni eingemottet. Das ISIS befindet sich weiterhin bei der EuroHawk GmbH, die damals aus EADS und dem Drohnenbauer Northrop Grumman gebildet wurde. Bis Dezember wurden in Immenstaad Tests in Laborumgebung durchgeführt. Zuständig ist hierfür ein im Rahmen des Entwicklungsvertrags eingerichtetes "ISIS Verification Lab". Allerdings ist das Gerät in seine Einzelteile zerlegt: Seine Komponenten befinden sich nach Auskunft des Verteidigungsministeriums verteilt auf die Standorte Manching, Immenstaad, Nienburg und Ulm. Die "Eigentumsübernahme des Gesamtsystems einschließlich ISIS" durch das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr sei noch nicht erfolgt, da über die weitere Vorgehensweise" für das Gesamtprojekt "Euro Hawk" noch nicht "final entschieden" sei.

Verteidigungsministerium ist vergesslich

Auch das Verteidigungsministerium rechnete also seit längerem damit, die Drohne wieder aus der Schublade zu holen. Den Abgeordneten und dem Verteidigungsausschuss wurde dies aber bis gestern nicht offenbart. Da passt es ganz gut ins Bild, wenn die Bundesregierung nun zugibt, dass die "Leitungsebene" des Verteidigungsministeriums mit EADS sowie "deren Tochter- und Beteiligungsfirmen" seit Sommer 2013 "ergebnisoffen" über den "Optionen zur Weiterverwendung von ISIS" diskutiert. Auf Nachfrage nach Inhalten und Ergebnissen hieß es gestern, hierüber würden "in der Regel keine umfänglichen Aufzeichnungen angefertigt". Daher könnten hierzu "keine näheren Angaben gemacht werden".

Bislang ist keine Gesamtabnahme des Systems erfolgt. Auch die endgültige Abrechnung mit der Euro Hawk GmbH steht aus. Scheinbar ist die Bundeswehr tatsächlich unzufrieden mit den beiden ISIS-Spionagemodulen: Es würden noch Ansprüche des Bundes auf "vertragliche Resterfüllung" geprüft. Eine "Schlussrechnung" soll erst dann erfolgen, wenn entschieden ist, ob der "Euro Hawk" wieder fliegt oder nicht.