Die Rolle der Prinzen

Showdown im Luxemburger Bombenleger-Prozess

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Im Luxemburger "Jahrhundertprozess" über die Bombenserie zwischen 1984 und 1986 gibt es viele Rätsel - aber zweierlei steht fest: Die geheimnisvollen Bombenleger hatten detailliertes Insiderwissen vom Luxemburger Sicherheitsapparat. Und bei den Ermittlern gab es über drei Jahrzehnte hinweg eine Art Omertá. Hohe Beamte in Polizei und Geheimdienst nahmen lieber ihren Hut und erlitten vor Gericht "Gedächtnisschwäche", als auszupacken. Mehrfach ging das Gericht dem ungeheuerlichen Verdacht nach, der geheimnisvolle Bombenleger sei ein Sohn des Großherzogs persönlich.

Der verstorbene Zeuge Beffort will am 9. November 1986 um 4 Uhr morgens am Flughafen Findel Prinz Jean erkannt haben. An diesem für die NATO wichtigen Umschlagplatz waren Bomben an sicherheitsrelevanten Einrichtungen detoniert. Die Polizei wollte Befforts Aussage nicht hören. Stattdessen berichtete er über Einschüchterungsversuche, weshalb er zeitlebens nicht an die Öffentlichkeit ging. Bei späteren Ermittlungen weigerte er sich, den Namen jemand anderem als Staatschef Juncker zu sagen.

Am Mittwoch trat Juncker als Zeuge im Gerichtssaal auf und bestätigte widerwillig, dass er Beffort empfangen hätte und dieser ihm den Namen des Prinzen Jean auf einen Zettel schrieb. Die Vorsichtsmaßnahme war offenbar sinnvoll, denn bekanntlich wurden sogar Staatschef Junckers Worte von seinem eigenen Geheimdienstchef mitgeschnitten - etwa mit einer präparierten Armbanduhr. Auch ein ehemaliger Staatsanwalt soll den Prinz belastet haben, widersprach jedoch diesem Bericht.

Nachdem der Luxemburger Verfassungsgerichtshof geklärt hatte, dass die Prinzen als Staatsoberhäupter überhaupt auszusagen hätten, erschienen nun die Adligen vor dem weltlichen Strafgerichtshof als Zeugen. Für Strafverteidiger Dr. Vogel, einen glühenden Kritiker von Monarchie, Kirche und totalitären Systemen, muss die Anhörung ein Fest gewesen sein. Wie stets wurde auch der 139. Prozesstag vom Luxemburger Tageblatt und Wort protokolliert.

Eine Kiste Geheimdienstunterlagen über Stay Behind sowie KGB-Desinformation aus dem Kalten Krieg

Zum Beginn des Verhandlungstermins wurde dem Gericht eine Kiste Geheimdienstunterlagen über Stay Behind sowie KGB-Desinformation aus dem Kalten Krieg übergeben. Prinz Jean soll damals tagsüber an einer Jagdgesellschaft im französischen Domaine de l'étoile teilgenommen und dann beim damaligen Präsident Giscard d'Estaing übernachtet haben. Dies hatte d' Estaing schriftlich bescheinigt. Auch er soll in Luxemburg als Zeuge vorgeladen werden.

Zunächst befragte das Gericht die Ex-Frau von Prinz Jean, die bürgerliche Hélène Vestur. Jean hatte damals aus bis heute ungeklärten Gründen auf seine Thronfolge verzichtet, nennt sich seither "Jean de Nassau" und verließ das Land. Die Zeugin Vestur gab an, der damals 28jährige Prinz sei damals von seinem Auslandsstudium in den USA zurückgekommen und habe einen Zwischenstopp bei ihr in Paris eingelegt, um dann an der Jagd teilzunehmen.

