England: Hausbesitzer sollen für Kirchenreparaturen zahlen

Verpflichtung war bis vor Kurzem häufig nicht bekannt

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In Deutschland werden Hausbesitzer zur Kasse gebeten, wenn die Kommune eine Straße ausbaut oder erneuert. Das kann zu erheblichen Unbilligkeiten führen: Alte Menschen müssen dann Häuser verkaufen, in denen sie ein Leben lang wohnten - oder sie können sie gar nicht mehr verkaufen, weil der Erschließungsbeitrag den Immobilienwert übersteigt, und geraten schuldlos in die Privatinsolvenz.

In Großbritannien müssen viele Hausbesitzer mit einem Damoklesschwert leben, das sie noch mehr ängstigt und ärgert: Einem Anspruch der anglikanischen Kirche auf die Reparatur von Gotteshäusern, die vor 1536 errichtet wurden. Dieser Anspruch kann nicht nur adlige Großgrundbesitzer betreffen, sondern alle, die in einem Kirchensprengel, einem "Parish", ein Häuschen oder eine Wohnung besitzen. 2009 entschied ein Gericht in einem 18 Jahre lang andauernden Rechtsstreit, dass solche Pflichten auch heute noch eingefordert werden können - und zwar selbst dann, wenn sie dazu führen, dass Bürger ihr Haus verkaufen müssen.

Weil der Anspruch auf Kirchenreparatur häufig nicht im Grundbuch eingetragen war, traf er Hausbesitzer in den vergangenen Jahrzehnten oft völlig unvorbereitet. Deshalb wurden die Kirchensprengel aufgefordert, ihre Ansprüche bis zum Oktober 2013 eintragen zu lassen. Viele Hausbesitzer erfuhren erst dadurch, dass sie zahlen sollten, wenn der Kanzelteil einer alten Kirche repariert werden muss.

In Somerset hat das Ehepaar Hession deshalb eine Bürgerinitiative ins Leben gerufen, die Druck auf den Tory-Abgeordneten Philip Dunne und andere Politiker ausüben soll, die als unzeitgemäß und ungerecht empfundene Rechtslage zu ändern. Aufseiten der Kirche hält man das nicht für nötig und argumentiert, man lasse Ansprüche zwar eintragen, mache sie aber nur in wenigen Fällen wirklich geltend, weil man es im Einzelfall mit komplizierten Kombinationen aus Gewohnheits- und Fallrecht zu tun habe, das bis ins 10. Jahrhundert zurückreicht.

Die Hessions glauben, dass dieses Argument nicht gegen eine Abschaffung der Ansprüche durch das Parlament spricht: Denn selbst dann, wenn die Kirche einen Anspruch vorerst nicht einklagt, sorgt die Eintragung ihrer Ansicht nach dafür, dass sich ein Grundstück nicht mehr verkaufen lässt, weil Interessenten das Risiko von Reparaturrechnungen in Höhe von mehreren Hunderttausend Pfund fürchten. Keith Porteous Wood, der Direktor der National Secular Society, hält die Strategie der Kirche, Ansprüche aufrechtzuerhalten, aber vorläufig nicht geltend zu machen, sogar für "finanziellen Vandalismus", der den Grundstückswert verringert, ohne dass dies jemanden nützt. Deshalb richtet die Kanzelreparaturpflicht seiner Meinung nach auch erheblichen volkswirtschaftlichen Schaden an.

Das zeigt sich auch daran, dass Häuser gegen Kirchenansprüche versichert werden, wie gegen Überschwemmungen, Stürme und andere Naturkatastrophen: Während man ein Haus vor dem Oktober 2013 noch für etwa 50 Pfund versichern konnte, beträgt die Summe für betroffene Häuser heute Tausende von Pfund - wenn sich überhaupt noch eine Gesellschaft findet, die das Risiko eingehen will.

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