9/11-Prozess: FBI soll Verteidiger bespitzeln

Weiter Irregularitäten und Spähangriffe beim sogenannten "Jahrhundert-Prozess" gegen die "Guantanamo Five"

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Die große Öffentlichkeit hat den "Jahrhundert-Prozess" gegen Khalid Sheik Mohammed, Ramzi Bin Al Shib, Walid Bin Attash, Ammar al-Baluchi und Mustafa Ahmad al-Hawsawi längst aus den Augen verloren. Dabei steckt das Verfahren gegen die fünf Guantanamo-Häftlinge, denen die Planung der Anschläge vom 11.September 2001 vorgeworfen wird, seit 2008 in der Phase der Anhörungen. Was sich in dem Verfahren bislang an Hindernissen, Chaos und Seltsamkeiten auftat, ist einer Farce würdig. Nun steht eine neue Anhörung bevor und auch dazu taucht ein neuer Vorwurf auf, der den geplanten Ablauf durcheinander bringen könnte und seinem Charakter nach typisch für das Verfahren ist: Das FBI soll einen Spion in die Verteidigung eingeschleust haben.

Zur Erinnerung: Begonnen hatte der Prozess gegen die "Guantanamo Five" unter der Präsidentschaft George W. Bush im Sommer 2008. Die Anklage vor dem militärischen Sondertribunal im US-Gefangenenlager auf Kuba lautet auf Terrorismus, Verschwörung, Mord und Sachbeschädigung. Die Militärjustiz strebe für alle Angeklagten eine Todesstrafe an, hieß es damals.

Kritiker sprachen von einer Parodie rechtsstaatlicher Verfahren: Die Einrichtung einer Militärkommission anstelle eines ordentlichen Zivilgerichts, ermöglicht durch den Military Commissions Act von 2006 (Kongress legitimiert das von Bush eingeführte Unrechtssystem), verletze grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien, die im Kampf gegen den Terrorismus doch besonders gewahrt werden müssten. Auch wurden den Angeklagten sonst übliche Rechte verweigert. Dazu kam von Anfang an die Unklarheit darüber, ob Geständnisse der Angeklagten unter folterähnlichen Bedingungen zustande gekommen waren und vor Gericht überhaupt verwendet werden durften (Schauprozess gegen "Guantánamo Five").

Der neu gewählte Präsident Barack Obama ging auf die Kritik ein, suspendierte den Prozess; er plante, ihn an ein Zivilgericht in New York zu übergeben (Washington will Todesstrafe für Folteropfer). Das scheiterte am Widerstand nicht nur der Republikaner. 2012 wurde das Verfahren in modifizierter Form wieder aufgenommen in einem eigens errichteten Gerichtsgebäude auf Guantanamo, im Camp Justine, mit chaotischen Szenen.

Was im darauf folgenden Jahr von den Anhörungen aus Camp Justine berichtet wurde, war alles andere als vertrauenserweckend. Militärrichter James L. Pohl argwöhnte Zensur, nachdem die Mikrophonverbindung zu den Zuhörern abgestellt worden war, aber nicht von ihm, dem eigentlich die Kompetenz darüber zusteht.

Überwachung der Mails, der Gespräche mit den Anwälten und der Verteidigungsstrategie

Eine Kleinigkeit vielleicht, vielleicht auch mit technischem Versagen zu erklären. Wichtig ist der größere Hintergrund dazu, der nicht nur diese eine Anhörung, sondern den ganzen Prozess durchzieht: die Öffentlichkeit darf nur einen Teil der Wahrheit wissen, die Geheimdienste hüten sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln davor, dass zu viel über ihre Arbeitsmethoden an die Öffentlichkeit gerät, Verhörtechniken und andere "Wahrheitsfindungsmanöver", Informationen über Geheimgefängnisse und nicht zuletzt auch Details über die Unterbringung und Behandlung der Gefangenen in Guantanamo.

Bereits Ende 2013 erhoben die Verteidiger den Vorwurf, dass ihre E-Mail-Accounts überwacht werden und vertrauliche Dateien verschwunden seien. Vorwürfe, wonach die Räume abgehört wurden, in denen sich die Verteidiger mit den Gefangenen trafen, ergänzen das Bild.

Nun steht eine neue Anhörung an, von der Medien erwarten, dass einiges über die Bedingung der Unterbringung der fünf Angeklagten zur Sprache kommt: "Die erste jemals gehörte Zeugenausage über das Leben in dem geheimsten Teil von Guantanamo" laut Miami Herald.

Doch ist einem anderen Artikel der Zeitung zu entnehmen, dass sich hier neue Störungen und Verzögerungen andeuten. Die Verteidiger wünschen eine dringliche Sonderanhörung, weil das FBI nach ihren Informationen einen Agenten auf das Verteidigerteam angesetzt hatte, um von diesem interne Informationen zu erhalten.

Den fünf Verteidigerteams wird offiziell jeweils ein Defense Security Officer beigesellt, um sie darüber zu beraten, welche Gerichtsunterlagen geheim bleiben sollen und geschwärzt werden. Das FBI soll einen Defense Security Officer der Verteidigung von Bin al Shibh zu einem Informanten der Behörde gemacht und ihn über die Aktivitäten aller Verteidigerteams ausgefragt haben. Von einem Verfahren nach rechtsstaatlichen Prinzipien ist man damit noch immer weit entfernt.