Große Koalition will gegen Abgeordnetenbestechung vorgehen

Experten halten den Gesetzentwurf aber für einen recht zahnlosen Tiger

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Die Abgeordnetenbestechung gehört zu den Dauerbrennerthemen im Bundestag. Mit schönster Regelmäßigkeit bringt die jeweilige Opposition Anträge ein, sie stärker unter Strafe zu stellen – bislang erfolglos. Dabei wäre es dringend nötig, hier etwas zu tun: denn die Bundesrepublik zählt zu den wenigen Ländern in der Welt, die die UN-Konvention gegen Korruption zwar unterschrieben, aber nicht ratifiziert haben. Damit steht Deutschland auf einer Stufe mit Ländern wie Barbados, Sudan und Syrien. Das soll sich nun ändern – im Eiltempo will die Koalition nun die nötigen Schritte vorbereiten.

Grund für die ausstehende Ratifikation der UN-Konvention sind die laschen Gesetze gegen Korruption unter den Parlamentariern. Strafbar ist bislang nur, das Stimmverhalten eines Abgeordneten im Bundestagsplenum zu kaufen – doch so plump läuft Korruption zumeist nicht ab. Die UN wollen daher, dass jegliche Beeinflussung von Abgeordneten unter Strafe gestellt wird.

Doch die schwarz-gelbe Bundesregierung hat sich bis zum Schluss dagegen gewehrt. Lediglich der damalige Vorsitzende des Rechtsausschusses, Siegfried Kauder (CDU), kehrte von einer Afrikareise geläutert wieder und kämpfte gemeinsam mit der Opposition aus SPD, Grünen und Linken für eine Ratifikation der UN-Konvention. Seine Parteifreunde stellten sich gegen ihn, Kauder verlor die Auseinandersetzung und durfte nicht erneut für die CDU in den Bundestagswahlkampf ziehen (Siegfried Kauders einsamer Kampf gegen Abgeordnetenbestechung).

Nach der Bundestagswahl ist alles anders: Union und SPD preschen jetzt mit einem Gesetzentwurf vor, der die Korruption unter Mandatsträgern wirksam unter Strafe stellen und der UN-Konvention Genüge tun soll. Die Große Koalition hat es damit sogar so eilig, dass sie mit einem Verfahrenstrick derart plötzlich eine Expertenanhörung zu ihrem Papier ansetzt, dass die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen Katja Keul befürchtet, die Sachverständigen hätten zu wenig Zeit, sich überhaupt auf die Anhörung vorzubereiten. So wurde die Anhörung erst am vergangenen Mittwoch überhaupt beschlossen – auf einer Ausschusssitzung, die auf Wunsch von Schwarz-Rot einen Tag zuvor einzig zu diesem Zweck einberufen wurde. Zu diesem Zeitpunkt war der Gesetzentwurf der Großen Koalition, den die Experten beurteilen sollten, noch nicht einmal an den zuständigen Rechtsausschuss überwiesen.

Der Gesetzentwurf von Union und SPD sieht vor, Abgeordnetenbestechung auf allen Ebenen von der Kommune bis hin zum Europäischen Parlament mit bis zu fünf Jahren Haft oder einer Geldstrafe zu bestrafen. Bestraft wird, wer für sich oder einen Dritten eine Gegenleistung fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, und im Gegenzug dazu "eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung" vornimmt oder unterlässt. Denjenigen, die versuchen, Abgeordnete zu bestechen, droht laut dem Gesetzentwurf die gleiche Strafe.

Als Vorteile werden in der Gesetzesbegründung ausdrücklich auch immaterielle Zuwendungen genannt – es zählen also nicht bloß Geldzahlungen oder teure Geschenke, sondern auch die Belohnung eines gefügigen Abgeordneten mit einem angesehenen Posten ist strafbar – selbst wenn dieser unbezahlt wäre. Allerdings muss die Zuwendung "ungerechtfertigt" sein – Zuwendungen, die im "parlamentarischen Raum" üblich sind, sollen ausdrücklich nicht bestraft werden. Wird einem Abgeordneten anstelle von Schmiergeld eine hohe Parteispende versprochen, ist also aus Sicht des Gesetzentwurfes alles in Ordnung. Auch eine Belohnung im Nachhinein für ein bestimmtes Verhalten des Abgeordneten bleibt straffrei – sofern er die Belohnung nicht vorher gefordert hat oder sie ihm versprochen wurde.

