Der Rechte Sektor will in den Kampf ziehen

Die rechten Nationalisten kritisieren die "totale Inaktivität" der ukrainischen Regierung, fordern den Rücktritt und rufen zur Mobilisierung auf, um die Invasoren im Osten zu vernichten

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Die ukrainische Regierung hat zulange abgewartet, um auf die Bevölkerung in der Ostukraine zuzugehen. Während die größeren Städte in der Ostukraine allmählich wegbrechen und die Volksrepublik Donezk ausgerufen wurde, scheut die Regierung vor der schon zweimal angedrohten Antiterroroperation zurück.

Die Aufständischen, bei denen sich wieder die "kleinen grünen Männer", also womöglich Mitglieder russischer Spezialeinheiten, tummeln sollen, haben sich verbarrikadiert und geben sich kampfentschlossen. Kaum vorstellbar, wie die ukrainischen Sicherheitskräfte an mehreren Orten zugleich die Gebäude stürmen könnten, ohne dass dies zu Blutvergießen und vermehrten Widerstand führen würde. Russland hat überdies angedroht, dann das für Donnerstag angesetzte Gespräch platzen zu lassen. Zudem äußerte Präsident Putin Sorge über die Lage in der Ostukraine, während sein Außenminister Lawrow versprach, alles zu tun, um die Russen in der Ukraine zu schützen. Das sind mit den Versuchen, die Ostukraine dem Einfluss von Kiew zu entziehen, deutliche Drohungen.

Interimspräsident Turtschinow hat nach der angekündigten Antiterroroperation nicht nur eine Stärkung der Selbstbestimmungsrechte der Regionen angeboten, sondern auch ein landesweites Referendum ins Spiel gebracht. Das aber zieht offenbar jetzt nicht mehr, die Aufständischen wollen gleich abstimmen und in ihrer Region. Dann fiel dem Präsidenten ein, man könnte die ukrainischen Sicherheitskräfte von UN-Blauhelmen als Beobachter (und als Schutz) begleiten lassen. Das ist eine Idee, die nicht nur fern jeder Wirklichkeit ist, sondern auch die Hilflosigkeit der Regierung zeigt.

Das Herumlavieren hat nicht nur die Aufständischen in der Ukraine gestärkt, sondern führt auch in der Westukraine bei den Nationalisten und Rechten zur Kritik, dass die Regierung zu unentschlossen handele, während die Abgeordneten der Partei der Regionen ein militärisches Eingreifen ablehnen. Der Präsident hat nun mit einem im Detail geheimen Dekret den Nationalen Sicherheits-und Verteidigungsrat der Ukraine und damit dessen Vorsitzenden Andrej Parubij delegiert. Parubij ist Mitglied der Vaterlandspartei, er hatte in der Maidan-Bewegung als "Kommandeur des Maidan" mit den Militanten, etwa dem Rechten Sektor, kooperiert und hatte die faschistische Vorläuferpartei von Swoboda mitbegründet.

Parubij stand hinter der Gründung der Nationalgarde, in der Freiwillige aufgenommen werden sollen, um das Militär im möglichen Kampf gegen die Russen zu unterstützen und zur inneren Sicherheit beizutragen, wozu auch der Kampf gegen den Separatismus gehört. Die Nationalgarde wurde von Parubij auch geschaffen, um den Militanten der Maidan-Bewegung einen Job zu verschaffen, in dem sie bewaffnet bleiben können und sie damit zu legalisieren. Zunächst waren die Militanten nur aufgefordert, ihre Waffen freiwillig abzugeben. Der Rechte Sektor, der schon mal aufgerufen hatte, die Ostukraine gegen die Feinde zu verteidigen, weigerte sich, die Waffen abzugeben. Zwar hatte das Parlament vor kurzem beschlossen, dass nun alle illegalen Waffen niedergelegt werden müssten (Regierung geht gegen Rechten Sektor vor), was die Militanten aber nicht weiter zu stören scheint, weil sie sich wohl von Teilen der Regierung und der Maidan-Bewegung weiterhin getragen sehen (Rechter Sektor will die Waffen nicht abgeben). Allerdings gehen Polizisten immer mal wieder gegen Angehörige des Rechten Sektors vor, denen daran gelegen ist, die Situation zu verschärfen.

