Auch Timoschenko will eine Volksmiliz gründen

Nicht nur in der Ostukraine, auch in der Westukraine verliert die Interimsregierung zunehmend die Kontrolle

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Es ist sicher eine Folge der Bedrohung durch Russland, die nun in der Westukraine zur erhöhten Demonstration von Kampfesentschlossenheit führt. Dazu trägt auch bei, dass sich bei den ukrainischen Nationalisten der Unmut über die für sie zu zögerlichen Reaktionen der Interimsregierung wächst. Zwar wurde das Militär mobilisiert, zwar wurde eine Nationalgarde geschaffen, um die Militanten der Maidanbewegung zu integrieren, aber nachdem die Krim bereits an Russland gefallen ist, drohen jetzt auch Teile der Ostukraine wegzubrechen oder von Russland angeeignet zu werden.

In der Westukraine bestimmen ebenso wie in der Ostukraine Milizen das Geschehen, die das Interesse haben, den Konflikt zu schüren. Während nun in der Ostukraine gut sichtbar und vermutlich mit der Hilfe der russischen "grünen Männchen" nach dem Stil der Maidan-Bewegung Gebäude und Plätze besetzt und mit Barrikaden geschützt werden, rufen in der Westukraine die Militanten des Rechten Sektors zum Kampf gegen die Invasoren auf. Man distanziert sich von der Interimsregierung, die für die Rechten auch zu wenig entschlossen gegen die Aufständischen vorgeht, setzt offenbar in Armee und Nationalgarde keine Hoffnung und ruft selbst zur Mobilisierung auf, um Kampftruppen unter ihrer Leitung in die Ostukraine und an die Front zu schicken. Angeblich wurde bereits das erste Bataillon aus freiwilligen Zivilisten zur Verteidigung des Donbass gegründet, das nun in die Ausbildung eingetreten sei, berichtete der Rechte Sektor heute Morgen.

Nach einer Protestkundgebung auf dem Maidan zogen auch bewaffnete Militante gestern Nacht vor das Parlament und verlangten den Rücktritt des Innenministers und des Präsidenten. Ein Sprecher des Rechten Sektors, Borylav Bereza, wies Gerüchte über eine Erstürmung des Parlaments zurück. Es sei unverantwortlich und eine Bedrohung der nationalen Sicherheit in Zeiten des Kriegs Staatsgebäude zu erstürmen. Er rief alle Patrioten dazu auf, die russische Aggression abzuwehren.

Offenbar traf der Rechte Sektor mit der Mobilisierung außerhalb der staatlichen Strukturen eine Stimmung in der Westukraine. Das kann man zumindest daraus schließen, dass nun auch die Präsidentschaftskandidatin Julia Timoschenko ebenfalls eine Widerstandsbewegung aufbauen will, die allerdings unter ihrer Leitung stehen soll, also ein Konkurrenzprojekt zu den Kampfgruppen des Rechten Sektors. Damit zerfällt die staatliche Ordnung nicht nur in der Ostukraine, sondern auch in der Westukraine. Während die USA und die EU Milliarden als Hilfe in das Pleiteland pumpen, drängen US-Politiker wie John McCain, der schon früh die Maidan-Bewegung unterstützt hat, auch Waffen in die Ukraine zu liefern.

Timoschenko erklärte gestern Nacht nach der Protestkundgebung auf dem Maidan in einem Fernsehinterview, sie sei entschlossen, alles zu tun, um eine Widerstandsbewegung zu unterstützen, in die Freiwillige eintreten sollen, die die Ukraine verteidigen wollen. Primär sollte es sich aber um Soldaten mit Kampferfahrung, Ex-Mitglieder von Polizeisondereinheiten und Menschen handeln, die sich in militärischen Strategien auskennen. Das Hauptquartier sein bereits gegründet worden, heute würde es ein ersten Treffen geben, um die nächsten Schritte zu planen: "Ich rufe alles, die bereit sind, die Ukraine zu verteidigen, auf, sich zu melden."

In einer weiteren Rede erklärte sie, dass die Ukraine sich nun im Krieg befinde. Sie rief die Regierungen der Welt zum Handeln auf. Man könne die Krise nicht mehr friedlich lösen.

Der ukrainische Präsident Turtschinow , dem die Zügel entgleiten, hat nach zweimaligen Verstreichen des Ultimatums nun doch mitgeteilt, dass eine Antiterror-Operation im Norden der Donezk-Region gestartet sei. Kritiker hatten ihm vorgeworfen, durch Untätigkeit das Land auseinanderbrechen zu lassen. Die Operationen würde "schrittweise, verantwortlich und zurückhaltend" vor sich gehen, sagte er, wohl auch mit Blick auf Russland, wo zunehmend gedroht wird, sollten die ukrainischen Sicherheitskräfte Gewalt anwenden. Die Operation diene nur zum Schutz der Bürger, gestoppt werden sollen Terror, Kriminalität und Separatismus sagte er in einer Rede im Parlament.

Die Polizei, auch in der Westukraine, würde reformiert. Viele Polizisten in der Ostukraine haben die Aufständischen gewähren lassen, wenn sie nicht mit ihnen sympathisierten. Den vom Rechten Sektor organisierten Demonstranten vor dem Parlament rief er zu: "Geht zur Arbeit in die Polizei, geht zur Nationalgarde, geht in die Armee um das Vaterland zu schützen." Russlands Pläne nannte Turtschinow "brutal". Die Russen wollten den ganzen Süden und Osten "brennen" sehen.