Grüne und Linke auf der Atlantik-Brücke

Wie glaubwürdig sind TTIP-Kritiker?

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Der 1952 gegründete Verein Atlantik-Brücke e.V. bietet wohl das bedeutendste Berliner Parkett, auf dem sich die deutschen und US-amerikanischen Mächtigen in diskreter Atmosphäre begegnen. An die 500 Personen aus Politik, Wirtschaft und Militär pflegen bei exklusiven Veranstaltungen den Austausch von Informationen und Interessen.

"Die USA wird von 200 Familien regiert und zu denen wollen wir gute Kontakte haben", resümierte einst Arend Oetker, damaliger Vorstands-Chef der Atlantik-Brücke. Die findet man in der Schwesterorganisation American Council on Germany. Gute Kontakte zur US-Oligarchie suchten wohl auch Politiker von Bündnis90/Die Grünen und Linkspartei, welche sich über die denkbar konservative Brücke führen ließen.

Die Gründungslegende der eher öffentlichkeitsscheuen Atlantik-Brücke besagt, besonnene Deutsche wie Eric Warburg und Gräfin Marion Dönhoff hätten durch ihr Engagement im Nachkriegsdeutschland die industrielle Demontage durch die US-Besatzer gestoppt und durch intensive Kontaktpflege für beide Seiten Vorteile erzielt. Tatsächlich allerdings dürfte die Initiative eher von Washington ausgegangen sein. Der Diplomat und Anwalt Allen Dulles, der das Außenhandelsgeschäft der Wallstreet betreute und den US-Geheimdienst CIA aufbaute und schließlich leitete, hatte als routinierter Gesellschaftslöwe dafür plädiert, im Nachkriegseuropa gezielt die Eliten anzusprechen und zu umschmeicheln, um über diese US-Interessen in Übersee durchzusetzen.

Die Atlantik-Brücke wird ergänzt von gastfreundlichen wie CIA-nahen Think Tanks wie dem berüchtigten Aspen Institut und eben den sagenumbobenen (aber nun einmal realen) Bilderbergern, deren elitäre Mitglieder sich mit Atlantikbrücklern überschneiden.

Die Nähe zur CIA wird nicht einmal verhehlt, verleiht die Atlantik-Brücke doch ganz offiziell den Vernon Walters Award - gewidmet einem stellvertretenden CIA-Direktor, der in denkbar schmutzige Staatsreiche wie im Iran (1954), in Brasilien (1964) und Chile (1973) involviert war und in den 1960er Jahren Subversion gegen Gewerkschaften in Italien betrieben hatte. Den östlichen Geheimdiensten galt der geschworene Kommunistenhasser Walters als der Drahtzieher schlechthin. Erst kürzlich wurden zum 50. Jahrestag Akten über Walters klandestine Aktivitäten beim Staatsstreich in Brasilien von 1964 freigegeben.

Anfragen von Telepolis an die Atlantik-Brücke, ob die Vergabe eines "Vernon Walters Awards" vor dem Hintergrund der neueren historischen Forschung noch angemessen sei, beantwortete man dort ausweichend.

Um die Atlantik-Brücke ranken sich diverse Legenden. Als "Geheimloge" verschrien war sie tatsächlich Gastgeberin für die Hauptdarsteller in diversen Korruptions - und Parteispendenskandalen. Wer das Privileg einer Mitgliedschaft in der Atlantik-Brücke hat und die Wärme der Industriellen genießt, überlegt sich zweimal, ob er sich diese durch Kritik an US-Politik verscherzen möchte.

Wer sich fragt, aus welchen Beweggründen Bild-Zeitung und Spiegel so eifrig gegen Russland anschreiben und von der US-Sicht abweichende Meinungen reflexartig als "Antiamerikanismus" identifizieren, wird bei einem Blick auf die Mitgliederliste vermutlich Antworten finden. Da sich prominente Journalisten die Ehre geben, überrascht es kaum, dass kritische Presseberichte über die Atlantik-Brücke nahezu ausbleiben.

Grüne Brücke

Nachdem sich die Grünen in der Regierung Schröder hatten domestizieren lassen, wollten auch die machtbewussten Alt-68er und Neu-86er einen Platz an der Sonne. Claudia Roth etwa flanierte von 2005 bis 2010 unter den wirklich Mächtigen. Ihre Idee sei es gewesen, diese Art von konservativen Zirkeln mit Grünen zu besetzen und sie politisch zu öffnen, für mehr Transparenz zu sorgen und so die politische Ausrichtung zu verändern. Wo es Häppchen der Industriellen zu futtern gab, war auch Cem Özdemir nicht weit.

Als Friedrich März allerdings erneut zum Häuptling wurde und die atlantischen Brückenbauer eine Anzeigenkampagne für den Tempelhofer Flughafen zur Unterstützung der Berliner CDU schalteten, soll das für Roth den Ausschlag zum Austritt gegeben haben. Auch Özdemir ging von der Brücke.

Weniger kritisch sah dies offenbar die grüne Bundestagsfraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt, von Satiriker Oliver Welke als "Kirchentags-Trulla" verspottet:

Ich bin, wie einige andere GRÜNE, Mitglied des Vereins Atlantik-Brücke. Die Atlantik-Brücke ist ein Verein, der - wie in seiner Satzung festgeschrieben - der Förderung der Völkerverständigung dient. Es handelt sich um einen eingetragenen Verein, der auf der Grundlage des Vereinsrechtes arbeitet (damit genauso demokratisch ist wie ein Sportverein o. ä.) und Konferenzen und Hintergrundgespräche zu außenpolitischen Themen, insbesondere den transatlantischen Beziehungen, anbietet. Das sind Themen, die für uns GRÜNE wichtig sind und zu denen wir mit JournalistInnen, Leuten aus der Wirtschaft und politischen MitbewerberInnen im Gespräch bleiben sollten, in diesem oder in anderem Rahmen. Es macht jedenfalls keinen Sinn, dies einseitig einem bestimmten politischen 'Lager' zu überlassen. Wer sich selbst ein Bild machen möchte, kann sich, statt nur auf Wikipedia zu vertrauen, ganz einfach den Jahresbericht auf der Homepage der Atlantik-Brücke herunterladen.

Doch die restlichen Grünen konnten anscheinend auf das BILD-Machen verzichten. Nunmehr gab Göring-Eckardt gegenüber Telepolis auf hartnäckige Rückfragen bekannt, nicht mehr Mitglied der Atlantik-Brücke zu sein, schwieg sich jedoch über die Gründe hierfür aus.

Rote Brücke

Noch schweigsamer gibt sich der Berliner Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich, der aus seiner Mitgliedschaft eigentlich keinen Hehl macht. Anfragen von TELEPOLIS zu dieser (für die traditionell Washington-kritische Partei ungewöhnlichen) Gesellschaft ignorierte der Stratege jedoch tapfer.

Da sich die Linkspartei konsequent gegen das transatlantische Handelsabkommen TTIP ausspricht, wäre sein Umgang mit den Interessen der amerikanischen Freunde und ihrer deutschen Partner durchaus spannend gewesen. Vor wichtigen EU-Entscheidungen pflegt die US-Wirtschaft Hundertschaften an Lobbyisten in Brüsseler Hotels einzuquartieren, um die Entscheidungsträger zu umwerben und geschmeidig zu machen. Bei Politikern der Union rennen Lobbyisten tendenziell in weit geöffnete Arme, bei der Linkspartei bissen US-Lobbyisten bislang eher auf Granit. Diese Zeiten scheinen vorbei zu sein.

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