Bundesverfassungsgericht will Sperrklausel-Urteil am 26. Februar verkünden

Kleine Parteien hoffen auf deutliche Stimmenzuwächse

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Gestern gab das Bundesverfassungsgericht bekannt, dass der Zweite Senat nach drei mündlichen Verhandlungsterminen und gut zwei Monaten Beratung am Mittwoch den 26. Februar 2014 um 10 Uhr vormittags verkünden will, ob die im Sommer 2013 von CDU, CSU, SPD, FDP und Grünen gemeinsam beschlossenen neue Drei-Prozent-Hürde bei Europawahlen gilt oder nicht. Das Urteil wird unter anderem von einer Reihe kleinerer Parteien mit Spannung erwartet.

Hätte es bei der Europawahl 2009 keine Sperrklausel gegeben, dann hätten die Freien Wähler zwei Abgeordnete und die ÖDP, die Tierschutzpartei, die Republikaner, die Piraten, die Rentnerpartei und die Familienpartei jeweils einen Mandatsträger im Europaparlament unterbringen können. Aufgrund der damals geltenden Fünf-Prozent-Hürde, die das Bundesverfassungsgericht im November 2011 für grundgesetzwidrig erklärte, gingen diese acht Sitze stattdessen an Union, SPD, Grüne und FDP.

Entscheidet das Bundesverfassungsgericht gegen die neue Sperrklausel, dann können diese Parteien am 25. Mai nicht nur mit einem Einzug ins Europaparlament, sondern sogar mit einem höheren Stimmenanteil rechnen, weil sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Wähler für sie entscheiden, die dies vorher nicht taten, weil sie glaubten, ihre Stimme zu verschenken. Für die Piraten gilt dies nach der Hegemonieübernahme der Höfinghoff-Schramm-Gruppe und Skandalen wie dem Bombergate nur eingeschränkt: Inzwischen kehrten der Partei so viele bürgerrechtsorientierte Mitglieder und Anhänger den Rücken, dass Beobachter es für möglich halten, dass die Piraten unterhalb von einem Prozent landen.

Gegen die Einführung der Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht haben neben mehreren kleinen Parteien auch der Verein Mehr Demokratie und knapp 1.100 Privatpersonen geklagt. Erst nach Einreichung dieser Klagen kam durch eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz heraus, dass das damals von Hans-Peter Friedrich geführte Bundesinnenministerium nach dem Fall der Fünf-Prozent-Hürde am 9. November 2011 zwei seiner Hausjuristen prüfen ließ, ob eine neue Zweieinhalb-Prozent-Hürde bei Europawahlen verfassungsgemäß sein könnte. Die beiden Spitzenbeamten kamen in einer sieben Tage später fertig gestellten Stellungnahme zum Ergebnis, dass bei Europawahlen auch eine niedrigere Sperrklausel grundgesetzwidrig ist.

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Foto: NatiSythen. Lizenz: CC BY-SA 3.0.

Das mit Steuergeld bezahlte Dokument, in dem sie das ausführen, wurde vom Ministerium nicht veröffentlicht. Nachdem es über das Portal Frag den Staat geleakt wurde, beauftragte das Bundesinnenministerium eine Rechtsanwaltskanzlei, die einen Verstoß gegen das Urheberrecht und geltend machte und eine Abmahnung mit einer Kostennote in Höhe von 887,03 Euro verschickte. In der beiliegenden strafbewehrten Unterlassungserklärung sollte sich der Vorstand der Open Knowledge Foundation Deutschland bis 21. Januar dazu verpflichten, die Stellungnahme nicht weiter "zu verbreiten oder öffentlich zugänglich zu machen". Die Open Knowledge Foundation hat diese Unterlassungserklärung allerdings nicht unterzeichnet und machte inzwischen beim Bundesinnenministerium eigene Rechtsanwaltskosten geltend.

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