Bis an die Grenze der Obsoleszenz entwertet

Experten und Opposition loben, dass Union und SPD sich endlich durchringen konnten, Abgeordnetenbestechung stärker unter Strafe zu stellen. Doch an der Umsetzung im Detail scheiden sich die Geister. Insbesondere die Formulierung, dass sich Abgeordnete nur dann strafbar machen, wenn sie "im Auftrag oder auf Weisung" handeln, stößt auf Kritik. Ein konkreter Auftrag oder eine Weisung sei kaum beweisbar, so Abgeordnetenwatch-Gründer Gregor Hackmack in seiner Stellungnahme vor dem Rechtsausschuss.

Abgeordnete seien nicht so dumm, sich von einem Dritten beauftragen zu lassen oder sich dessen Weisungen unterzuordnen. Nachweisbar sei hingegen die Zuwendung an sich und das Verhalten des Abgeordneten – diese Indizien müssten Hackmack zufolge ausreichend sein, um den Vorwurf der Korruption zu erheben.

Hackmack hält es für naheliegend, dass die Autoren des Gesetzentwurfes den Text aus eigenem Interesse auf möglichst diskrete Weise abgeschwächt haben, er ruft den Bundestag auf, sich diesem naheliegenden Vorwurf nicht auszusetzen. Für ihn ist der Text "bis an die Grenze der Obsoleszenz" entwertet und daher auch nicht ausreichend, um die Vorgaben aus der UN-Konvention gegen Korruption zu erfüllen.

Auch Prof. Dr. Wolfgang Jäckle von der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Münster findet den Entwurf der Regierungsfraktionen problematisch. Dass ein Auftrags- oder Weisungsverhältnis vorliegen muss, um den Straftatbestand zu erfüllen, sei weder in entsprechenden Gesetzen anderer Länder noch in der UN- oder Europaratskonvention gegen Korruption zu finden. Dass in der Gesetzesbegründung zudem die Rede davon ist, dass "Auftrag" und "Weisung" nicht im juristischen, sondern im umgangssprachlichen Sinne gemeint seien, sei ein "Sündenfall". Im gesamten Strafgesetzbuch sei nichts Vergleichbares zu finden.

Zudem hält es Jäckle für widersprüchlich, dass der Gesetzentwurf auch das Einfordern von Bestechungsgeldern unter Strafe stellen will, während gleichzeitig nur ein passives Auftrags- oder Weisungsverhältnis vom Straftatbestand erfasst wird. Die Folge könnte laut Jäckle sein, dass ein Gericht einen Kommunalpolitiker, der einem Unternehmer anbietet, sich gegen Geldzahlung für niedrige Gewerbesteuern einzusetzen, eben nicht verurteilt, weil kein klassisches Auftrags- oder Weisungsverhältnis vorliegt.

Transparency International hingegen begrüßt den Gesetzentwurf und kritisiert vor allem, dass er lediglich die Minimalstandards erfülle, die nötig seien, um die UN-Konvention zu ratifizieren. Problematisch sei, dass direkte Spenden an Abgeordnete auch weiterhin möglich sein sollen. Diese seien jedoch ein großes Einfallstor für Korruption. Der Entwurf reiche nicht aus, um die Anforderungen aus dem Strafrechtsübereinkommen des Europarates über Korruption zu erfüllen. Dessen Ratifizierung sei auch weiterhin nicht möglich.

Wenn die Große Koalition ernsthaft den Kampf gegen Abgeordnetenbestechung aufnehmen will, wird sie also wohl noch nacharbeiten müssen.