Great Game um Geo- und Energiepolitik

Im Ukraine-Konflikt geht es mal wieder kaum um Demokratie und Selbstbestimmung, aber viel um Öl und Gas

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Beim Krimkonflikt geht es nicht zuletzt um Gas und Öl. Vor der Krim gibt es im Meer riesige Gas- und Ölvorräte. Eigentlich sollte ein von US-Konzern Chevron geleitetes Konsortium diese ausbeuten, um Einkünfte für die Ukraine zu schaffen und die Abhängigkeit vom russischen Gas zu mindern. Doch da kam der Regierungssturz und es folgte die Übernahme der Krim in die Russische Föderation. Mit der Krim in russischer Hand würde sich der Weg der nach dem "Gas-Krieg" geplanten Gaspipeline South Stream von Russland nach Bulgarien bis Italien, Österreich und Serbien auch über die Krim verlaufen und dadurch deutlich billiger werden. Eigentlich sollte Ende März mit dem Bau begonnen werden, aber wie es jetzt nach dem Krimkonflikt weitergeht, ist noch ungewiss.

Für US-Präsident Obama ist der Konflikt jedoch ein Anlass, die EU aufzufordern, weniger von russischer Energie abhängig zu werden, was mitunter dadurch geschehen soll, dass die EU Gas und Öl vermehrt in den USA einkauft (USA und EU demonstrieren transatlantische Einheit). Auch so kann man einen Konflikt ausnutzen und Wirtschaftspolitik machen. Bekanntlich glaubt man in den USA, auf riesigen Vorräten von Schiefergas und Schieferöl (tight oil) zu sitzen, die durch unkonventionelle Fördertechniken (Fracking) erschlossen werden.

Im Frackingtaumel wurde auch schon prophezeit, dass die USA vom Öl- und Gasimporteur zum Exporteur werden würde, was auch gewaltige geopolitische Veränderungen mit sich bringen würde, beispielsweise wäre der Nahe Osten für die USA nicht mehr so interessant - und auch Russland würde ein Verlierer sein, zumal wenn auch die europäischen Länder ihre Ressourcen mit Fracking ausbeuten. So könnte der von den USA geschürte Ukraine-Konflikt und das Vorpreschen der US-Regierung mit Sanktionen auch als ein Anzeichen geopolitischer Veränderungen gesehen werden. Die Ukraine ist politisch, aber auch im Hinblick auf Gas und Öl ein wichtiges Scharnier zwischen den Erdöl- und Erdgasressourcen in Russland und im kaspischen Raum, also in Aserbaidschan, Kasachstan, Turkmenistan und Usbekistan.

Wegen des Streits zwischen Russland und der Ukraine ("Gaskrieg") über den Gaspreis und die Transitkosten war es 2006 (Russland sitzt am längeren Hebel) und 2009 (Europa guckt in die Röhre) schon einmal zu Lieferunterbrechungen. Der Bau der Northstream-Pipeline, die nicht nur die Ukraine, sondern auch die baltischen Staaten und Polen umging (Polen im "Gaskrieg" zwischen Russland und der Ukraine), war eine Folge, ebenso die projektierte Southstream durch das Schwarze Meer. Aus Aserbeidschan wird unter Umgehung von Russland die TANAP-Gaspipeline in die Türkei gebaut werden, die zuvor von der EU geplante Nabucco-Pipeline von der Türkei nach Österreich (Nabucco - die Unvollendete) wurde deswegen endgültig eingestellt.

Auch im Krieg zwischen Russland und Georgien um Abchasien und Südossetien spielte die Energie eine wichtige Rolle. 2008 war eine russische Pipeline nach Südossetien eröffnet worden, das dadurch unabhängig von der Gasversorgung aus Georgien wurde. Zuvor war 1999 eine Pipeline von Baku unter Umgebung von Russland und Iran nach Georgien von einem westlichen Konsortium gebaut worden, wofür sich die US-Regierung stark einsetzte. Nachdem in Georgien Saakaschwili durch die "Rosenrevolution" 2003, auch mit Nachhilfe der USA, zum Präsidenten Georgiens wurde, stellte man 2006 die transkaukasische Pipeline von Georgien weiter bis zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan fertig.

Nach der Rosenrevolution, die Georgien Richtung USA, EU und Nato schob, kam bekanntlich die Orange Revolution, die wiederum unter kräftiger Mithilfe des Westens geschah. Bekannt wurde von der US-Beauftragen Nuland in einer Rede im Dezember 2013 , dass seit 1991 alleine 6 Milliarden US-Dollar an staatlichen Geldern in die "Demokratisierung" des Landes investiert wurden. Sie behauptete, dass es deswegen genügend Kräfte gegeben hat, die die Euromaidan-Bewegung unterstützt haben. Neben den staatlichen Geldern flossen große Finanzhilfen von allen möglichen amerikanischen Stiftungen. Auch die Konrad-Adenauer-Stiftung mischte mit und hat etwa Vitali Klitschko und dessen Partei Udar mit aufgebaut. Im Jahresbericht der Konrad-Adenauer-Stiftung ist stolz die Rede von den "pro-europäischen Massenprotesten bei denen die langjährigen politischen Partner der Konrad-Adenauer-Stiftung, die Vaterlandspartei der zu diesem Zeitpunkt noch inhaftierten ehemaligen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko und die Ukrainische demokratische Allianz für Reformen (UDAR ) Vitali Klitschkos, eine führende Rolle übernahmen". Gegen die Zusammenarbeit mit der rechtsnationalistischen Partei Swoboda hatte man offenbar nichts.

Seit einigen Jahren aber sprudeln Schiefergas und -öl in den USA, was offenbar die Strategie verstärkt, die Beziehungen zwischen EU und Russland zu schwächen und den Einfluss der USA in Osteuropa zu stärken. Nach einem Bericht der Energy Information Administration (EIA) haben die USA tatsächlich 2013 bereits ein Zehntel, genauer: 10,4 Prozent des globalen Ölangebots produziert. Von den 7,84 Millionen Barrel, die täglich produziert wurden, verdankten sich 3,22 Millionen dem Fracking. 63 Prozent des Schieferöls wurden in Südtexas und Norddakota gewonnen. Bislang sind die USA und Kanada weltweit an der Spitze bei der Förderung von Tight Oil, im Rest der Welt spielt es mit einem Anteil von 1 Prozent praktisch noch keine Rolle. In Kanada werden 300.000 Barrel Schieferöl gefördert, an dritter Stelle steht Russland mit 100.000 Barrel.

Seit 2011 sinken die Ölimporte, während die Ölexporte steigen. Das hat wesentlich das Handelsdefizit der USA verringert. Ob allerdings der Anstieg der Förderung von Schiefergas und -öl anhält, ist umstritten (Platzt die Fracking-Blase?). Langfristig sieht auch die Internationale Energieagentur (IEA) die Aussichten für die Tight-Oil-Förderung als beschränkt an. Alleine die USA hätten die Möglichkeit, sich durch Fracking selbst zu versorgen, der Peak werde in den USA 2025, weltweit 2030 erreicht - mit gerade einmal 6 Millionen Barrel pro Tag (Peak Oil bleibt trotz Fracking ein Thema).

Da offenbar die Energieversorgung weiterhin für Konflikte sorgt, wäre dies ein weiteres Argument für den Ausbau der Erneuerbaren Energien, die eine dezentrale und lokale Energieversorgung ermöglichen. Aber an dieser auch deeskalierenden Energiewende haben die großen Konzerne und das globale Kapital kein großes Interesse - und daher offenbar auch nicht die US-Regierung, die EU oder die deutsche Regierung.