Putin kritisiert Militärbeobachter

Der Auftrag der Militärbeobachter bleibt weiter unklar, auch die zivile OSZE-Mission berichtet aus der Ostukraine, u.a. vom Rechten Sektor. Auf dem Maidan gab es gestern ein Gerangel zwischen Maidan-Aktivisten und Anhängern des Rechten Sektors

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Manche Kremologen gehen davon aus, dass die in Slawjansk festgehaltenen Militärbeobachter, deren genauer Auftrag noch immer unbekannt ist, noch heute freigelassen werden. Gestern hatte der als Bürgermeister fungierende Ponomarjow eine baldige Freilassung in Aussicht gestellt. Und weil dann gestern Abend Putin während einer Pressekonferenz die Hoffnung geäußert hatte, dass die Geiseln die Region ungehindert verlassen können, galt das etwa für ZDF-Korrespondentin Anne Gellinek in Moskau bereits als Hinweis, dass Putin etwas eingefädelt hat. Unterstellt wird dabei, dass es einen direkten Draht vom Kreml zu den Aufständischen gibt, die sich auch fernsteuern lassen.

Putin hatte allerdings, was zumindest aus der Abschrift seiner Äußerungen hervorgeht, keine konkreten Ankündigungen gemacht. Er hatte lediglich davon berichtet, sich mit Altbundeskanzler Schröder in Sankt Petersburg privat getroffen zu haben, was in Deutschland zu einem großen Aufschrei und viel Kritik an Putin-Freund und Gazprom-Schröder geführt hat. Schröder habe ihm seine Sorgen berichtet, da sich auch ein deutscher Bürger unter den Gefangenen befindet (insgesamt sind vier Deutsche als "Gäste" gefangen). Putin sagte, er verstehe die Sorgen "unserer Partner" in Europa: "Ich hoffe, dieser Konflikt wird gelöst und dass diese Menschen die Region ungehindert verlassen können."

Dann verwies er noch einmal darauf, dass jeder aus dem Vorfall die erforderlichen Konsequenzen ziehen müsse, um eine Wiederholung zu vermeiden. Er vermied auch hier jede direkte Forderung an die Aufständischen, die Militärbeobachter freizulassen, sondern sagte nur, es gebe "überhaupt nichts Gutes" an ihrer Gefangennahme und Inhaftierung. Wichtiger war ihm, die ukrainische Regierung zu kritisieren, die die Militärbeobachter eingeladen hat, aber auch diese selbst. Als "erfahrene" Menschen hätten sie wissen müssen, "dass sie in eine Konfliktzone einreisen, in der die Legitimität der gegenwärtigen Regierung in Kiew nicht anerkannt wird". Sie hätten erst einmal eine Abmachung mit den Aufständischen machen sollen, die in diesen Regionen an der Macht sind: "Sie haben das nicht gemacht und landeten schließlich in der Situation, die wir jetzt sehen."

Das könnte man nur als Kritik, aber vielleicht auch als Warnung für weitere Beobachtermissionen verstehen. Sollten die Präsidentschaftswahlen am 25. Mai durchgeführt werden können, so sollten auch diese von einer OSZE-Mission kontrolliert werden. Ob Wahlen allerdings überhaupt in der Ost- und Südukraine durchgeführt werden können und wie die Sicherheit der Beobachter garantiert werden könnte, ist fraglich. Ohne die Durchführung der Wahl und einer Verfassungsreform wäre die demokratische Legitimität der Regierung in Kiew angesichts der Ablehnung in der Ostukraine aber kaum mehr zu begründen. Ins Spiel gebracht hat die Interimsregierung nun auch die Möglichkeit eines landesweiten Referendums zum Termin der Stichwahl im Juni. Der Fraktionsführer der Timoschenko-Vaterlandspartei Serhiy Sobolev, der sich für ein solches Referendum stark machte, ließ jedoch auch durchblicken, dass es bei einer Farce bleiben soll, weil der Zentralstaat erhalten bleiben soll. Er schlug als Frage vor, über die abgestimmt werden soll: "Sind Sie für ein einziges unitarisches Land mit der Ausweitung der Befugnisse der lokalen Regierungen?"

