Bundespolizei stellt automatisierte Kontrollgates für neue EU-Vorratsdatensammlung auf

Das Bundesinnenministerium startet die offizielle Einführung des automatisierten Grenzkontrollsystems "EasyPASS". Erhobene Daten könnten später auch zweckfremd genutzt werden

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

An mehreren Flughäfen werden automatisierte Kontrollgates eingerichtet, deren Benutzung allerdings noch freiwillig ist. Voraussetzung ist der Besitz eines elektronischen Reisedokumentes, des sogenannten "ePass". Er muss von einem EU-Mitgliedstaat ausgestellt worden sein und enthält personenbezogene sowie biometrische Daten. Sie sind in der maschinenlesbaren Zeile und auf einem integrierten RFID-Chip gespeichert. Deutsche Staatsangehörige können auch den e-Perso nutzen, auf dem ein biometrisch optimiertes Gesichtsbild sowie Fingerabdrücke abgelegt sind. Zu den weiteren Anforderungen gehört die Volljährigkeit.

Fingerabdruckscanner sollen bei allen Ein- und Ausreisen in der EU eingesetzt werden. Bild: EU

Die Bundespolizei bewirbt das System als "beschleunigte Kontrolle" und verspricht eine Verringerung von Wartezeiten. Gewöhnlich fallen für eine Kontrollprozedur rund zwei Minuten Arbeitszeit an, mit "EasyPASS" soll dies nur noch 18 Sekunden beanspruchen. Das jeweilige elektronische Reisedokument wird zur Echtheitsprüfung auf ein Dokumentenlesegerät gelegt, das sich am Eingang der "EasyPASS"-Schleuse befindet. Die personenbezogenen Daten werden ausgelesen. Sofern der Besitzer des Ausweises nichts verkehrt macht, öffnet sich die "Schleuse". Dann nimmt ein Scanner der Firma L1 Identity Solutions das Gesichtsbild auf und gleicht es mit dem im RFID-Chip gespeicherten Bild ab. Der Probebetrieb soll helfen, die optischen Sensoren der Systeme "optimal auf die Umgebungsbedingungen des jeweiligen Standortes" einzustellen.

Im Hintergrund läuft eine Abfrage polizeilicher Datenbanken. Welche das sind, bleibt offen. Die Rede ist aber von "Vorgaben des Schengener Grenzkodex", was zumindest eine Abfrage des Schengener Informationssystems SIS II bedeutet. Ist auch diese Fahndungsabfrage ohne Beanstandung, freut sich "EasyPASS" und öffnet das letzte Türchen. Liegen allerdings "polizeilich relevante Erkenntnisse" vor, kommt die Humanpolizei und vertieft die Kontrolle. Wie an den automatisierten Kassen im Supermarkt oder bei IKEA erfolge laut der Bundespolizei "eine enge Begleitung des Betriebes durch die Bundespolizei".

EU errichtet ähnliches System im Rahmen des "Maßnahmenpakets intelligente Grenzen"

Gestern wurde "EasyPASS" im Probebetrieb am Flughafen München begonnen, ab morgen ist das System auch am Flughafen Frankfurt am Main benutzbar. Im März sollen die Standorte Hamburg und Düsseldorf folgen. Eigentlich war "EasyPASS" für die fünf passagierstärksten deutschen Flughäfen angekündigt worden, wozu auch Berlin gehört. Die Inbetriebnahme des neuen Großflughafens Schönefeld verzögert sich aber nach gegenwärtigen Mitteilungen auf 2016.

Der Bundesinnenminister a.D. Hans-Peter Friedrich hatte "EasyPASS" bei einer CSU-Veranstaltung auch mit Investitionen für die deutsche Wirtschaft begründet. Die Einführung sei "nicht nur technisch und organisatorisch sinnvoll", sondern auch wirtschaftlich notwendig. Friedrich wollte dadurch "mit der Entwicklung im internationalen Reiseverkehr schritthalten". Den Zuschlag für "EasyPASS" erhielten die Bundesdruckerei und die secunet Security Networks AG. Die Unternehmen dürften nun nach weiteren Aufträgen schielen.

Dabei geht es insbesondere um die Europäische Union: Die EU-Kommission ist dabei, eine Vorratsdatenspeicherung aller ausländischen Reisenden anzulegen. Dies beträfe sämtliche Ein- und Ausreisen, egal ob diese aus geschäftlichen, touristischen oder schutzbedürftigen Gründen erfolgen. Bei jedem Grenzübertritt sollen dann alle zehn Fingerabdrücke abgegeben werden (Intelligente Festung Europa).

Dieses geplante "Ein/Ausreiseystem" käme mit einem weiteren Programm zur Bevorzugung von "vertrauenswürdigen Vielreisenden", die zuvor ihre biometrischen Daten abgegeben haben ("Registrierungsprogramm für Reisende"). Zusammen bilden sie das "Maßnahmenpaket intelligente Grenzen", das nach gegenwärtigem Stand 1,35 Milliarden Euro kosten würde. Der Umfang der neuen Vorratsdatenspeicherung wäre immens: Jährlich wird mit rund 269 Millionen Reisenden gerechnet. Diesen Monat hat die EU-Kommission eine Machbarkeitssudie angekündigt.

EasyPASS-Daten auch für Polizeibehörden und Geheimdienste?

Auch "EasyPASS" wird ein "nationales Registrierungsprogramm für Vielreisende" enthalten ("EasyPASS-RTP"). Es soll nicht nur das Gesichtsbild verarbeiten, sondern auch die Fingerabdrücke. Dadurch wäre es kompatibel mit dem "Registrierungsprogramm für Vielreisende" der Europäischen Union.

Fraglich ist aber, ob die Daten wirklich nur zur Grenzkontrolle verarbeitet werden. Denn das "Maßnahmenpaket intelligente Grenzen" der EU sieht vor, dass auch Polizeibehörden und Geheimdienste davon Gebrauch machen dürfen. Insbesondere der frühere Innenminister Friedrich hatte sich hierfür stark gemacht. Derzeit soll dies lediglich zur "Verhütung und Verfolgung terroristischer und sonstiger schwerwiegender Straftaten" erlaubt sein. Gewöhnlich werden die Anwendungsbereiche aber schrittweise erweitert. Die erweiterte Nutzung durch alle Sicherheitsbehörden (anstatt nur durch die Grenzpolizei) wird mit einem besseren "Kosten-Nutzen-Verhältnis" gerechtfertigt.

Laut der Bundesregierung wird auch über ein "Zusammenwirken eines Ein/Ausreiseystems mit bereits vorhandenen Systemen" nachgedacht. Zwar wird nicht benannt um welche es sich handelt. Denkbar ist der Abgleich mit anderen EU-Polizeidatenbanken, bei Ermittlungen aber auch mit Vorratsdaten aus der Telekommunikation oder Finanztransaktionen.