Jetzt ruft der Rechte Sektor vermehrt dazu auf, eine militärische Strategie zu entwickeln und Kampfverbände aufzustellen. Die Menschen auf dem Maidan seien ärgerlich, sie wollten von den Politikern nichts mehr hören, heißt es auf der Facebook-Seite des Rechten Sektors gestern. Sie wollen angeblich, dass Innenminister Avakov und Präsident Turtschinow sofort zurücktreten, weil sie die Ukraine nicht verteidigen können. Sie würden Waffen haben und der "Ostinvasion" entgegentreten wollen. Verlinkt wurde eine Video, das zeigt, wie Menschen vor das Parlament ziehen. Man habe aber auf die Erstürmung des Parlaments verzichtet, heißt es großzügig seitens des Rechten Sektors. Der Innenminister ist dem Rechten Sektor besonders verhasst, nachdem bei einem Schusswechsel zwischen einer Sondereinheit der Polizei und einem Anführer der Rechtsextremen, der festgenommen werden sollte, letzterer getötet und danach zum "Helden" stilisiert wurde.

Um die "Jungs nach Osten" zu schicken, werden Uniformen gebraucht.

Für gestern 19 Uhr war dazu aufgerufen worden, sich auf dem Maidan zu versammeln: Es ist wieder Zeit für eine landesweite Versammlung von freien und tapferen Menschen, die vereint eine starke nationale Armee von Patrioten bilden werden, wie wir das schon zuvor gemacht haben. Wir müssen unser Heimatland verteidigen."

Der Rechte Sektor erklärte um 23:00 Uhr, die Regierung handele nahe an der Sabotage. Man müsse jetzt die "kleinen grünen Männer" vernichten, die als Terroristen bezeichnet werden. Der Rechte Sektor sei bereit, gegen alle Feinde der Ukraine zu kämpfen. Zuvor war dazu aufgerufen worden, Geld zu spenden. Gebraucht würden auch Schusswesten, Helme, Militärstiefel, Camouflage-Kleidung etc. Man müsse jetzt dringend Männer an die Ostgrenze senden.

Dmitri Jarosch sucht die Gunst der Stunde auszunutzen, um auch gegen die neue Regierung anzutreten und eine militärische Auseinandersetzung zu erzwingen.

Am Samstag hatte Jarosch, der Führer des Rechten Sektors, der sich als Präsidentschaftskandidat registrieren hat lassen, zur Mobilisierung eine Ansprache gehalten. Die Bürger sollten sich organisieren und sich mit den Kampfverbänden des Rechten Sektors zusammentun. Moskau gehe in der Ostukraine nach dem Krim-Szenario vor. Der Aufstand der Separatisten werden durch lokale Regierungsangehörige gestützt und durch die "totale Inaktivität" der Regierung in Kiew befördert. Der Kreml wolle die Ostukraine besetzen:

Aufgrund der sich entwickelnden Lage ordne ich die volle Mobilisierung aller Kräfte des Rechten Sektors und die Vorbereitung für entscheidende Aktionen zur Verteidigung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine. Ich rufe alle ukrainischen Sicherheits- und Polizeibehörden auf, nicht nur aufzuhören, unsere Aktionen zu stören, sondern dem Rechten Sektor zu helfen, die gesetzmäßige Ordnung auf dem Territorium der Ukraine wiederherzustellen.

Die Regierung werden weiterhin "kollaborieren", deswegen müsse Druck auf sie ausgeübt werden. Zwar sollte in Kriegszeiten die Regierung nicht kritisiert werden, "aber es auch wichtig, sich daran zu erinnern, dass in Kriegszeiten Verräter exekutiert werden". Das ist eine deutliche Drohung an die Regierung. Man müsse jetzt größte Einigkeit zeigen und es geht um die Zuspitzung des Konflikts, wie das der Rechte Sektor auch bereits auf dem Maidan und nach dem Zustandekommen des Abkommens mit der Janukowitsch-Regierung demonstriert hatte:

Panik, Pazifismus, Hysterie, Provokationen zu vermeiden, und die Notwendigkeit, eine friedliche Lösung zu finden, spielen nur in die Hände unserer Feinde. Sage ja zur nationalen Einheit, sage Ja zum entschlossenen Widerstand gegen die Invasoren. Sage nein zum Pazisfismus und zur Kapitulation.

Jarosch gibt sich als Mann des Volkes, der gerade genug zum Leben hat. Daher kam er in Erklärungsnot, woher er die 2,5 Millionen UAH (160.000 Euro) hat, die ein Präsidentschaftskandidat bei der Registrierung hinterlegen muss. Er habe das Geld von guten Freunden erhalten, sagte er, ohne diese zu nennen.