Tatsächlich ist seltsam, dass die von der Regierung in Kiew eingeladenen Militärbeobachter, von denen Moskau wusste, deren Einsatz man aber nicht wie dem der zivilen OSZE-Beobachtermission zugestimmt hatte, ausgerechnet nach Beginn der "Antiterroroperation" in das vom ukrainischen Militär eingeschlossene Slawjansk mitsamt den begleitenden ukrainischen Offizieren einfahren wollte, ohne vorher die Lage zu klären. Dass dies zu einer kritischen Situation kommen könnte, hätte unter diesen Umständen den Beteiligten und der ukrainischen Regierung klar sein müssen. Dass weiterhin der genaue Auftrag nicht von Kiew oder der Bundeswehr bzw. dem Verteidigungsministerium gegenüber der Öffentlichkeit geklärt wurde, fördert das Misstrauen, obgleich Verifikationsmissionen nach dem Wiener Dokument von 2011 doch eigentlich der "Transparenz und Vertrauensbildung" dienen sollen (Statement der Verteidigungsministerin von der Leyen.

Noch unverständlicher ist dies, weil die zivile Beobachtermission ja gleichfalls vor Ort ist und aus der Ostukraine berichtet. Der letzte Bericht wurde allerdings gestern für den 28. April veröffentlicht. Als besonders angespannt wird die Lage in Lugansk und Donetsk geschildert, wo es gestern ja auch zu neuen Besetzungen gekommen ist. Explizit erwähnt wird, dass man für Charkow, Lugansk und Donetsk "besondere Sicherheitsmaßnahmen" ergriffen habe. In Kiew sowie in der West- und Zentralukraine gehe es ruhig zu. In Dnipropetrowsk sei es auch ruhig.

Am 28. April wurde in dem Bericht erwähnt, dass die Zentrale des Rechten Sektors in die Stadt verlegt worden sei. Dort habe man mit dem regionalen stellvertretenden Chef der Gruppe gesprochen, der erzählt habe, man habe die Zentrale deswegen aus Kiew in die ostukrainische Stadt verlagert, weil man von hier aus schneller und besser den ukrainischen Truppen helfen könne, "mögliche Angriffe von bewaffneten Gegner der Zentralregierung zurückzuschlagen". Mittlerweile seien 300 Aktivisten des Rechten Sektors in der Stadt. Offenbar findet die OSZE-Beobachtungsmission an der Miliz der rechtsextremen Nationalisten nichts Bemerkenswertes, allerdings besteht die Aufgabe auch darin, lediglich sachlich zu beschreiben, was der Stand der Dinge ist.

Dmitri Jarosch, der Chef des Rechten Sektors, der die Verlegung der Zentrale schon vor einigen Tagen angekündigt hatte, sprach davon, dass sich bereits Tausende gemeldet hätten, um ein erstes Bataillon für den Kampf gegen Separatisten und russische Angreifer aufzustellen. Überdies forderte er, die gesamte Bevölkerung zu bewaffnen (Sollten die Militärbeobachter provozieren?). Obgleich es bereits zu Schießereien gekommen ist und die Zentrale des Rechten Sektors aus einem Hotel an den Stadtrand verlegt werden musste (Regierung geht gegen Rechten Sektor vor), weswegen vermutlich Dnipropetrowsk auch zum neuen Standort gekürt wurde, bleibt die Frage, ob die ukrainische Regierung in Kiew die bewaffneten Gruppen des Rechten Sektors nur duldet oder sie als legal anerkennt, schließlich fordert dieser die Regierung zum Rücktritt wegen Inaktivität auf (Der Rechte Sektor will in den Kampf ziehen). Zwar hatte das Parlament beschlossen, dass alle illegalen Waffen abgegeben werden müssen, aber daran hält sich ganz offenbar niemand in der West- und Ostukraine (Rechter Sektor will die Waffen nicht abgeben).

Gestern Nacht kam es zu einer Demonstration auf dem Maidan. Sie sollte offenbar von den Selbstverteidigungskräften des Maidan, die sich im Zwist mit dem Rechten Sektor befinden, verhindert werden, die Demonstranten, die mit Fackeln und faschistischen Fahnen auftauchten, ließen sich aber nicht abhalten. Es kam zu Gerangel, es sollen auch Schüsse gehört worden sein. Unterstellt wurde schon von Maidan-Aktivisten, dass es sich um eine Provokation von prorussischen Sympathisanten handeln könne ("It looked really strange to run around #Euromaidan, displaying neo-nazi flag.No doubt, HOT video is under preparation by #russian media|EMPR"). Vermutlich waren es aber Anhänger der rechten Patrioty Ukrayiny oder von UNA-UNSO, beide Mitglieder des Rechten Sektors. Auf der Facebook-Seite des Rechten Sektors werden allerdings nur Bilder des Umzugs ohne Kommentar veröffentlicht, aber daraus lässt sich schließen, dass die Aktion aus diesem Hintergrund kommt.