Mortalität von Alzheimer stark unterschätzt

Nach einer Untersuchung ist Alzheimer bereits die dritthäufigste Todesursache in den USA

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Mit zunehmender Lebenserwartung steigt nicht nur die Zahl der Menschen, die an Demenz und Alzheimer erkranken, sondern auch die Mortalität. In Deutschland lagen Demenz und Alzheimer 1998 bei den Sterbeursachen bei den Frauen noch auf Platz 20 und bei den Männern auf Platz 25, 2009 aber bereits auf Platz 5 bzw. Platz 14, was einen Anstieg von 300 bzw. 250 Prozent ausmacht.

Für diesen hohen Anstieg ist neben der zunehmenden Lebenserwartung auch die verbesserte medizinische Behandlung anderer Krankheiten verantwortlich, kann dies aber nicht erklären, zumal man davon ausgehen kann, dass auf den Todesscheinen des Öfteren nicht als Todesursache Alzheimer codiert wird. Nach einer Studie des Deutschen Zentrums für Altersfragen handelt es sich bei dem "ausgewiesenen Anstieg der altersstandardisierten Sterbeziffern vor allem um ein Codierartefakt", es werden also öfter als früher Demenz oder Alzheimer als Todesursache codiert.

In den USA listen die Centers or Disease Control and Prevention 2009 Alzheimer als die sechsthäufige Todesursache, weit nach Herzerkrankungen und Krebs. 3,4 Prozent aller Todesfälle (84,500) gehen also auf Alzheimer zurück. Für 2010 gehen die CDC von einer Zunahme von 3,7 Prozent aus.

Eine in der Zeitschrift Neurology erschienene Studie von Medizinern am Rush Alzheimer’s Disease Center in Chicago kommt jedoch zu deutlich höheren Werten und geht jährlich von mehr als 500.000 Toten aus, die aufgrund Alzheimer sterben. Das würde Alzheimer bereits zur dritthäufigsten Todesursache nach Herzerkrankungen und Krebs und vor chronischen Lungenerkrankungen, Schlaganfall und Unfällen machen.

Die Wissenschaftler haben Daten von 2.566 US-Bürgern über 65 Jahren (durchschnittlich 78,1 Jahre) ausgewertet, die zu Beginn noch keine Symptome von Demenz aufwiesen und von denen die Todesursache und der Todestag genau erhoben wurden, weil die Teilnehmer Organspender waren. Durchschnittlich nach 8 Jahren entwickelten 21,8 Prozent eine Demenz, insgesamt starben 42,4 Prozent. Durchschnittlich lagen zwischen der Diagnose der Alzheimer-Demenz und dem Tod 3,8 Jahre. Die Mortalität lag bei den 75-84-Jährigen höher als bei den Über-85-Jährigen, die Zahl der Sterbefälle im Alter von 74 Jahren und jünger war zu gering, um statistisch signifikant zu sein. Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung schätzen die Wissenschaftler, dass von den Über-75-Jährigen 2010 503.400 an Alzheimer gestorben sind. Die Zahl der Todesfälle würde mithin viel zu niedrig angesetzt.

Das Problem ist, dass die Ärzte, die den Totenschein ausstellen, oft nicht Alzheimer als primäre Todesursache angeben, sondern akute Probleme, die aber mit Alzheimer zusammenhängen, beispielsweise Lungenentzündung. Alzheimer führt überdies oft zu Bewegungsstörungen, Schluckproblemen und Mangelernährung, die den Körper schwächen. Eine andere Studie geht deswegen davon aus, dass an Alzheimer 2010 um die 400.000 Menschen gestorben sind. Das wären sechsmal mehr als nach den CDC-Angaben. 2013 sollen es bereits 450.000 Todesfälle sein.

Zwar wurde schon länger angenommen, dass die Zahl der an Alzheimer Gestorbenen unterschätzt wird, aber die neueren Studien machen klar, wie stark dies unterschätzt wurde. Zwar wurde die Alzheimer-Forschung stärker gefördert, da mit der fortschreitenden Vergreisung der Menschen die Zahl der Alzheimer-Patienten massiv anwachsen wird. Schon jetzt geht man davon aus, dass die Krankheit in den USA 2013 210 Milliarden US-Dollar an Kosten verursacht hat, bis 2050 wird ein Anstieg auf 1,2 Billionen US-Dollar erwartet.

Keith Fargo, Wissenschaftlicher Direktor der Alzheimer’s Association, sagt in Bezug auf die neuen Zahlen, Alzheimer werde noch immer nicht so Ernst genommen wie andere Krankheiten: "Es gibt viele Menschen, die noch immer denken, dass Alzheimer nur ein Gedächtnis Problem - man vergisst, wo man die Schlüssel hingelegt hat. Aber heute ist Alzheimer eine weltweit tödliche Gehirnkrankheit, die aus dem Radar gerutscht ist."