Russland verschärft Kontrolle des Internet

Pavel Durov, Gründer und Chef des sozialen Netzwerks Vkontakte, ist aus seinem Posten gedrängt worden und aus Russland geflohen, ein neues Gesetz will Blogs und Websites wie Medien regulieren und deren Betreiber zur Registrierung zwingen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Anfang April wurde im russischen Parlament, der Duma, ein neuer Gesetzesvorschlag eingereicht, der darauf abzuzielen scheint, mit der noch verbliebenen freien Meinungsäußerung im russischen Internet Schluss zu machen. Putins "gesteuerte Demokratie" will nicht nur die Massenmedien steuern, sondern auch die letzten Enklaven der öffentlichen Diskurse.

Eingereicht haben den Gesetzesvorschlag neben dem nationalistischen Alexej Mitrofanow, der Vorsitzende des Ausschussses für Informationspolitik der Staatsduma von der Partei "Gerechtes Russland", zwei Abgeordnete der Liberal-Demokratischen Partei Russlands (LDPR), die jedoch trotz Namen stramm nationalistisch ist und mit Wladimir Schirinowski einen gerne für Provokationen sorgenden Parteivorsitzenden besitzt. Der Gesetzesvorschlag wurde in ein neues Antiterrorgesetz als Zusatz aufgenommen und am letzten Freitag von der Duma in der zweiten Lesung abgesegnet. Daher ist zu erwarten, dass das Gesetz Geltung erlangt, nach dem auch Blogs als Medien gelten und dementsprechend reguliert werden.

Des Weiteren sieht das Antiterrorgesetz vor, dass nicht nur Internetprovider, sondern auch Contentprovider, Suchmaschinen und alle, die den Austausch von Daten zwischen Nutzern organisieren, dem Inlandsgeheimdienst FSB einen Zugang zum gesamten Datenverkehr verschaffen müssen, um direkt an die Daten der Nutzer zu gelangen und diese identifizieren zu können. Ursprünglich war eine Vorratsdatenspeicherung von sechs Monaten geplant, darauf wurde aber in der zweiten Lesung verzichtet, um Geld zu sparen. Das ist allerdings nur eine Erweiterung des bereits bestehenden Lauschprogramms SORM. Auch schon zuvor konnten Internetprovider verpflichtet werden, eine SORM-Schnittstelle einzurichten. Der FSB benötigt keine richterliche Anordnung, er muss auch dem Provider auch nicht mitteilen, wer warum abgehört wird.

Kürzlich hatte Putin auf die Frage Snowdens, ob in Russland ebenfalls massenhaft abgehört werde wie in den USA, geantwortet, dass in Russland die Geheimdienste streng vom Staat und der Gesellschaft kontrolliert und ihre Maßnahmen strikt vom Gesetz reguliert seien. Sie bräuchten stets eine richterliche Genehmigung. Daher gebe es keine Massenüberwachung, überdies hätten die Geheimdienste gar nicht die technischen und finanziellen Mittel dafür,

Als Blogger werden alle Internetnutzer bezeichnet, auf deren Seiten im Web oder in sozialen Netzwerken täglich mehr als 3000 Besucher kommen. Damit sollen mithin alle Veröffentlichungen erfasst werden, die eine gewisse Öffentlichkeit erreichen. Offenbar sollen alle Internetnutzer, die Informationen veröffentlichen wollen, dazu gezwungen werden, sich bei der Telekommunikations- und Medienkontrollbehörde Roskomnadzor mit ihrem Namen und persönlichen Daten zu registrieren. Verstöße werden mit Bußgeldern für natürliche Personen zwischen 100 und 200 Euro und für juristische Personen zwischen 200 und 1 000 Euro . Wer wiederholt gegen die Vorschriften verstößt, muss mit einer Strafe bis zu 10 000 Euro oder mit einer Sperrung des Blogs für 30 Tage rechnen.

