EEG und das Klima

Warum das EEG trotz des CO2-Emissionshandels das Klima schützt

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Immer wieder taucht in der Diskussion um das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) die Behauptung auf, eine Klimaschutzwirkung könne das EEG gar nicht haben, weil die CO2-Emissionen aus der Stromerzeugung ohnehin im Rahmen des europäischen Emissionshandelssystems (ETS) gedeckelt seien. Dies wirkt auf den ersten Blick auch völlig logisch.

Wenn durch das EEG zusätzliche "grüne" Stromerzeugung aufgebaut wird, entsteht bei deren Betrieb zwar kein CO2. Jedoch können die ausgegebenen CO2-Emissionszertifikate dann anderswo verwendet werden - auch im europäischen Ausland -, so dass effektiv die Gesamtemissionen gar nicht sinken, sondern allenfalls verlagert werden. Auf dieser Basis kamen auch prominente Ökonomen wie Prof. Daniel Zimmer (Vorsitzender der deutschen Monopolkommission), Prof. Hans-Werner Sinn (ifo-Institut) und die "Expertenkommission Forschung und Innovation" (EFI) in ihrem Jahresgutachten 2014 zum Schluss, dass das EEG als Instrument für den Klimaschutz untauglich sei. Sie irren aber allesamt.

Wie wäre es ohne EEG gekommen?

Erhellend ist die Überlegung, was denn wohl konkret passiert wäre, wenn Deutschland das EEG nie in die Welt gesetzt hätte und stattdessen allein auf Cap & Trade (Emissionshandel) gesetzt hätte. Naive Geister, die mit allzu abstrakten Modellen arbeiten, hätten das so gewollt: Man hätte in ihrer Vorstellung allein durch Setzen der Caps die gleichen Emissionsminderungen sogar billiger erreicht. Dieser völlig marktkonforme Ansatz hätte nämlich automatisch dazu geführt, dass immer die billigsten Maßnahmen eingesetzt werden, um den nötigen Effekt zu erzielen.

In der Realität hätten sich die Dinge aber sicher anders entwickelt:

  • Anfangs hätte man tatsächlich nur die "niedrig hängenden Früchte" geerntet, also keinerlei neue Technologie entwickelt und kaum Mehrkosten hinnehmen müssen.
  • Dann wäre es allmählich nötig geworden, einen zunehmenden Teil der Stromerzeugung CO2-frei zu gestalten. Die großen Energieversorgungsunternehmen hätten wohl Ausschreibungen für Windkraftwerke veranstaltet, die damals extrem teure Photovoltaik (PV) jedoch völlig unbeachtet gelassen. Aber auch Windstrom wäre erheblich teurer gewesen als mit dem EEG, wie es die Erfahrungen in Großbritannien zeigten: Da die Preisentwicklung der CO2-Zertifikate kaum vorhersehbar ist, hätten die Betreiber mangels Investitionssicherheit höhere Margen einkalkulieren und vor allem auch viel höhere Kapitalzinsen zahlen müssen. Privatleute und kleine Firmen wären ohnehin nicht zum Zug gekommen, womit ein riesiges Reservoir von Kapital für die Energiewende ungenutzt geblieben wäre.
  • Nun wäre die Sache finanziell schnell schmerzhaft geworden: steigende Preise für Zertifikate, damit steigende Strompreise gerade auch für die Industrie. Theoretisch hätte dies die Zielerreichung nicht in Frage stellen müssen: Die Preise der Zertifikate wachsen eben so lange, bis das nötige Stromangebot da ist. In der Realität hätten die EVU aber eine viel angenehmere Lösung gehabt, die Politik nach bewährter Manier unter Druck zu setzen: Sie hätte die Caps erhöhen müssen, weil sonst die Industrie abwandert, Arbeitsplätze verloren gehen usw. (alternativ lassen sich Caps auch unwirksam machen, indem man "heiße Luft" in das System bringt, wie beim ETS bereits geschehen). Mit Sicherheit hätte gerade auch die derzeitige deutsche Bundesregierung für europaweit höhere Caps oder mehr heiße Luft gekämpft - genauso wie die letzte lieber europaweit den Klimaschutz torpediert hat, als deutschen Autoherstellern strengere CO2-Ziele aufzuerlegen. Schließlich würde dies ja höhere Ziele gefährden, insbesondere Parteispenden.

