Ist ein Fahrverbot als Sanktion eine gute Idee?

Union und SPD haben im Koalitionsvertrag die Einführung des Fahrverbots als "eigenständige Sanktion" vereinbart, in den USA ist dies schon längst ein probates Mittel

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Union und SPD haben im Koalitionsvertrag beschlossen, dass Fahrverbote auch bei nicht mit dem Führen von Fahrzeugen verbundenen Straftaten als Sanktion verhängen werden können. Gedacht wird offenbar an reichere Mitbürger, die mit Geldstrafen nicht zu beeindrucken sind: "Um eine Alternative zur Freiheitsstrafe und eine Sanktion bei Personen zu schaffen", so heißt es im Koalitionsvertrag, "für die eine Geldstrafe kein fühlbares Übel darstellt, werden wir das Fahrverbot als eigenständige Sanktion im Erwachsenen- und Jugendstrafrecht einführen."

Quelle: Bundesdruckerei

Der Deutsche Richterbund hatte die Idee abgelehnt. Ein Fahrverbot könne nur über diejenigen verhängt werden, die einen Führerschein besitzen. Wenn etwa ein Dieb keinen Führerschein besitzt, könne er nur zu einer Haft- oder Geldstrafe verurteilt werden. "Wenn eine Strafe nicht jeden treffen kann, weil nicht jeder einen Führerschein hat, wären nicht mehr alle vor dem Gesetz gleich", sagte Stefan Caspari, Mitglied der Großen Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes. Zudem sei es schwierig zu überprüfen, ob das Fahrverbot eingehalten würde.

Gegen die Verhängung eines Fahrverbots würden aber auch noch andere Gründe sprechen, wie die Praxis in den USA zeigt. Hier werden schon lange Fahrverbote bei vielen Delikten verhängt, die nichts mit dem Verhalten im Verkehr zu tun haben. Dabei kann es um die unterschiedlichsten Dinge gehen. Nach der American Association of Motor Vehicle Administrators werden in den USA Fahrverbote bei 59 Delikten verhängt, die nichts mit dem Fahren zu tun haben. Dabei gibt es zwischen den Bundesstaaten erhebliche Unterschiede. So kann in 43 Bundesstaaten ein Fahrverbot verhängt werden, wenn die Unterhaltszahlungen für Kinder nicht erfolgen. Ein Fahrverbot kann es aber auch für das Verbrennen von Müll wie in Vermont geben oder wenn man in der Öffentlichkeit betrunken ist wie in Iowa. In Florida droht ein Fahrverbot, wenn ein Mann sich weigert, den Vaterschaftstest zu machen, in New York, wenn man für den Sturz der Regierung wirbt. Und in Montana riskiert man einen Führerscheinentzug, wenn man seinen Studienkredit nicht zurückzahlt.

Das Fahrverbot wird also ziemlich nach Belieben zur Sanktion verhängt - und auch in sehr unterschiedlicher Länge von einigen Monaten bis zu einigen Jahren und länger. Der Sprecher des Repräsentantenhauses in Florida, der republikanische Politiker Will Weatherford, setzt sich nun dafür ein, die Praxis abzuschaffen, weil damit vor allem die Armen getroffen würden. In einem Interview verwies er auf die 167.000 Menschen, gegen die 2013 in Florida ein Fahrverbot verhängt wurde. Daraus würde ein Schneeballeffekt entstehen: "Sie verlieren ihren Führerschein. Dann gehen sie ins Gefängnis. Dann haben sie 4.000 US-Dollar Schulden. Das schafft Armut und zieht die Menschen herunter." So würde auch über viele Jugendliche ein Fahrverbot für die Zukunft verhängt, weil sie beispielsweise die Schule schwänzen.

Nach einem Bericht des Office of Program Policy Analysis and Government Accountability wird den meisten Menschen in Florida die Fahrerlaubnis entzogen, weil sie Gerichtskosten nicht bezahlt haben. Für Unterhaltszahlungen scheint die Drohung zu funktionieren. Die Meisten sollen die Zahlung vorziehen. Bei denjenigen, die Schecks gefälscht und deswegen die Fahrerlaubnis verloren haben, fahren aber Zweidrittel auch schwarz weiter, auch wenn sie eine Gefängnisstrafe riskieren. In aller Regel deswegen, weil sie zur Arbeit müssen.

Das Fahrverbot trifft die Menschen sehr unterschiedlich hart, je nachdem, ob sie auf dem Land oder in einer großen Stadt leben. Das ist in Deutschland genauso wie in den USA, allerdings ist dort der öffentliche Nahverkehr oft deutlich schlechter. Wer in Deutschland in einer Stadt lebt und dort arbeitet, muss vielleicht länger pendeln, wenn er kein Auto benutzen kann, sondern mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Fahrrad fahren muss, auf dem Land ist der Verlust der Fahrerlaubnis deutlich anders, weil die Strecken länger sind und oft keine Möglichkeit besteht, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. In den USA ist es in New York, Washington oder San Francisco keine Schwierigkeit, ohne Auto auszukommen, schreibt Mike Riggs Atlantic Cities. In Miami würde dies schon ganz anders aussehen, dort benutzen gerade 4 Prozent der Pendler öffentliche Verkehrsmittel.

In den US-Bundesstaaten gibt es auch die Möglichkeit, kein totales Fahrverbot zu verhängen, sondern die Genehmigung zu erhalten, von und zur Arbeit zu fahren. Das zu beantragen kann aber mühsam und teuer sein, zudem dauert es oft länger, weswegen der Job schon weg sein kann, bevor man die eingeschränkte Fahrerlaubnis erhält. Und wie so oft gibt es auch einen Zusammenhang zwischen Arm und Reich, der sich in den USA auch hinsichtlich der Hautfarbe ausdrückt. In Miami-Dade, dem bevölkerungsreichsten und teuersten County in Florida, wurden letztes Jahr 137.000 Menschen die Fahrerlaubnis entzogen, meist wegen Verkehrsdelikten. Davon betroffen waren nur 15.000 Weiße, aber 43.000 Schwarze, der überwiegende Rest waren Latinos.