Deutliche Mehrheit der Deutschen gegen schärfere Russland-Sanktionen

Vorhandene und geplante Gas-Pipelines zwischen Russland und Deutschland. Grafik: Onno. Lizenz: CC BY-SA 3.0.

Gabriel sieht "keine vernünftige Alternative" zu Energielieferungen aus dem von der EU kritisierten Land

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Seit Franklin Delano Roosevelt bei seinem Amtsantritt während der Weltwirtschaftskrise die Zeitungen und Bürger öffentlich bat, ihm hundert Tage zu gewähren, bis sie sich eine Meinung über seine Reformen bilden, gilt diese Frist als Marke für die Beurteilung einer neuen Regierung. Aus diesem Anlass hat das Meinungsforschungsinstitut Infratest im Auftrag der ARD zwischen dem 25. und dem 26. März 2014 1000 zufällig ausgewählte wahlberechtigte Deutsche nach ihrer Meinung zur Arbeit der Großen Koalition gefragt, die mittlerweile schon seit 102 Tagen im Amt ist.

Dabei kam heraus, dass 41 Prozent der Deutschen mit der Politik der letzten 100 Tage zufrieden sind - und 55 Prozent nicht. Berücksichtigt man die Wahlergebnisse vom Herbst und die Tatsache, dass das Regierungsbündnis von einem Teil der SPD-Wähler (aber auch von solchen der Union) als wenig attraktive Option empfunden wurde, ist dieser Zufriedenheitswert zwar niedrig, aber nicht sehr überraschend.

Noch weniger überrascht, dass sich eine Mehrheit an Zufriedenen ergibt, wenn man nur die Antworten der Fans von CDU, CSU und SPD berücksichtigt. Sieht man sich dagegen lediglich die Meinung der Anhänger von Oppositionsparteien an, erhält man einen Eindruck, wie nah oder fern sie der Regierung stehen: Von den Grünen-Wählern sind 65 Prozent mit der Regierungspolitik unzufrieden. Unter Anhängern der Linkspartei und der AfD liegt dieser Anteil mit 76 beziehungsweise 85 Prozent deutlich höher.

In der so genannten Sonntagsfrage, in der gefragt wird, welche Partei der Angerufene wählen würde, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, ergeben sich bei einer Fehlertoleranz zwischen 1,4 und 3,1 Prozentpunkten nur bedingt aussagekräftige Änderungen: AfD und SPD können danach im Vergleich zur letzten Umfrage vom 6. März um jeweils einen Punkt auf 5 beziehungsweise 25 Prozent zulegen, während CDU/CSU, Grüne und Linke jeweils einen Prozentpunkt einbüßen und bei 41, 10 und 8 Prozent landen.

Interessanter als diese Ergebnisse sind die zu einer neuen Frage, mit der Infratest die Bürger konfrontierte: Danach plädiert lediglich eine Minderheit von 22 Prozent für schärfere Sanktionen gegen Russland, während 38 Prozent die verhängten Einreiseverbote als "angemessen" betrachten. 33 Prozent glauben wie Altbundeskanzler Helmut Schmidt, dass die Sanktionen dummes Zeug sind und aufgehoben werden sollten – eine bemerkenswerte Kluft zwischen der herrschenden Meinung in der politischen Klasse und den Medien auf der einen und in der Bevölkerung auf der anderen Seite.

Allerdings ist auch die Meinung in der politischen Klasse nicht einheitlich: Während Bundeskanzlerin Merkel gestern verlautbarte, sie wolle weg von der Abhängigkeit von russischem Gas und deshalb die komplette Energiepolitik überdenken, sieht SPD-Parteichef Sigmar Gabriel vorerst "keine vernünftige Alternative" zu Energielieferungen aus dem von der EU kritisierten Land. Das Russland die Lieferungen stoppt, hält er für unwahrscheinlich, weil die vertraglichen Verpflichtungen "selbst in finstersten Zeiten des Kalten Krieges […] eingehalten" wurden.

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