"Mehr Härte gegen Putins Protegé Assad"

Hat der Konflikt in der Ukraine auch Folgen für den Kriegsschauplatz Syrien?

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Es hat nicht lange gedauert, bis sich US-Politiker der zweiten und dritten Reihe, Think-Tank-Experten, aber auch ernst zu nehmende Syrienkrisenbeobachter Gedanken machten über mögliche Folgen der neu aufgeschaukelten Konfrontation zwischen den USA und Russland für den Kriegschauplatz im Nahen Osten. Für Falken ist die Sache klar: Putin zeige in der Ukraine sein wahres Gesicht, es gehe ihm politisch einzig um die Interessen Russlands. Das treffe auch auf Syrien zu. "Peaceful solutions" seien für den russischen Präsidenten von zweitrangigem Interesse. Die US-Regierung habe dies nicht richtig eingeschätzt, seien zu "permissiv" gewesen, eine Schwäche, die Putin wie kein zweiter ausnützen würde, wie man nun sehen könne. Suggeriert wird mit dieser Logik, dass das Vorgehen Putins auf der Krim Obama veranlassen sollte, in Syrien einen härteren Kurs einzuschlagen.

"Unsere Politik in Syrien hat Putins Politik in der Ukraine nicht gerade entmutigt", sagt der frühere US-Diplomat für Syrien, Fred Hoff. Dies dürfte mit einiger Wahrscheinlichkeit einer in der politischen Klasse verbreiteten Haltung entsprechen, die sich in Aussagen anderer Politiker gegenüber einem Senatsauschuss für Außenpolitik wiederfindet.

Scharfmacher haben es nicht schwer, diese Stimmung zuzuspitzen: "KGB-Schurken wie Putin werden von Vereinbarungspapierkram nicht abgeschreckt. Abgeschreckt werden sie, wenn die Verienigten Staaten Strenge und Entschiedenheit zeigen."

Die Möglichkeiten einer "härteren" US-Syrienpolitik bleiben aber auch angesichts der Verschärfung des Verhältnisses zwischen den USA und Russland beschränkt.

Zwar gilt die Androhung einer militärischen Intervention noch immer, was im Zusammenhang mit der Verzögerung und Störungen des Abbaus der Chemiewaffen in einigen Berichten erwähnt wird. Da sich dies aber mit den besonderen Verhältnissen - die Durchführung in einem kriegerischen Umfeld und insbesondere auch mit Angriffen von Rebellen-Milizen - erklären lässt, hat dies noch (?) nicht zu kritischen Spannungsaufladungen zwischen Russland und den USA geführt.

Auf beiden Seiten, bei Lawrow und Kerry, dürfte das Interesse überwiegen, dass die Vereinbarung steht. Beide scheuen Schritte, welche der dschihadistischen Opposition größere Vorteile einräumen. Diese Grundbedingungen haben sich nicht geändert.

Neue Sicht auf Putins Politik

Was sich allerdings durch die Ukraine-Krise geändert hat, ist der Blick auf Putin in der US-Öffentlichkeit. Er wird als überwiegend als Aggressor geschildert, was den Befürwortern des Regime-Change in Syrien neue Chancen eröffnet. Dass Putin Baschar al-Assad unterstützt, wird nun weniger im Licht einer Deeskalation des syrischen Konflikts gesehen, sondern als pure Machtpolitik herausgestellt, bei der der russische Macho den brutalen Despoten aus Damaskus unterstützt. Diese Lesart gab es schon immer, mit Putins Eingreifen auf der Krim gibt es mehr Möglichkeiten, den Blick aus dieser Perspektive zu betonen.

Dazu kommt, dass die Meldungen über die verzweifelte Lage der syrischen Bevölkerung nicht abreißen. Neun Millionen auf der Flucht, über 100.000 Tote, das Aushungern der eingeschlossenen Zivilbevölkerung. Dass an dieser infamen Strategie auch die sogenannten Rebellen ihren Anteil haben, wird in vielen Berichten zwar erwähnt, die Hauptschuld an der Situation wird aber den Regierungstruppen zugemessen. Dazu muss man nur das Radio einschalten oder Meldungen der Nachrichtenagenturen lesen.

Druck aufbauen

Öffentlichen Druck aufzubauen, um die US-Regierung dahin zu drängen, statt indirekter Unterstützung oppositioneller Gruppen direkt militärisch einzugreifen, wird durch die Ukraine-Krise eher begünstigt, aber die Optionen dafür sind nicht viel besser geworden. Nach wie vor stellen Salafisten und Dschihadisten den Kern der militärisch stärksten Gegner al-Assads.

Zwar sieht es momentan so aus, als ob der interne Kampf zwischen al-Qaida nahen Gruppierungen, der Freien Syrischen Armee neue Vorteile verschafft, aber ob dieser Trend hält, ist ungewiss. Eine stärkere Aufrüstung dieser Milizen mit kriegsentscheidenden Waffen (tragbare Flug-und Panzerabwehrwaffen) würde noch immer das Risiko haben, das die USA scheuen: Dass die Manpads an Dschahidisten geraten.

Zerstrittene Opposition

Verbindungen zwischen der FSA und den Dschihadisten gibt es; die Allianzen sind im ständigen Wandel, wie sich derzeit auch an der Vereinigung "Islamische Front" zeigt. Galt die IF in den letzten Wochen noch als die wichtigste und stärkste Milizenvereinigung, so berichten nun Beobachter, das sie sich in Auflösung befindet, kollabiert. Zusammengehalten werde sie nur noch formell, weil man als Allianz leichter an Geld komme.

Die Opposition in Syrien bleibt ein vielgliedriges, sich lokal ständig veränderndes Geflecht von Gruppen, die, wie es aussieht, um ihre lokalen Machtpositionen kämpfen. Ob die USA zusammen mit Saudi-Arabien, der Türkei, Jordanien, Frankreich und Großbritannien daraus eine eingermaßen stabile Oppositionsgruppe bilden können, die man politisch als Alternative zur gegenwärtigen Regierung präsentieren könnte, ist noch immer sehr zweifelhaft.

Eine militärische Intervention würde Baschar al-Assad und all jene, die mit seiner Regierung verbunden sind, sicher treffen, der Opposition Vorteile verschaffen und möglicherweise zu neuen Überläufer führen und damit vielleicht gar die Machtverhältnisse zugunsten der Assad-Gegner kippen. Aber was dann? Man kann annehmen, dass auch die Obama-Regierung darauf keine Antwort hat, die sich gegen die Risiken, die damit verbunden sind, durchsetzen kann.

Syrien ist in Kantone zerfallen. Damit können die Großmächte leben. Präsident Assad will sich in seinen Kantonen wieder zur Wahl stellen. Gestern sprach er Putins Bemühungen zur "Wiederherstellung von Sicherheit und Stabilität" Anerkennung aus. Die Haltung der russischen Führung sei "eine kluge Politik angesichts von Staatsstreichen gegen die Legitimität und Demokratie zugunsten terroristischer Extremisten".