Frankreichs Sparprogramm: Mehr Arbeitsplätze durch Abbau von Sozialleistungen

"Unakzeptabel": Frankreichs linke Sozialdemokraten und Gewerkschafter kritisieren "Austeritätspläne" des PS-Premierministers

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Frankreich geht rauhen Zeiten entgegen. Die Wirtschaftspläne der sozialdemokratischen Regierung dürften, wie schon eine Demonstration am Wochenende in Paris andeutete, auf einigen Widerstand treffen. Schon das große Programmbild zeigt die Schwierigkeiten des neuen Kurses an: Einerseits sollen die Unternehmen bis 2016 um 30 Milliarden Euro entlastet werden, kein kleiner Faktor sind dabei Einsparungen an den Sozialabgaben. Anderseits will der Staat bis 2017 50 Milliarden an Ausgaben einsparen, kein kleiner Anteil an den Einsparungen betreffen die Sozialabgaben. Also spart die Wirtschaft an Sozialabgaben und wie auch der Staat. Dazu hatten die Sozialdemokraten nach der kalten Dusche der Kommunalwahlen Steuererleichterungen versprochen. Stellt sich also die Frage, wie der Plan funktionieren soll.

Bislang waren nur die großen Eckzahlen mit ein paar Grundlinien bekannt; irgendwie, so der Eindruck aus den Medienberichten dazu, hielt sich trotz der allgemeinen Skepsis die stille Hoffnung, die Regierung könnte ein rechnerisches Kunstwerk vorlegen, das bestimmte Widersprüche in den Ankündigungen ("nicht zuviel sparen, soziale Errungenschaften halten, Kaufkraft erhöhen") mit eleganten haushalterischen Operationen auflöst.

Heute hat der neue Premierminister Valls den Sparplan präsentiert, mit etwas mehr Details. Und mit der Gesamtprojektüberschrift, wonach es ihm darum gehe, aus den Schuldenzwängen auszusteigen und zugleich alles dafür zu tun, um Arbeitsplätze zu schaffen. Hier dürfte er insbesondere an die Lohnnebenkosten gedacht haben. Ob die Rechnung mit den Unternehmern aufgeht, ist bislang noch nicht abzusehen.

Angst vor der sozialen Katastrophe

Man kann die Reaktionen auf die Präsentation des Sparplanes so zusammenfassen: der linke Flügel der PS (Parti socialiste) ist erschüttert, mancher Vertreter findet die Vorschläge "unakzeptabel", Gewerkschaftsvertreter fürchten eine Zunahme prekärer Verhältnisse und der Armut, kurz: eine "Katastrophe", Vertretern der konservativen Oppositionspartei UMP gehen die Pläne nicht weit genug, sie fordern eine grundlegende Strukturreform. Von Seiten der kleineren Oppositionsparteien ist der Vorwurf zu hören, dass Valls der "Gerichtsvollzieher der EU" sei.

Pläne noch immer vage

Die sachlicher gehaltene Kritik zeigt sich irritiert darüber, dass die Sparpläne noch immer ziemlich vage bleiben. Was wichtige Details angeht, so steht man weiterhin im Halbdunkel - und vielleicht auch die Regierung? Die große Rechnung hat Valls wie folgt aufgeschlüsselt: Die Zentralregierung soll vom nächsten Jahr an bis 2017, dem Ende der Amtszeit Hollandes, 18 Milliarden an Ausgaben sparen, die regionalen Gebietskörperschaften 11 Milliarden; weitere 11 Milliarden sollen durch Kürzungen von Sozialausgaben gespart werden und 10 Milliarden im Gesundheitssystem - ergibt insgesamt Einsparungen in Höhe von 50 Milliarden.

Einfrieren von Renten und Sozialleistungen

Sieht man sich die Vorschläge, soweit bekannt, an den einzelnen Sparposten an, so bleiben ein paar offene Fragen. So etwa bei dem Block "Soziales". Valls hatte angekündigt, dass er, um die französische Wirtschaft anzukurbeln, die Kaufkraft steigern wolle. Für ganz Frankreich? Das kann er nicht gemeint haben, denn 15 Millionen Rentner und etwa 7 Millionen Familien mit Kindern müssen sich darauf einstellen, dass die Rentenzahlungen, Sozialleistungen, Mietzuschüsse u.a. eingefroren werden, also bis 2017 nicht mehr der Inflation angepasst werden.

Das soll laut der Wirtschaftszeitung Les Echos 2 Milliarden Euro an Einsparungen bringen. 800 Millionen Euro sollen durch Kürzungen der Familienzuwendungen eingespart werden. Wo die restlichen 8,2 Milliarden, die zum Sparziel 11 Milliarden fehlen, eingespart werden sollen, geht aus den bisherigen Plandarstellungen nicht hervor.

Krankenkassen sollen 10 Milliarden einsparen

Die Krankenkassen sollen 10 Milliarden in den nächsten drei Jahren einsparen, "ohne dass Leistungen für die Behandlungen noch deren Qualität gekürzt werden sollen", so Valls. Auch hier ging er nicht in Details, deutete nur an, dass man die chirurgische Ambulanz ausbauen könne und in der Verwendung generischer Medikamente ein großes Einsparpotential liege.

Auch die beim Staat Beschäftigten müssen sich darauf einstellen, dass ihr Salär die nächsten Jahre nicht erhöht wird, außer bei Beförderungen. Manche müssen sich möglicherweise auch auf eine Entlassung gefasst machen. Wie er sich darüberhinaus vorstellt, die Ausgaben der Zentralregierung in Paris so zu kappen, dass bis 2017 18 Milliarden weniger ausgegeben werden, bleibt noch Valls Geheimnis. Wie auch die Frage, wie dies zu mit der Einlösung des Wahlversprechens von 60.000 neuen Posten im Erziehungswesen, in der Justiz und bei der Polizei zu verbinden ist. An dem Wahlversprechen Hollandes halte er fest, betonte der Ministerpräsident.

Die große Reform bei den Gebietskörperschaften ist die Zusammenlegung mehrerer Regionen, die gegenwärtige Unterteilung in 22 Regionen soll auf 12 reduziert werden. Auch dies ist ein ehrgeiziges Projekt. Vorstellbar ist, dass es möglicherweise langwieriger vonstatten geht, als dies am Reißbrett geplant ist, und die Umstrukturierung auch einige Kosten nach sich zieht.

Schwieriger vorzustellen ist, dass die Regierung mit diesem Programm 11 Milliarden Euro in den nächsten drei Jahren einsparen will. Aber Valls hat, bis er sein Projekt vor der Nationalversammlung präsentiert, noch etwas Zeit, um für mehr Klarheit zu sorgen.