Solidarität mit Nazis?

Auch in Polen bemühen sich Rechtsextreme, die wachsende Unzufriedenheit für ihre Zwecke zu instrumentalisieren - durch eine engere Kooperation mit Gewerkschaftsfunktionären

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Polens traditionsreiche Gewerkschaft NSZZ Solidarnosc ("Solidarität") wirkte im europäischen Vergleich schon immer wie ein Unikat, da in den Reihen ihrer Funktionäre und Mitglieder eine konservative politische Strömung dominiert. Diese konservative Grundausrichtung innerhalb der Solidarnosc kommt immer wieder in der kaum verhüllten Unterstützung für die rechte polnische Partei PiS ("Recht und Gerechtigkeit") zum Ausdruck. Die von Jaroslaw Kaczynski geführte PiS ist derzeit die wichtigste Oppositionskraft in Polen.

Im Vorwahlkampf zu den Parlamentswahlen 2011 organisierten die Gewerkschaftler etwa eine ihrer sehr seltenen Massendemonstrationen, um von der liberalen Regierung Tusk eine Erhöhung des Mindestlohns zu fordern. Im März 2013 beteiligte sich die Solidarnosc auch an dem groß angelegten "Generalstreik" in Südpolen, der ebenfalls der neoliberalen Regierung Tusk sozialpolitische Zugeständnisse abringen sollte. Während der Regierungszeit der konservativen PiS trat die Solidarnosc hingegen kaum mit Protesten in Erscheinung.

In einigen Regionen Polens scheinen sich etliche Aktivisten und Funktionäre dieser Gewerkschaft inzwischen aber auch für rechtsextreme Kräfte zu öffnen. Im südpolnischen Rzeszow etwa hat sich die Zusammenarbeit zwischen der Solidarnosc und den Nazis der lokalen rechtsextremen Sammlungsbewegung "Nationales Rzeszow" verstetigt. "Mitglieder, Fahnen und Symbole beider Organisationen" seien auf Demonstrationen und Treffen zu finden, berichtet die kleine linke Gewerkschaft "Arbeiterinitiative" (OZZIP). Ähnliche Tendenzen seien auch in den Städten Czestochowa, Lublin und Gorzow, sowie in der Region Mazowsze zu beobachten. Faschistische Symbole wie das "Keltenkreuz" und rassistische Parolen würden dieser Zusammenarbeit keinen Abbruch tun.

In Gozow etwa findet eine offene Zusammenarbeit zwischen dem Chef der lokalen Solidarnosc, Jaroslaw Porwich, und den rechtsextremen Hooligans des Speedway-Klubs Stal Gorzów statt (in Polen gilt Speedway als Volkssport). Die für ihre Brutalität berüchtigte "Fangruppe" Stalowcy agiert im organisatorischen Vorfeld der faschistischen Organisation "Nationale Wiedergeburt Polens" (NOP). Die am 26. März 2013 von der Solidarnosc in Gorzow organisierte Solidaritätskundgebung für den besagten Streik in Südpolen wurde von Mitgliedern eben dieser NOP dazu genutzt, um sich in sozialer Demagogie zu üben und massiv Propagandamaterial unter die Anwesenden zu bringen.

2011 hat die Solidarnosc Gorzow zudem die Anreise der Stalowcy-Hooligans zu der größten jährlichen Demonstration der extremen Rechten in Polen kofinanziert, zum "Marsch der Unabhängigkeit" am 11. November. Dieser Umzug, den die polnische Rechte nach dem Muster des alljährlich russlandweit durchgeführten "Russischen Marsches" organisiert, endet regelmäßig in Übergriffen und Ausschreitungen. 2013 etwa haben Nazis, die an diesem Umzug teilnahmen, zwei linke Wohnprojekte angegriffen, in denen Hilfseinrichtungen für zwangsgeräumte Mieter und Migranten untergebracht waren. Anschließend haben diese Schlägertruppen versucht, die russische Botschaft in Warschau zustürmen. Der "Marsch der Unabhängigkeit", an dem inzwischen Zehntausende teilnehmen, gilt als ein wichtiger Gradmesser, der das Erstarken der extremen Rechten in Polen illustriert.

Damit könnte sich in Polen ein ähnliches Szenario wie in der Ukraine abzeichnen, bei dem rechtsextreme Kräfte von weiteren krisenbedingten Erschütterungen profitieren könnten. Die extreme Rechte könnte so sozial motivierte Proteste - die bei einer weiteren Krisenverschärfung aufkämen - für einen gesellschaftlichen Durchbruch instrumentalisieren. Auch in Kiew waren es aus dem rechtsextremen Hooligan-Spektrum hervorgegangene Gruppierungen wie der "Rechte Sektor", die sich aufgrund ihrer Militanz an die Spitze der Proteste katapultierten und jegliche Beteiligung fortschrittlicher oder linker Gruppen blockierten konnten.

Derzeit besteht diese Allianz zwischen Rechtsextremen und rechten Gewerkschaftlern aber nur punktuell und auf lokaler Ebene. Es gebe "in den Reihen der Solidarnosc immer noch viele Personen, die die Politik von Jaroslaw Kaczynski nicht unterstützen würden", bemerkte die OZZIP. Noch weniger gelte dies "für die Machenschaften der extremen Rechten, die sich offen zu autoritären Tendenzen bekennt".

Der Pressesprecher der Gewerkschaft Solidarnosc, Marek Lewandowski, erklärte auf Nachfrage, dass diese lokalen Kooperationen mit Rechtsextremen der offenen und autonomen Struktur der Gewerkschaft geschuldet seien. Die lokalen Funktionsträger hätten einen großen Freiraum - und sie könnten folglich auch ihre "eigene Politik" in ihren Regionen betreiben. Die Zentrale der Solidarnosc würde aber zu keinerlei extremistischen Kräften formale Kontakte unterhalten, "weder von rechts noch von links", so Lewandowski. Die von der Solidarnosc organisierten Demonstrationen hätten überdies einen "offenen Charakter", sodass dort alle möglichen politischen Kräfte teilnehmen würden.