Der Religionsunterricht und das Grundgesetz

Es gibt keinen Anspruch auf Ethikunterricht in der Grundschule, urteilte das Bundesverwaltungsgericht. Doch es gibt einen Anspruch auf Religionsunterricht.

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Ab dem 14. Lebensjahr kann jeder in Deutschland selbst darüber entscheiden, welcher Religion er angehören möchte oder nicht. Bis zum 14. Lebensjahr obliegt diese Entscheidung den Erziehungsberechtigten, die insofern auch darüber bestimmen können, ob das Kind am Religionsunterricht teilnimmt oder nicht. Anders als in früheren Zeiten, in denen die Kinder, die nicht am Religionsunterricht teilnahmen, einfach in einer Ecke des Klassenzimmers geparkt wurden und mit Anfeindungen zu rechnen hatten, ist es heutzutage nicht mehr verpönt, dem Religionsunterricht nicht beizuwohnen. Viele Schulen bieten alternativ einen Ethikunterricht an.

Einen Anspruch auf einen solchen Ethikunterricht gebe es allerdings nicht, urteilte das Bundesverwaltungsgericht nunmehr. Geklagt hatte eine Mutter, deren konfessionslos erzogene Kinder nicht am Religionsunterricht, sondern am Ethikunterricht teilnehmen sollten. Dieser wurde jedoch an der Schule nicht angeboten. Die Klägerin sah darin eine Benachteiligung ihrer Kinder in der Grundschule und zog vor Gericht. Bereits der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hatte mit Urteil vom Februar 2013 den Anspruch verneint. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit seinem jetzigen Urteil die Revision der Klägerin abgewiesen, weshalb ihr nur noch der Gang nach Karlsruhe offensteht.

Die Einrichtung eines Ethikunterrichtes, so urteilten die Richter, sei - anders als beim Religionsunterricht - nicht verpflichtend, sondern optional: "Bei der Einrichtung von Schulfächern verfügt der Staat über Gestaltungsfreiheit", befand der Vorsitzende Richter Werner Neumann. Und: "Mit dem Verzicht auf die Einrichtung des Fachs Ethik in der Grundschule werden die Grenzen dieser Gestaltungsfreiheit nicht überschritten." Auch sei der Ethikunterricht nicht als Ersatz für Religionsunterricht anzusehen. "Religionsunterricht ist Glaubensvermittlung, Ethikunterricht hingegen konfessionsübergreifende Wertevermittlung" heißt es in der Entscheidung dazu. Ferner sei der Religionsunterricht, anders als der Ethikunterricht, im Grundgesetz vorgeschrieben.

Das noch nicht veröffentlichte Urteil ist folgerichtig, wenn es den Anspruch auf den Religionsunterricht anders bewertet als den auf einen Ethikunterricht. Tatsächlich wird der Religionsunterricht in Deutschland durch das Grundgesetz privilegiert. Artikel 7 des Grundgesetzes stuft ihn als ordentliches Lehrfach ein - was bemerkenswert ist, da das Grundgesetz sonst auf keinerlei Lehrfächer Bezug nimmt.

Bedenkt man, dass der Religionsunterricht in seiner aktuellen Ausprägung der "Glaubensvermittlung" dienen soll, dann stellt sich die Frage, wieso diese Glaubensvermittlung höher bewertet wird als zum Beispiel die Vermittlung essentiellen Wissens in den Fächern Mathematik, Naturwissenschaften oder Deutsch. Zwar kann ein Gericht aufgrund der Vorgabe im Artikel 7 nicht über den Religionsunterricht selbst urteilen - es wäre ihm jedoch möglich, einmal zu überprüfen, inwiefern hier nicht eine Änderung sinnvoll wäre, um Christen gegenüber Bekenntnislosen nicht zu sehr zu bevorzugen.

Die Klägerin sieht sich im Recht, was ihre Ansicht bezüglich des Ethikunterrichtes angeht. Angesichts der zunehmenden Zahl konfessionslos erzogener Kinder, so argumentierte sie, sei es wichtig, dass die Schulen auf diese Abkehr von den Kirchen reagierten und auch den kleineren Kindern wichtige Werte vermittelten. Eine neutrale Wertevermittlung auch bei kleinen Kindern sei Aufgabe des Staates, so die Argumentation, der sich die Richter nicht anschließen wollten. Ihrer Ansicht nach reicht es, wenn solche Werte in einem späteren Alter vermittelt werden.

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