Die "Republik Krim" erklärt sich für unabhängig

Für das Referendum beruft sich das Parlament auf den Fall Kosovo, die Interimsregierung in Kiew hat eine Teilmobilisierung der Streitkräfte ausgerufen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Das Parlament der Autonomen Republik Krim hat sich schon vor dem am Sonntag geplanten Referendum die Unabhängigkeit von der Ukraine erklärt. 78 von 81 Abgeordneten stimmten der Erklärung zu, die mit Verweis auf den Kosovo (Kosovo: Sprung ins dunkle Ungewisse) die Stellungnahme des Internationalen Gerichtshofs der Vereinten Nationen (IGH) in Anspruch nimmt, dass eine einseitige Unabhängigkeitserklärung eines Landesteils "das allgemeine internationale Recht nicht verletzt". Gegen diese Begründung können EU und die USA, die Unabhängigkeit des Kosovo unterstützt haben, kaum etwas einwenden.

Die Regierung erklärt, dass man nun nicht mehr von der Autonomen Republik der Krim, sondern nur noch von der Republik Krim spricht. Parlamentspräsident Vladimir Konstantinov sagte, nach dieser Unabhängigkeitserklärung werde die Krim nie mehr ein Teil der Ukraine sein: "Das Land, in dem wir bislang lebten, gibt es nicht mehr. Wir gehen unseren eigenen Weg und wir versuchen, dies schnell zu machen." Sollte das Referendum am Sonntag im Sinne der prorussischen Mehrheit ausgehen, soll die Krim zu einem Teil Russlands werden und den Rubel als Währung einführen. Im Parlament hat sich eine neue Partei mit dem Namen "Für die neue russische Krim" gebildet, der 70 der 100 Abgeordnete beitreten wollen.

Nach der geplanten neuen Verfassung sollen die Krimtartaren mehr Rechte erhalten, um sie auf die prorussische Seite zu ziehen. Die Krimtartaren hatten bereits mit den Orangen Revolution sympathisiert und sind aufgrund der Deportation während der Sowjetunion den Russen gegenüber ablehnend oder skeptisch eingestellt. 20 Prozent der Abgeordnetensitze werden ihnen garantiert, auch eine entsprechende Beteiligung in den Kommunen und neue Selbstverwaltungsrechte sollen sie neben Förderung ihrer Kultur und Sprache erhalten.

Nach einer Umfrage des Instituts für Politische und Soziologische Forschung der Republik Krim sollen 77 Prozent der Bevölkerung für den Anschluss an Russland sein, in Sewastopol, wo die Schwarzmeerflotte stationiert ist, sollen es 85 Prozent sein. Angeblich haben 97 Prozent der Menschen auf der Krim einen negativen Eindruck von den Entwicklungen in Kiew, 83 Prozent wollen die durch einen "Coup" an die Macht gelangte Regierung in Kiew nicht anerkennen. Inwieweit die Umfrage tatsächlich die Stimmung in der Bevölkerung wiedergibt, lässt sich nicht sagen.

Der nach Russland geflohene ukrainische Ex-Präsident Janukowitsch, von dem sich zwar der russische Präsident Putin abgegrenzt hat, der aber auch die neue Regierung in Kiew nicht anerkennt, durfte erneut vor die Presse treten und behaupten, er sei weiterhin der legitime Staatschef und damit auch der Oberbefehlshaber der ukrainischen Truppen. Die ukrainischen Soldaten, die ihrem Eid treu bleiben, dürften keine Befehle von der durch einen Putsch an die Macht gekommene Regierung befolgen, sagte er.

Janukowitsch versuchte auch gleich mal den Spieß umzudrehen. Nachdem weiterhin unklar ist, wer hinter den Scharfschützen stand, die Protestierende und Polizisten in Kiew erschossen und damit den Sturz von Janukowitsch beschleunigten, behauptet er nun, die Regierung in Kiew habe auf ihre eigenen Leute schießen lassen. Den westlichen Regierung warf er vor, blind zu sein: "Haben Sie vergessen, was Faschismus ist?" Zur Loslösung der Krim von der Ukraine äußerte er sich nicht, erklärte aber die 25. Mai angesetzten Wahlen für nicht repräsentativ und kündigte an, was er wohl selbst nicht glauben dürfte, dass er sobald wie möglich und wahrscheinlich bald wieder in die Ukraine zurückkehren will.

Der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine hat heute beschlossen, eine Nationalgarde aus den Truppen des Innenministeriums aufzustellen, um das Land und die Bürger vor allem Kriminellen zu schützen, so Interimspräsident Alexander Turtschinow. Zudem wurde eine Teilmobilisierung der Armee und der Nationalgarde erklärt.

Die Ukraine sei jetzt auf moralische Unterstützung und Hilfe durch Ausrüstung angewiesen. Turtschinow wies die Länder, die Sicherheitsgarantien für die Ukraine versprochen haben, auf die Einlösung ihrer Verpflichtungen hin. 1994 hatte die Ukraine die Atomwaffen Russland übergeben und war dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten. Dafür erhielt das Land von den USA, Russland und Großbritannien Sicherheitsgarantien für die Wahrung der Souveränität und der bestehenden Grenzen. Angesprochen sind also die USA und Großbritannien. Zudem warnte der Interimspräsident vor "Söldnern und Agitatoren, die dazu aufrufen, einen bewaffneten Konflikt zu beginnen. Wir dürfen ihren Rufen nicht folgen."

Admiral Ihor Teniuk, der Verteidigungsminister, erklärte, dass nach der Unabhängigkeitserklärung jede Operation der ukrainischen Streitkräfte auf der Krim von der dortigen Regierung als Gewalt gegen das eigene Volk gegenüber der internationalen Öffentlichkeit dargestellt würde. Offiziell sind keine russischen Truppen dort im Einsatz. Zudem habe die Krim-Regierung keinen Ausnahmezustand verhängt, was eine legale Bedingung für den Einsatz von Truppen im Inneren wäre. Die ukrainischen Streitkräfte seien seit der Unabhängigkeit unterfinanziert gewesen und schlecht ausgerüstet.

Ab heute 19 Uhr dürfen 5 russische Sender nicht mehr in der Ukraine ausgestrahlt werden.

Die EU beeilt sich, die Ukraine oder die westliche Ukraine zu unterstützen oder auf die eigene Seite zu ziehen. Versprochen wird von EU-Kommissionspräsidenten Barroso ein einseitiges Freihandelsabkommen, das bereits im Juni in Kraft treten könnte, also noch vor einem etwaigen Assoziierungsabkommen.

ukraine.htm