Was ist los in der Ostukraine?

Selbst die Kiew Post berichtet offensichtlich objektiver als viele westliche Medien

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Auch in der Ukraine gibt es Medien, die versuchen, einigermaßen neutral über die Geschehnisse zu berichten. Die Kiew Post neigt zwar der Haltung in der Westukraine zu und veröffentlicht auch entsprechende Artikel, aber es gibt auch Berichte von Journalisten, die offensichtlich darum bemüht sind, die Ereignisse möglichst wahrheitsgetreu darzustellen.

Dazu gehört die Redakteurin Olga Rudenko, die in ihrem aktuellen Bericht die Lage in der Ostukraine schildert, nämlich in der 250.000-Einwohner-Stadt Kramatorsk. Sie liegt in der Nähe des umkämpften militärischen Flughafens, von dem gestern viel die Rede war, da hier angeblich ukrainische Soldaten überliefen und sechs Panzer den Aufständischen übergaben: ein Beleg, wie schwer der Stand der ukrainischen Regierung in Kiew ist, die auf der einen Seite mit prorussischen Aufständischen und Separatisten zu tun hat, aber auf der anderen Seite mit militanten und nationalistischen Bewegungen im eigenen Lager, die auf eine militärische Lösung dringen und dafür Milizen aufstellen wollen, weil sie mit der Haltung der Regierung und dem Zustand des Militärs nicht zufrieden sind.

Rudenko schreibt, dass die ukrainische Armee, die mit Panzern und gepanzerten Mannschaftsfahrzeugen gestern in Kramatorsk einfuhr, dort nicht gerade begrüßt wurde. Die Bewohner hätten die Weiterfahrt der Militärfahrzeuge im Vertrauen darauf verhindert, dass die Soldaten nicht zu ihren Waffen greifen werden - was diese auch nicht gemacht haben. Der Rechte Sektor merkt an, dass die ukrainischen Soldaten von der Regierung allein gelassen worden seien und keinen Schießbefehl erhalten hätten, was die den Kampf suchenden Aktivisten des Rechten Sektors, der während der Maidan-Bewegung Teil der so genannten "Selbstverteidigungskräfte" war und sich noch immer als deren Avantgarde sieht, natürlich stört.

Sechs Fahrzeuge seien von den bewaffneten Aufständischen übernommen und nach Slowiansk geschickt worden, wo seit 12. April das Regierungsgebäude und seit gestern auch das Rathaus von Aufständischen besetz wurde. Die Panzer würden dort eingesetzt, um Straßen zu blockieren, sagte der Sprecher der "Donbass-Bürgerwehr". Nach diesem hätte sich ein Dutzend Soldaten ergeben und sei zu den Aufständischen übergelaufen. Gleichwohl würden sie in der Stadthalle festgesetzt sein und dürften mit niemandem sprechen (Gegenbericht). Der 19-jährige Dimitrow, einer der Soldaten, die von den Zivilisten blockiert wurden, sagte Rudenko, dass seine Kollegen sich nicht hätten ergeben können. Berichtet wird von Pro-Kiew-Medien, dass auf den gekaperten Fahrzeugen keine ukrainischen Soldaten zu sehen seien.

Dimitrow sei neben einem der gepanzerten Mannschaftswagen mit einem Gewehr in der Hand gestanden, umringt von Zivilisten. Er wurde von einem Mann gefragt, ob er auf ukrainische Menschen schießen würde: "Wir sind ukrainische Menschen." Dimitrow antwortete, er habe geschworen, die territoriale Integrität der Ukraine zu schützen.

Allerdings scheinen die von der Regierung losgeschickten Soldaten nicht sonderlich über ihren Einsatz informiert worden zu sein. Rudenko habe ein Soldat erzählt, sie hätten den Stützpunkt schon vor einer Woche verlassen, um an Übungen in der Region Donezk teilzunehmen. Er habe nicht gewusst, dass er an einer von der Regierung beschlossenen Antiterroroperation teilnimmt. Beeindruckt von den Hunderten von empörten Zivilisten hätte der Soldat leise gesagt, dass er die separatistischen Bewegungen nicht mag und will, dass die Ukraine nicht aufgeteilt wird. Sie würden aber nicht schießen, wenn die Zivilisten nicht versuchen würden, ihnen ihre Waffen und Fahrzeuge abzunehmen.

Drei der gepanzerten Fahrzeuge hätten im Laufe des Tages die Stadt verlassen, nachdem ein Soldat Zivilsten mit einer Granate gedroht hatte. Die Zivilisten, die sich den Militärfahrzeugen entgegenstellten, würden nicht glauben, dass russische Soldaten verdeckt in der Ostukraine agieren. Ein Bewohner habe gesagt: "Ich habe mit meinen Augen keinen gesehen, also glaube ich nicht, dass es welche gibt." Nachdem die ukrainische Regierung Separatisten schwer bestrafen will, möchte keiner seinen Nachnamen nennen. General Vasiliy Krutov, der die "Antiterroroperation" leitet, hatte schon am 15.April erklärt, dass der Armee die Zivilisten Probleme bereiteten, die die Aufständischen unterstützen. Die seien aber nur die "Opfer der Propaganda" und würden als "menschliche Schilde" gebraucht. So kann man sich die Situation auch schönreden. In russischen Medien wird berichtet, dass Dutzende der ukrainischen Soldaten desertiert wären. Das scheint Propaganda zu sein.

Während die ukrainische Regierung und der Westen den Konflikt vereinfachen, indem sie nur von Moskau unterstützten prorussischen Aktivisten und von verdeckt operierenden russischen Agenten/Soldaten sprechen, ist die Situation in der Ostukraine doch komplizierter, als die Interessen der Kiew-Regierung und der EU/USA es sehen wollen. Eine militärische Intervention verstärkt den Separatismus nur, die ukrainische Regierung hat versäumt, rechtzeitig mit der auch verängstigten Bevölkerung der Ostukraine zu sprechen. Der Westen scheint dafür zu verbohrt zu sein und einzig auf Konfrontation gegenüber Russland zu setzen. Moskau verhält sich entsprechend, steht aber auch unter massivem Druck der Nationalisten, der berücksichtigt werden müsste, wenn wirklich Deeskalation das Ziel sein sollte. Dafür spricht aber wenig.

In Mariupol belagern 500 Anti-Kiew-Aktivisten einen Militärstützpunkt. Sind das nun russische Agenten oder ukrainische Zivilisten? Der Rechte Sektor kritisiert die fehlende Kampfbereitschaft der Soldaten. Es sei nur in die Luft geschossen worden. Angeblich wurde eine Person durch einen Schuss verletzt. Russische Medien berichten von vier Toten. Fog of the War.