Ungarn: Orban regiert weiter

Parlamentswahlen: Regierungspartei Fidesz ist knapp an der Zweidrittelmehrheit, die rechtsextreme Jobbik gewinnt Stimmen dazu

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Viele Ungarn gingen gestern erst gar nicht zur Wahl - die Wahlbeteiligung liegt bei rund 60 Prozent - manche entschieden sich erst spät, wofür die langen abendlichen Schlangen vor den Wahllokalen sprechen, die dazu führten, dass man die Schließzeiten um eine Stunde nach hinten verschob. Dass Viktor Orban mit seiner Fidesz-Partei gewinnen würde, stand in der öffentlichen Meinung fest. Es ging laut Vorabberichterstattung eigentlich nur mehr darum, wie hoch die Regierung gewinnen würde - ob sie erneut eine Zweidrittelmehrheit schaffen wird.

Die hängt nun an einem Sitz. Nach der letzten Hochrechnung, basierend auf der Auszählung von knapp 99 Prozent der Stimmen ist noch nicht gewiss, ob Fidesz auf 133 Parlamentssitze kommt, die exakt zwei Drittel aller Abgeordnetenplätze entsprechen. Die Briefwahl wird noch ausgezählt.

Das Oppositionsbündnis aus fünf Parteien, angetreten mit dem programmatisch-utopischen Namen "Regierungswechsel", belegt nach derzeitigen Rechnungen nur 38 Plätze. Die rechtsextreme Jobbik kommt auf 23 Sitze; die grüne Mittepartei LMP schaffte, wie sich erst am späten Abend herausstellte, die 5-Prozenthürde knapp und darf fünf Parlamentarier stellen.

Das Ergebnis ist vorläufig. Nach der Wahlgesetzreform, die Orban, wie über 800 andere Gesetze auch, in den letzten vier Jahren dank seiner 2/3 Mehrheit durchsetzen konnte, spielen die Direktmandate für die Verteilung der Parlamentssitze eine große Rolle. Sie begünstigen, wie allenthalben betont wird, die Mehrheitspartei.

Vor diesem Hintergrund ist die Aussagekraft der Prozentanteile relativ. Dessenungeachtet liefert sie ein Bild über die Verteilung der Stimmen. Demnach erhielt Fidesz nun 44,5 Prozent, was gegenüber fast 53 Prozent bei der Wahl 2010 einen Stimmenverlust bedeutet, der aber politisch kaum relevant ist - auch wenn der Verlust von rund 800.000 Stimmen, in kritischen Kommentaren als "klarer Hinweis" dafür gesehen wird, dass weniger Menschen mit der Politik einverstanden sind. Das zeigte sich aber vor allem in der Wahlenthaltung und in den Stimmen, die noch weiter rechts votierten.

Das Oppositionsbündnis für den "Regierungswechsel" konnte jedenfalls nicht von einer Unzufriedenheit mit Fidesz profitieren. Es schaffte knapp 26 Prozent. Da sich mehrere Parteien - MSZP, DK, Gemeinsam 2014-Dialog für Ungarn, Liberale - zusammentaten, läuft der Vergleich mit den 19 Prozent, welche die sozialdemokratische MSZP bei der letzten Wahl erzielte, eigentlich nur auf den Schluss hinaus, dass die Wähler auch in das größere Bündnis kein Vertrauen hatten. Verspielt wurde es durch maßlose Korruption der früheren linken Regierungen.

Der Wahlerfolg des rechtsextremen Jobbik - knapp 21 Prozent (2010: 16,7%) -, der die Partei zur zweitstärksten Fraktion im neuen Parlament macht, ist angesichts des ohnehin schon restaurativen, rechtslastigen politischen Klimas in Ungarn, das von nahezu sämtlichen Intellektuellen, die sich zu Wort melden, als deprimierend, rückwärtsgewandt und autoritätshörig bezeichnet wird, ein Zeichen dafür, dass man auch in den nächsten vier Jahren aus Ungarn noch allerhand antisemtische Äußerungen, Hetze gegen Roma und andere Minderheiten zu hören bekommt.