Er habe mit seiner jungen Familie ein bürgerliches Leben führen wollen und für seine persönliche Freiheit freiwillig auf alle Titel verzichtet. Das Paar hatte anlässlich einer Schwangerschaft diskret gegen den Willen des Großherzogs geheiratet, der Familie wurde sie nie vorgestellt. Die Zeugin schilderte ihren Ex-Mann als einen aufrichtigen Menschen. Angeblich habe man nie über die Attentatsserie gesprochen. Von der Bommeleeër-Affäre habe sie erstmals 2005 gehört. Anwalt Vogel wies allerdings darauf hin, dass mit dem Verzicht auf die Titel auch die geheimnisvolle Anschlagsserie schlagartig vorbei war. Das Gerücht, der Prinz sei der Bombenleger gewesen, kursierte ihm zufolge bereits seit 1985.

Als das Gericht den Bruder hörte, Prinz Guillaume, wies dieser darauf hin, dass er im Jahr 2000 einen schweren Unfall gehabt habe. Seither leide er an Gedächtnislücken, er könne sich nicht einmal an seine Heirat oder an die Geburt seiner Kinder erinnern. Während des Anschlags am 23. Juni 1985 in Hollerich sei er im Ausland gewesen, er habe in Großbritannien und den USA gelebt.

Prinz Jean de Nassau arbeitete für Snowden-Firma Booz Allen Hamilton

Schließlich hörte das Gericht den in Verdacht geratenen Prinz Jean. Dem Zeugen wurde auf Wunsch gestattet, in französischer Sprache zu antworten, woraufhin Anwalt Vogel demonstrativ darauf bestand, seine Fragen auf luxemburgisch zu stellen. Jean wollte von den "Bommeleeër" das erste mal 2005 gehört haben, als man ihn über entsprechende Gerüchte informierte.

Die Vorsitzende Richterin und Anwalt Vogel mochten nicht recht glauben, dass sich die Nachwuchs-Monarchen in den 1980er Jahren nie über die Bombenserie unterhielten. Der Prinz betonte aber, er stehe unter Eid und habe vor 2005 nichts davon gehört. Seine Familie habe ihn wohl nicht vom Studium ablenken wollen.

Jean will von Donnerstag auf Freitag bei seiner Ex-Frau in Paris übernachtet haben, um dann mit Giscard d'Estaing auf die Jagd zu gehen. Von der Jagd gibt es ein Foto. Anwalt Vogel gab bereits letztes Jahr zu bedenken, dass die Entfernung vom Tatort zur Jagd in Frankreich mit einem schnellen Auto zu bewältigen gewesen wäre. Die Richterin wies darauf hin, dass er laut Giscard d'Estaing bei ihm übernachtetet habe, während die Ehefrau gerade behauptet hatte, der Prinz sei bei ihr gewesen. Mindestens eines der beiden Alibis muss daher falsch sein.

Prinz Jean mit seiner Mutter und seinem Bruder Henri Anfang der 1960er Jahre.Foto: US Government.

Prinz Jean bestritt persönliche Kontakte zu den Personenschützern der Brigade Mobile de Gendarmerie, der die beiden Angeklagten angehörten. Die Namen der Männer habe er nicht gekannt. Zu den Umständen seines Thronverzichts legte Jean nunmehr offen, der Großherzog habe ihn als 14jährigen darüber aufgeklärt, dass sein erstgeborener Bruder Prinz Henri nachfolgen solle, so dass er ohnehin keine Aussichten gehabt habe. 1986 habe er abgedankt und bis auf die Titel "Altesse royal" und "Prince de Luxembourg" alle abgelegt. Behauptungen von Staatschef Juncker, Jean sei teilweise rehabilitiert worden, widersprach der Zeuge.

Anwalt Vogel befragte Jean zu möglichen Kontakten zur CIA oder zum Luxemburger Stationschef der CIA. Der Prinz verneinte diese. Allerdings hatte er früher für das US-Beratungsunternehmen Booz Allen Hamilton gearbeitet - dessen bislang prominentester Ex-Mitarbeiter Edward Snowden heißt. Jean will als junger Analyst bei dem Unternehmen gearbeitet haben, bestritt jedoch Kontakte zu Geheimdiensten. Der Prinz gab außerdem an, 1985 auf Wunsch seines Vaters an der militärischen Übung Link auf http://www.heise.de/tp/artikel/38/38645 teilgenommen zu haben. Bei seiner Ausbildung in Sandhurst habe er jedoch nicht den Bau von Sprengfallen gelernt.

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