Die Behörde will ein Programm entwickeln, um die Zahl der Besucher der Seiten zu erfassen. Wer dann über 3000 Besucher verzeichnet, wird als Medium registriert und mit presserechtlichen Auflagen behandelt. So muss wahrheitsgemäß berichtet werden, es gelten die Regeln für die Berichterstattung beim Wahlkampf, es dürfen keine Informationen über das Privatleben von anderen Personen und extremistische Inhalte veröffentlicht werden, es muss eine Altersangabe gemacht werden. Versprochen wird, um anscheinend die Kontrolle etwas schmackhafter zu machen, dass die "Blogger" dann auch mit Werbung Geld verdienen könnten. Je nach Zahl der Besucher würde es dann "Blogger", "Superblogger" und "Starblogger" geben, so Alexej Mitrofanow. Die Registrierung mit Namen und Adresse vereinfacht den Sicherheitsbehörden den Zugriff, auch schon jetzt werden Websites, Blogs und Profil in sozialen Netzwerken verboten, wenn deren Inhalte politisch nicht gefallen. Die Regelungen klingen bislang sehr vage, wahrscheinlich ist dies auch so angelegt, um der Willkür Tür und Tor zu öffnen.

Säuberung des Internet auch von unbequemen Personen

Auch schon ohne das geplante Gesetz greift die russische Regierung hart durch. Pavel Durov, der Gründer von Vkontakte, dem größten russischen sozialen Netzwerk, ist gestern aus dem Land geflohen, nachdem er gezwungen wurde, seinen Chefposten bei der Firma niederzulegen. Zuvor wollte er schon freiwillig zurücktreten, nachdem seine Handlungsfähigkeit seit letztem Jahr begrenzt sei, weil durch einen Deal Usmanov (Mail.ru) zusammen mit seinem Partner Ivan Tavrin 52 Prozent der Aktien übernommen hatte, die restlichen 48 Prozent hält Fonds United Capital Partners (UCP). Nach ein paar Tagen hatte er die Entscheidung aber wieder zurückgenommen, weil er sich nicht aus der Verantwortung stehlen wolle. Aber seine Person war nicht mehr erwünscht, man gibt aber vor, dass er die Frist schon überschritten hatte, in der ein Rücktritt von der Kündigung noch möglich gewesen wäre. UCP soll aber mit der Entlassung nicht einverstanden sein.

Nach Durov würde das in Russland populäre Netzwerk, Facebook vergleichbar, nun ganz unter der Kontrolle des mit dem Kreml verbundenen Konzerns Rosneft-Chefs Igor Sechin und dem Oligarchen Alisher Usmanov stehen. Das sei wahrscheinlich unvermeidlich gewesen, immerhin habe es 7,5 Jahre gedauert.

Durov stand schon länger in Ungnade, weil er sich weigerte, Daten von Nutzern herauszugeben oder Profile wie das des Bloggers Navalny zu schließen. Als er sich auch weigerte, Daten von Nutzern aus den Kreisen des Euromaidan in Ukraine dem Geheimdienst zu übergeben und Seiten zu schließen, wie er auf seiner Seite anhand eines Schreibens des FSB von Ende Dezember dokumentiert, wollte man dies offenbar nicht mehr länger dulden. Angeblich hatte er auf Druck des Inlandsgeheimdienstes im März seine Aktien (12 Prozent) Mail.ru Group verkaufen müssen, das damit über einen Anteil von 52 Prozent der Aktien verfügt, während Durov gar nichts mehr zu sagen hatte.

Für Durov ist, wie er sagt, die freie Verbreitung von Informationen ein Prinzip und ein unveräußerliches Recht. Vkontakte könne nicht mit Zensur betrieben werden. Die russischen Behörden seien nicht für Ukrainer zuständig. Mit der Weitergabe persönlicher Daten von Ukrainern würde er nicht nur gegen das Gesetz verstoßen, sondern auch Millionen von Ukrainern verraten, die Vkontakte vertraut haben.

Das Vorgehen gegen Durov macht ebenso klar wie das neue Gesetz, dass die russische Regierung das Internet schärfer kontrollieren will. In russischen Medien wird davon gesprochen, dass auch das Management von russischen Internetfirmen "gesäubert" werden soll, um den Zugriff ausbauen zu können.

Man könnte es als Ironie der Geschichte sehen, dass Durov aus Russland in die USA geflohen ist, während Edward Snowden vor dem Zugriff der USA Schutz in Russland gefunden hat.