Das Ende der Dollar-Hegemonie?

Trotz annähernder Harmonie im IWF dürfte die globale Vorherrschaft des Dollars dennoch bald der Vergangenheit angehören

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Nachdem die Finanzminister der BRICS-Staaten den USA schon vor drei Wochen mitgeteilt hatten, dass "die Führung der G20 allen Mitgliedsländern gleichermaßen zukomme" und "kein Mitgliedsland dessen Natur und Charakter einseitig determinieren" könne, waren bei einigen (Währungs-)Systemkritikern bereits Hoffnungen auf dramatische Entwicklungen aufgekommen. So erwartete Zerohedge-Autor Paul Mylchreest von Monument Securities vom letzten Jahrestreffen von IWF und Weltbank, bei dem am 10. April auch ein Treffen der G20 Finanzminister anstand, nicht weniger als einen "entscheidenden Augenblick für die Geschichte der Geldwirtschaft", bei dem die BRICS die Weichen für das künftige Weltwährungssystem stellen würden.

Das erwartete neue Weltwährungssystem würde an die Stelle der seit dem 2. Weltkrieg bestehenden "Dollar-Hegemonie" treten und aus einem Block der Fiat-Währungen (d.h. ohne materielle Deckung z. B. durch Gold) der Industriestaaten sowie einem parallel dazu bestehenden System aus Währungen der Emerging Markets bestehen. Die EM-Währungen wären jedoch an "Sonderziehungsrechte" auf einen "neuen internationalen Fonds" gesichert und würden vermutlich über eine "materielle Deckung" verfügen – wobei es dem Autor zudem als unwahrscheinlich erscheint, dass die Konvertibilität zwischen den beiden Systeme lange aufrechterhalten werden könnte.

Nun mag diese Analyse zwar von der Hoffnung auf einen Crash der westlichen Fiat-Money-Systeme getragen sein, ihr Hintergrund - die schleichende Entmachtung der USA im IWF - ist jedoch eine Tatsache und Ursache des anhaltenden Streits im IWF, dessen Mitgliedsregierungen sich schon 2010 auf Reformen geeinigt hatten. Demnach sollten die Quoten (bzw. das Grundkapital), von denen u. a. die Stimmrechte im und die Kreditkapazitäten des IWF abhängen, längst auf umgerechnet 737 Mrd. Dollar verdoppelt werden. Im Zuge der Kapitalerhöhung sollten rund sechs Prozent der Stimmrechte von den Industrieländern zu den Emerging Markets wandern.

Allerdings fehlt noch die Zustimmung der Republikaner im US-Kongress, die sich beharrlich weigern, das Budget für Washingtons Anteil an der von Präsident Obama zugesagten Kapitalaufstockung bereitzustellen. Dabei ändert sich durch die Reform ohnehin nichts an der formalen Macht der USA, die aktuell mit ihrer Quote von 42,1 Milliarden an "Sonderziehungsrechten" ("SDR", eine synthetische Währung des IWF, die sich aus den wichtigsten Reservewährung zusammensetzt) im Gegenwert von rund 65 Mrd. Dollar über 17,38 Prozent der Stimmrechte und somit über ein Vetorecht verfügt, da die wichtigen Entscheidungen des IWF mindestens 85 Prozent Zustimmung verlangen.

Obwohl mit 76,4 Prozent der Stimmrechte bereits mehr als drei Viertel der Staaten den Reformen zugestimmt haben (144 der 188 Mitgliedsstaaten), können sie ohne US-Zustimmung nicht umgesetzt werden, was vor allem die BRICS als Affront betrachten. So würde China dadurch nach den USA und Japan zum drittgrößten Mitgliedsland und Brasilien, Russland und Indien würden in die Top-10 vorstoßen. Das alles ginge zudem weniger zulasten der USA, sondern vor allem auf Kosten der Westeuropäer, die zusammen auf rund fünf Stimmrechtsprozent sowie auf zwei Sitze im IWF-Direktorium verzichten müssen und wohl auch auf ihren bisherigen informellen Anspruch auf den Geschäftsführenden Direktor (aktuell Christine Lagarde) nicht werden halten können. Die Quote Deutschlands verringert sich jedenfalls von 6,1 auf 5,6 Prozent, was den vierten Rang bedeutet, wobei Deutschland immerhin seinen Executive Director behält. Hingegen wird die Quote der USA sogar minimal auf 17,81 Prozent erhöht, wofür die USA insgesamt freilich fast 70 Milliarden Dollar in die Hand nehmen müssten. Insgesamt gehen die Stimmrechte der USA vereinbarungsgemäß nur minimal auf 16,48 Prozent zurück, wodurch die USA ihr bisheriges Vetorecht behalten.

G20 steht zu IWF und Weltbank – und droht den USA

Nachdem Russland anscheinend davon ausgeht, dass die Gasrechnung der Ukraine am ehesten vom IWF bezahlen werden sollte, betraf der einzige echte Misston im Communiqué der Frühjahrestagung dann auch die neuerlich Reformverweigerung seitens der USA. Hingegen stimmten die G20 "weiterhin" darin überein, dass "IWF und Weltbank die Institutionen bleiben, die (wie das Beispiel der Ukraine zeigt) am besten geeignet sind, Ländern bei der Bewältigung ökonomischer Herausforderungen mit Ratschlägen und katalytischen Finanzierungen beizustehen".

