Türkei sperrt auch Tor und YouTube

Geheime Gespräche über eine Beteiligung am Bürgerkrieg in Syrien geleakt

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Seit einer Woche ist in der Türkei der Kurznachrichtendienst Twitter blockiert. Anfangs setzten die Provider auf Weisung der Telekommunikationsbehörde TİB dazu bloße DNS-Sperren ein, die mit Google DNS leicht umgangen werden konnten. Dann weitete man die Blockade auf IP-Nummern und den Linkverkürzer t.co aus. Das führte zu einem deutlichen Rückgang der Tweets aus der Türkei.

Am Mittwoch erklärte ein Gericht in Ankara die Twitter-Sperren für rechtswidrig - anders als es beispielsweise die ARD darstellte, bedeutet dieses Urteil jedoch nicht, dass die Zensur damit beendet wäre: Der Richterspruch ist nämlich noch nicht rechtskräftig und kann angefochten werden, auch wenn Regierungspolitiker unverbindlich suggerierten, man werde das nicht tun. Darüber hinaus gewährt das Urteil eine Umsetzungsfrist von 30 Tagen. Das ist lange nach den Kommunalwahlen, die am Sonntag stattfinden.

Statt Anzeichen für ein Ende der Blockade gibt es derzeit sogar Meldungen über deren weiteren Ausbau. So soll der wichtigste Internetprovider TTNET, eine Tochter der Türk Telekomünikasyon, mittlerweile auch den Zugang zur Website der Anonymisierungssoftware Tor blockieren. Der Client zum Gebrauch des Netzwerks kann allerdings auch auf Mirror-Sites heruntergeladen werden.

Auch der Zugang zu Googles Videoportal YouTube ist seit gestern blockiert. Kurz vorher waren dort Audio-Mitschnitte von Gesprächen zwischen dem türkischen Außenminister, dem Chef des Geheimdiensts, einem Staatsekretär und einem hochrangigen Militärvertreter aufgetaucht. Die vier unterhalten sich darüber, wie man einen Vorwand für ein direktes militärisches Eingreifen in den syrischen Bürgerkrieg finden könnte. Dabei werden unter anderem ein von türkischen Agenten durchgeführter False-Flag-Raketenangriff auf türkisches Territorium und die Verwüstung eines Grabmals debattiert. Dass Erdogan den Konflikt hochschaukeln will, war schon kürzlich zu erkennen, als das syrische Kampfflugzeug abgeschossen wurde (Die weltweite Ausweitung des Krim-Konflikts).

In einem weiteren neuen Video soll zu hören sein, wie der türkische Ministerpräsident 2011 die Veröffentlichung von heimlich gefilmten Ehebruchvideos in Auftrag gibt, um politischen Konkurrenten zu schaden.

Twitter-Syndikus Vijaya Gadde teilte der Öffentlichkeit währenddessen mit, man habe zwei der insgesamt drei Verfügungen türkischer Gerichte zur Sperre von Inhalten akzeptiert, weil die darin bemängelten Inhalte gegen die Nutzungsbestimmungen des Kurznachrichtendienstes verstoßen hätten. Die dritte Verfügung fordert Gadde zufolge das Löschen eines Accounts, dessen Betreiber einen ehemaligen Minister der Korruption bezichtigt.

Diese Verfügung habe man angefochten, weil man die Redefreiheit bei politischen Äußerungen (und besonders bei solchen über Korruption) als sehr hochrangiges Recht einstufe. Während der Dauer des Anfechtungsverfahrens blende man die Tweets dieses Accounts für türkische Nutze aus. Außerdem betont Gadde, seine Firma habe bislang weder Email-Adressen noch IP-Nummern von Nutzern an türkische Behörden herausgegeben.

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