Staatsanwaltschaft hat 12 mutmaßliche Scharfschützen inhaftiert

Update: Janukowitsch habe den Befehl an die Berkut-Sondereinheit gegeben, die über 100 Maidan-Aktivisten getötet haben soll, andere Morde werden untersucht

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Oleg Mahnitskyy, der Generalstaatsanwalt der Ukraine von der rechtsextremen Partei Swoboda, hat die Verdächtigen präsentiert, die im Februar Dutzende von Aktivisten der Maidan-Bewegung erschossen haben sollen. Durch einen geleakten Mitschnitt eines Telefongesprächs zwischen dem estnischen Außenminister Urmas Paet und der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton war erneut die Aufmerksamkeit auf die Vorfälle gerichtet worden, die der Janukowitsch-Regierung zugeschrieben wurden und letztlich zu deren Sturz führten (Kamen die Scharfschützen aus der Opposition?).

Die Ärztin und Aktivistin Olga Bogomolets, die jetzt für die Präsidentschaft kandidieren will, wies Paet bei einem Besuch am 25. Februar nach dem Sturz von Janukowitsch darauf hin, dass Maidan-Aktivisten und Polizisten offenbar mit derselben Munition erschossen wurden. Paet machte gegenüber Ashton deutlich, dass dies dringend aufgeklärt werden müsste. Dies zog sich aber hin und ließ Spekulationen wuchern. So wurde vermutet, dass es sich um russische Scharfschützen gehandelt haben könnte, russische Medien lenkten hingegen den Verdacht auch auf militante Maidan-Aktivisten. Gemeinhin aber wurde angenommen, dass Janukowitsch den Auftrag an Berkut-Spezialeinheiten gegeben hatte, die sich aufschaukelnde Protestbewegung mit Gewalt zu stoppen.

Die auf der Institutska-Straße am Maidan getöteten Maidan-Aktivisten waren als Helden und Märtyrer der Maidan-Bewegung gefeiert worden und werden nun als die "Göttlichen Hundert" verehrt. Die Straße wurde in die Avenue der Göttlichen Hundert umgetauft. In den letzten Tagen vor dem Sturz von Janukowitsch waren nach offiziellen Angaben 118 Menschen, darunter auch 16 Polizisten, erschossen worden. Die Generalstaatsanwaltschaft berichtet nun, dass bis heute Morgen 12 Männer festgenommen worden seien, die beschuldigt werden, als Mitglieder der "Schwarzen Staffel" aus Berkut- und Geheimdienst-Spezialeinheiten die tödlichen Schüsse zwischen dem 18. und 20. Februar abgegeben zu haben.

Man würde aber die Untersuchung noch fortsetzen, da es noch weitere Täter geben könne. Nach dem Sturz von Janukowitsch waren die Berkut-Einheiten von der neuen Regierung aufgelöst worden. Die Ermittlungsarbeit habe sich erschwert, weil angeblich alle Dokumente und Beweismittel vernichtet worden wären.

Die Aufgabe der Scharfschützen sei es gewesen, so ein Sprecher mit Verweis auf den stellvertretenden Generalstaatsanwalt Oleksiy Bahanets, auf die heranrückenden Demonstranten zu schießen, um den unbewaffneten Berkut-Polizisten den Rückzug zu sichern. Gesichert sei nun auch, dass der Befehl, Schusswaffen einzusetzen, von Janukowitsch gekommen und an das Innenministerium und dem Geheimdienst SBU ergangen sei. Janukowitsch hatte am 2. April bestritten, einen solchen Befehl gegeben zu haben, die Sondereinheiten hätten keine Schusswaffen erhalten. Die Schüsse seien aus von Radikalen kontrollierten Gebäuden gekommen.

Die Generalstaatsanwaltschaft legt ihren Bericht heute einem Untersuchungsausschuss des Parlaments vor. Ob die Frage geklärt wurde, wer die Polizisten erschossen hat, geht aus den Medienberichten nicht hervor. Auch SBU-Chef SBU Chief Valentyn Nalyvaichenko erklärte, der nach Russland geflohene Ex-Präsident sei direkt für die "Massentötung" verantwortlich gewesen, die im Rahmen einer sogenannten "Antiterroraktion" stattfand. An der Planung und Vorbereitung sei auch der russische Geheimdienst FSB beteiligt gewesen, glaube man anhand "plausibler Gründe". Beteiligte Mitglieder der Berkut- und SBU-Einheit, hätten sich auf die Krim geflüchtet, sagte der SBU-Chef. Man habe sie identifiziert.

Verwirrend ist, dass Innenminister Arsen Avakov offenbar eine andere Version vertritt. Nach ihm habe zumindest die Entführung und einige Tötungen von Maidan-Aktivisten eine "kriminelle Bande" durchgeführt, die vom damaligen Innenminister Vitaliy Zakharchenko gesteuert worden sei.

Update: Auf einer Pressekonferenz sagte Innenminister Arsen Avakov dass die Untersuchung der Generalstaatsanwaltschaft in vier Gruppen von Tötungen in Kiew aufgeteilt worden sei. Offenbar wird die Berkut-Einheit gesondert betrachtet, die für die Tötungen auf der Instytutska-Straße verantwortlich gemacht wird.

Nach Avakov werden erstens die Morde der Scharfschützen untersucht. Zweitens geht um die direkten Schüsse mit den Gewehren von Sicherheitskräften. Drittens werden die Tötungen untersucht, die von staatlich beauftragten Provokateuren, den Titushkas, ausgeführt wurden. Und viertens werden die Umstände geprüft, die zum Tod von Polizisten geführt haben. Nähere Angaben machte die Pressestelle des Innenministeriums nicht. Nach dem ersten Eindruck richten sich die Ermittlungen auch gegen andere Tätergruppen und könnten so ein differenziertes Bild der Ereignisse zeichnen.