Fahrradverkehr in Kopenhagen als heilsames Vorbild?

Ein Bericht der UN-Wirtschaftskommission für Europa versucht, ein positives Bild von den für Gesundheit, Umwelt und lokaler Wirtschaft segensreichen Folgen des Fahrradfahrens zu zeichnen

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Wenn möglichst viele Menschen konsequent mit dem Fahrrad fahren würden, hätte dies nicht nur einen positiven Effekt für die Gesundheit und gäbe es weniger Unfälle, es würden angeblich auch mehr Jobs entstehen. Das sagt zumindest ein Bericht der UN-Wirtschaftskommission für Europa (UNECE). In ganz Europa, also nicht nur in der EU, würde jährlich die Zahl der Toten um 10.000 sinken, während über 76.000 mit dem "grünen und gesunden Verkehr" verbundene Arbeitsplätze entstehen würden, falls jeweils eine größere Stadt in einem Land zu einer Fahrradstadt wie Kopenhagen würde.

Der Bericht entstand anlässlich des vierten High-level Meeting on Transport, Health and Environment, das vom 14. bis 16. April in Paris stattfindet und zu dem sich die europäischen Verkehrs-, Gesundheits- und Umweltminister treffen. Zweck des Treffens, das von UNECE und dem WHO Regional Office for Europe organisiert wird, ist die Entwicklung von Ideen, wie innovative Verkehrskonzepte gesündere Gesellschaften und zugleich Arbeitsplätze schaffen können. Die WHO ruft zu einer "Pariser Erklärung" auf, da der Verkehr Umwelt und Gesundheit schwer schädigen könne. Die Gewinne aus Investitionen in neue Verkehrssysteme könnten "enorm" seien, so wirbt Zsuzsanna Jakab, WHO-Direktorin für Europa. Versprochen werden neue Arbeitsplätze, gesündere Menschen, weil sie sich mehr bewegen, weniger Unfälle, weniger Krach und bessere Luft.

Der Erklärungsentwurf, der Ende Januar vom Extended Bureau of the Transport, Health and Environment Pan-European Programme (THE PEP) verfasst wurde, trägt den programmatischen Titel "City in Motion - People First!" Verwiesen wird auf die hohe Mortalitätsrate durch die hohe Luftbelastung und die sitzende Lebensweise und die Notwendigkeit, die Verkehrssysteme den Folgen des Klimawandels anzupassen. Mit der alternden Gesellschaft steigen auch die Notwendigkeit, für die Bedürfnisse der Menschen mit eingeschränkter Mobilität zu sorgen. Priorirät habe, in die Stadt- und Raumplanung Verkehrs-, Gesundheits- und Umweltziele zu integrieren, Emissionen und Lärm zu reduzieren und gesunde und sichere Verkehrssysteme zu schaffen. Unter anderem soll ein "paneuropäischerMasterplan für die Förderung des Radfahrens" entwickelt warden.

Dem Ziel soll also der Bericht dienen, für den der Anteil der Fahrradfahrer in Kopenhagen zugrundegelegt wurde. 26 Prozent aller Stadtfahrten werden hier mit dem Fahrrad unternommen.

Zunächst aber werden erst einmal die Belastungen durch den gegenwärtigen Verkehr benannt. Die aus dem Verkehr entstehenden Umwelt- und Gesundheitskosten könnten bis zu vier Prozent des BIP betragen, heißt es. In Europa würden durch die größtenteils vom Verkehr stammende Luftverschmutzung fast 50.000 jährlich vorzeitig sterben. Dazu kommen 90.000 Menschen, die jährlich bei Verkehrsunfällen sterben. 70 Millionen Menschen werden durch exzessiven Straßenlärm beeinträchtigt. Der Verkehr hat in Europa einen Anteil von 24 Prozent an den Treibhausgasemissionen. Und wenn der Verkehr von der körperlichen Bewegung abhält, dann trägt dies zu einer Million vorzeitiger Todesfälle bei, so der Bericht.

Würde in anderen Städten der Anteil der Fahrradfahrer genau hoch sein, würden neben der Vermeidung von Unfällen und der Beförderung der Gesundheit lokal neue lokale Jobs durch Fahrradläden und -werkstätten entstehen. Dazu kämen Jobs für die Ausstattung, Stadtentwicklung und Mobilitätskonzepte.

Berlin etwa hat nach den Angaben einen Fahrradanteil von 13 Prozent am Gesamtverkehr. Wenn der Anteil auf 24 Prozent angehoben werden könnte, würden jährlich 151 Menschenleben gerettet und würden sich die mit dem Fahrradfahren verbundenen Jobs mit einem Zuwachs von 2.073 verdoppeln. Das klingt allerdings schon weniger vielversprechend für die lokale Wirtschaft. Überdies handelt es sich um eine Art Milchmädchenrechnung, die voraussetzt, dass alle Städte prinzipiell Kopenhagen gleichen, man also nur die Zahl der Einwohner und den Anteil des Fahrradverkehrs berücksichtigen müsste. Bei Rom wird von einem Anteil von 0 Prozent ausgegangen. Bei einer erfolgreichen Umsetzung des Kopenhagener Modells würden über 3.200 neue Jobs entstehen und 154 Menschen leben gerettet.

Es könnte aber nicht nur sein, dass Fahrradfahren in einer von Feinstaub belasteten Stadt nicht nur der Gesundheit förderlich ist, sondern man müsste eigentlich auch einbeziehen, wie viel der Umbau zu einer fahrradfreundlichen Stadt kosten würde (wodurch zeitweise auch wieder Jobs entstehen), während möglicherweise Jobs bei der Autoproduktion und -reparatur, bei Taxis oder im öffentlichen Verkehrssystem verloren gehen könnten. Allerdings wird aus den Angaben deutlich, wie wenig das Fahrradfahren in vielen Ländern bzw. Großstädten verbreitet ist. Rom ist kein Einzelfall, auch in Bukarest, Belgrad, Kiew, Sofia, Madrid, Lissabon und auch Stockholm liegt der Anteil des Fahrradverkehrs bei einem Prozent.