Schmerzmittel als Bakterienkiller

Einige simple Schmerzmittel wirken nicht nur entzündungshemmend, sondern töten auch Bakterien. Verstärkung für das schrumpfende Arsenal an Antibiotika?

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Seit Ärzte über gegen Bakterien wirksame Medikamente verfügen, haben viele Krankheiten ihren einstigen Schrecken verloren. Antibiotika gehören heute zu den am häufigsten verschriebenen Arzneimitteln. Sie werden nicht nur beim Menschen eingesetzt, sondern auch in der Tierzucht. Ihre Popularität hat den Medizinern aber auch ein neues Problem beschert, das vor allem Krankenhäusern zunehmend zu schaffen macht: Die häufige Anwendung eines Mittels erzeugt auf dessen Ziel einen Selektionsdruck, der irgendwann zur Herausbildung resistenter Bakterienstämme führt. Infektionen mit antibiotikaresistenten Erregern gehören heute gerade in den Industriestaaten zu den verbreitetsten Krankheits- und Todesursachen.

Dass gewöhnliche, so genannte nichtsteroidale Entzündungshemmer wie Paracetamol oder Ibuprofen auch Bakterien schaden, ist den Forschern schon länger bekannt. Allerdings war bisher nicht klar, wie genau die Schmerzmittel den Kleinstlebewesen zusetzen. Die Kenntnis dieses Mechanismus ist aber die Voraussetzung dafür, sie (nach eventuell nötiger Anpassung, damit das noch zielgenauer passiert) in großem Maßstab auch als Antibiotika-Ergänzung oder -Ersatz einsetzen zu können.

Das ist gerade für arme Länder eine sehr charmante Idee, denn anders als unter hohem Aufwand neu entwickelte Antibiotika sind Stoffe wie Paracetamol, Ibuprofen oder Acetylsalicylsäure (Aspirin) billig und leicht herzustellen - und ein eventueller Patentschutz ist seit Jahren abgelaufen.

Doch wie genau funktionieren die Entzündungshemmer nun als Bakterienkiller? Das beschreiben australische Forscher im Fachmagazin Chemistry & Biology. Die Forscher testeten dazu die weniger bekannten Stoffe Bromfenac (in der Augenheilkunde eingesetzt), Carprofen (vor allem bei Gelenkerkrankungen in der Tiermedizin) und Vedaprofen (in der Tiermedizin), und zwar anhand des Darmbakteriums Escherichia Coli. Tatsächlich zeigte sich, dass eine signifikante Wirkung vorhanden ist - nicht so stark wie bei klassischen Antibiotika, aber doch ausreichend, eine weitere Erforschung zu rechtfertigen.

Die DNA-Klammer

Mit kristallografischen Röntgenaufnahmen verfolgten die Forscher, wo genau die Schmerzmittel-Moleküle an den Bakterien-Eiweißen andocken. Sie entschieden sich zwar für jeweils leicht unterschiedliche Orte, diese befanden sich aber in einer gemeinsamen Region. Und, wie praktisch, ausgerechnet diese Region hat E. Coli mit vielen anderen Bakterienarten gemein. Dabei handelt es sich um eine so genannte DNA-Klammer.

Diese ist unter normalen Umständen dafür zuständig, die Rohstoffe bei der Synthese der Erbsubstanz in der Nähe der Baustelle zu halten - die Klammer hat also bildlich die Funktion eines Bauzauns. Unter dem Einfluss des Medikamenten-Moleküls bekommen diese Bauzäune nun Löcher, das Material diffundiert in die weitere Umgebung und die Zelle ist nicht mehr in der Lage, in gleichem Tempo neue DNA herzustellen.

Die DNA-Klammer als potenzielles Angriffsziel für neue Antibiotika, meinen die Forscher, ist zwar bereits bekannt, wird aber bisher nicht therapeutisch genutzt. Über eine Weiterentwicklung und Optimierung der Angreifer-Moleküle könnte sich die Wirkung nun womöglich noch verbessern lassen - eine neue Klasse von Antibiotika wäre den Medizinern jedenfalls sehr willkommen.