Nach einem Jahrzehnt mit ETS aber ohne EEG wäre das Resultat also wohl gewesen, dass der Klimaschutz auch im Strombereich aufgrund angehobener Caps zum Stillstand gekommen wäre. Schlimmer noch, wir hätten heute nicht viel günstiger gewordenen Windstrom und schon gar nicht Solarstrom, sondern nur wie früher die feste Versicherung der Stromlobby, dass grüner Strom unbezahlbar und Klimaschutz deswegen leider unmöglich sei.

Das EEG war der robustere Ansatz

Wir haben nun aber glücklicherweise das EEG, und es wirkt wohlgemerkt nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Nur das EEG und mitnichten das von einigen Geistern immer noch favorisierte Quoten- bzw. Ausschreibungsmodell, das noch nirgends ähnlich erfolgreich war wie das EEG, hat den beherzten Einstieg in eine zwar immer noch vergleichsweise teure, aber rasch billiger werdende "grüne" Energie gebracht.

Hierbei ist die PV wohlgemerkt trotz immer noch höherer Kosten ebenfalls wertvoll, weil sie langfristig ein enormes Potenzial bietet. Die entwickelte Technologie ist nun weltweit nutzbar, weil immer besser bezahlbar. In der Folge wird es möglich, im Rahmen des ETS und auch anderswo deutlich niedrigere Caps durchzusetzen, da solche nun ökonomisch tragbar geworden sind.

Man beachte auch, dass das EEG deswegen der robustere Ansatz war, weil es den Großteil der Industrie nicht gegen die Energiewende aufbrachte. Die Großverbraucher profitieren ja sogar von sinkenden Börsenstrompreisen. Nur manche EVU und die Kernkraftlobby kämpfen noch gegen die Energiewende an. Mit strengen CO2-Obergrenzen statt dem EEG sähe dies mit Sicherheit ganz anders aus.

Die Denkfehler der Ökonomen

Ein grundlegender Denkfehler gewisser Ökonomen ist es, die Caps in Emissionshandelssystemen als feste Größen zu betrachten, die quasi vom Himmel fallen (etwa per Dekret von Professoren). In Wirklichkeit aber funktioniert Klimaschutz durch Cap & Trade nur, wenn genügend niedrige Caps durchsetzbar sind. Voraussetzung hierfür ist die Entwicklung neuer Technologien, um saubere Energie günstiger zu erschließen. Genau dies aber wird von Marktmechanismen, die immer nur die momentan günstigste Lösung ermöglichen, gerade nicht effektiv und effizient vorangetrieben.

Technologieentwicklung geschieht schneller und kostengünstiger in einem Umfeld, das Sicherheit für langfristige Investitionen gibt. Das konsequente Pflücken der momentan am niedrigsten hängenden Früchte ist zwar kurzfristig billiger, erlaubt einem aber nicht, den Baum mit allen Früchten trickreich tiefer zu hängen. Hier liegt der zweite Denkfehler: Die kurzfristig billigste Lösung minimiert nicht unbedingt die Kosten für die Zielerreichung, wenn die tief hängenden Früchte dafür nicht ausreichen.

Der dritte Fehler ist, den Einfluss der Investitions(un)sicherheit auf die Kosten zu ignorieren - obwohl Ökonomen dies eigentlich geläufig sein sollte. Viertens wird auch der positive Effekt des EEG außerhalb der EU ignoriert - obwohl dies vermutlich der größte Effekt überhaupt ist, und obwohl mögliche negative externe Effekte ja durchaus nicht ignoriert werden (siehe das "grüne Paradoxon" nach Hans-Werner Sinn). Und jede Tonne CO2, die dadurch z. B. in den USA oder in China vermieden wird, ist für den Klimaschutz genauso wichtig wie jede Tonne in Deutschland.

Selbstverständlich folgt keineswegs, dass das EEG ideal und Emissionshandel unnötig wäre. Vielmehr braucht das EEG weitere Optimierungen, das ETS muss unbedingt zum Funktionieren gebracht werden (was das Zurückdrängen von Lobbyinteressen voraussetzt), und Cap & Trade sollte weltweit genutzt werden. Flankierende Maßnahmen von der Art des EEG können erheblich dazu beitragen, Cap & Trade wirksam zu machen.

Eine systematische Analyse der Sachverhalte findet sich auch im folgenden Dokument. Dr. Rüdiger Paschotta ist Physiker und betreut das RP-Energie-Lexikon.