Prophezeiung von Google und CIA über Ukraine-Krise hat sich nicht bestätigt

Die Firma Recorded Future, Teilhaber ist die CIA, wertet Twitter-Accounts aus und sagte Ausweitung des Konflikts vorher

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Mittlerweile gibt es nicht nur diverse Forschungsprogramme zur Nutzbarmachung von Twitter für die Vorhersage politischer Ereignisse. Das Software-Unternehmen Recorded Future verspricht derartige Prophezeiungen gegen Geld.

Hierfür können bei Recorded Future bestimmte kommerzielle Dienste gebucht werden. Mitunter veröffentlicht die Firma aber auch "Erkenntnisse" seiner "Echtzeitüberwachung des Internets" auf einem Blog ("Our Temporal Analytics Engine analyzes human-authored text at a massive scale").

Anfang April hieß es dort, die Krise in der Ukraine würde sich ab dem 28. April bedeutend zuspitzen und auf den Westen ausweiten. Das Unternehmen zeigte zum Beleg eine Grafik, ohne dass klar würde, wie die dort festgestellten Ereignisse zustande gekommen sind.

Allein auf Algorithmen kann das Orakel nicht beruhen: Recorded Future bezieht sich auch auf den ukrainischen Abgeordneten Moskal, der auf Facebook vor eintausend vom russischen Geheimdienst geschickte Personen gewarnt hatte. Diese würden sich an Neonazi-Protesten beteiligen, was dann zu weiteren Eskalationen und einem möglichen Einmarsch russischer Truppen führen könnte. Tatsächlich ist der 28. April der Gründungstag der SS-Freiwilligen-Division "Galizien", die im 2. Weltkrieg an der Ostfront aktiv war.

Der Abgeordnete verzichtet aber darauf, Quellen für seine Behauptung zu nennen. Trotzdem beruft sich Recorded Future darauf. Ein Grund mag daran liegen, dass mit der Central Intelligence Agency (CIA) ein Geheimdienst Teilhaber der Firma geworden ist. Und der dürfte sicher über eine ganz eigene Agenda im Ukraine-Konflikt verfügen. Dennoch ist die Krise in der Westukraine bislang nicht eingetreten.

Recorded Future beobachtet zehntausende Twitteraccounts, aber auch Websites und Blogs auf der Suche nach "unsichtbaren" Zusammenhängen. Vermutlich greift das Unternehmen auch auf weitere Datenbanken zurück, darunter die Plattform "Global Data on Events, Location and Tone" (GDELT). Hierunter verbirgt sich ein Projekt des Informatikers Kalev Leetaru, der angeblich Millionen Einträge zu Aufständen, Protesten und Friedensinitiativen gesammelt haben will. Sein Ziel ist die Identifizierung von verborgenen Zusammenhängen und "Bedrohungen".

Die CIA ist über die mit ihr verbundene Firma In-Q-Tel (Im Dienste eines strategischen Investors) in Recorded Future eingestiegen. Zu Recorded Future gehören nach Selbstdarstellung aber auch "Analysten", die aus einer Reihe von "aufklärerischen Hintergründen" ("intelligence backgrounds") kämen, darunter Krisenreaktion, Verteidigung oder Soziale Medien.

Zusammen mit Google werden rund eine halbe Million öffentliche Internetquellen ausgewertet. Die Ausbeutung derartiger Nachrichten ist eine Sache der Geheimdienste (Open Source Center) und firmiert als "Open Source Intelligence" (OSINT). Im Zeitalter der Metadaten ist das eine bequeme Sache, denn über die Nachrichten, damit konnotierte Ereignisse oder an der Kommunikation beteiligte Accounts können Profile erstellt werden. Auch das deutsche Bundeskriminalamt interessiert sich für derartige Anwendungen (Rasterfahndung im Internet - Der permanente Blick in die Glaskugel).