Jedoch äußerten sich die Minister und Notenbanker auch "zutiefst enttäuscht wegen der andauernden Verzögerung" und forderten, dass die USA, diese "so schnell wie möglich" ratifizieren. Und dann kam noch diese Drohung: "Sollte dies nicht bis Jahresende geschehen, werden wir den IWF auffordern, auf seine bestehende Arbeit aufzubauen und Optionen für weitere Schritte zu entwickeln." Nun haben die BRICS ebenso wie die Eurozonenstaaten zusammen auch jetzt schon jeweils mehr als doppelt so viele Stimmrechte wie die USA und zusammen eine Zweidrittel-Mehrheit. Bei einfacher erreichbaren Zustimmungsquoten als den bestehenden müssten sich die USA dann zumindest Verbündete suchen, um eine Blockade aufrecht zu erhalten.

Würden die IWF-Reformen aber ohne US-Zustimmung umgesetzt, wäre deren Rückzug aus dem IWF wohl kaum zu vermeiden und irgendjemand müsste den Kapitalanteil übernehmen, den die USA hätte tragen sollen. Das würde für Länder wie China und Russland zwar kein übergroßes Problem darstellen, nur würde es sich für die BRICS dann wohl eher anbieten, von vornherein einen eigenen, auf Entwicklungsländer fokussierten Fonds zu etablieren und sich nicht erst die Mühe zu machen, die USA aus dem IWF zu verdrängen. Klar ist wohl, dass je länger die Aufwertung der BRICS im IWF aufgeschoben wird, umso eher regional fokussierte IWF-Alternativen geschaffen werden.

Das würde allerdings am Internationalen Währungssystem ohnehin nicht viel ändern, da sich die globale "Dollar-Hegemonie" schon seit dem Untergang des Nachkriegs-Bretton-Woods-Systems nicht mehr auf allfällige Vorgaben des IWF oder sonstige verbindlich vereinbarte Regeln stützt, sondern nur noch auf allenfalls informellen Vereinbarungen, die rein aus den sich ergänzenden Interessenslagen der USA und anderen Staaten ergaben.

Tatsache ist, dass die USA nach dem Übergang vom rigiden Bretton Woods zum völlig unregulierten Fiat-Money-System ihre Papier-Dollars auch ohne institutionellen Zwang völlig unbeschwert exportieren konnten. Makroökonomisch stellt das nicht nur einen unverzinsten Kredit des Auslands an die USA dar (Studien errechnen eine dadurch verursachte relative Senkung der langfristigen Dollar-Zinsen um bis zu zwei Prozentpunkte), sondern durch die laufenden Dollar-Abwertungen müssen diese Kredite auch niemals voll zurückgezahlt werden. Diese von Charles de Gaulle schon in den 1960er Jahren als "exorbitant" qualifizierten Vorteile genießen die USA also weiter, obwohl die Bretton-Woods-Institutionen ihre formale Machtfülle, die sich bis dahin auch auf Überschussländer erstreckte, 1973 verloren hatten. So können Währungsfonds und Weltbank ihre Macht seither ausschließlich gegenüber Staaten ausspielen, die ihren Devisenbedarf anderswo nicht decken können.

Demgegenüber war den Mitgliedsländern in den Gründungsstatuten noch ein Anrecht (entsprechend der Kapitalbeteiligung) auf finanzielle Unterstützung eingeräumt worden, das die USA seit dem Ende der 1950er Jahre aber mit ihrem Vetorecht unterminiert hatten. Die USA hatten also darauf gedrängt, Notkredite an harte Bedingungen zu knüpfen, denen sich 1978 sogar IWF-Gründungsmitglied Großbritannien unterwerfen musste. Diese wirtschaftspolitische Entmündigung war freilich keine Werbung für den IWF, so dass bis zum Ausbruch der Eurozonenkrise kein westliches Industrieland diese Schmach mehr auf sich genommen hatte.

Das degradierte den IWF zum unverbindlichen Berater, der sich ab den 1980er Jahren zusammen mit der Federal Reserve jedoch zur ökonomistischen Speerspitze des Neoliberalismus entwickeln und seinen "Washington Consensus" fast 20 Jahre lang als international anerkannte Best-Practice etablieren konnte. Allerdings scheint mittlerweile zumindest in den ökonomischen Abteilungen des IWF etwas Vernunft eingezogen zu sein, wo man inzwischen immerhin den Trickle-down-economics abgeschworen und das Versagen in Griechenland eingestanden hat.

Diese Abkehr vom Neoliberalismus könnte indes damit zusammenhängen, dass die Macht des IWF über die Emerging Markets aus seiner Funktion als Krisenfeuerwehr in den letzten 20 Jahren wohl mindestens ebenso stark zurückgegangen ist, wie die Emerging Markets im IWF an Macht dazu gewonnen haben. Denn vor allem in Südostasien hatten sich viele Länder das abschreckende Beispiel der Russland/Asienkrise von 1998 zu Herzen genommen, als den von Zahlungsbilanzkrisen betroffenen "Emerging Markets" drakonische Bedingungen auferlegt wurden, die mit "nationaler Souveränität" kaum mehr vereinbar waren und vom australischen Finanzminister später als "dumm und kontraproduktiv" charakterisiert wurden.