Bundesregierung will sich vom NSA-Untersuchungsausschuss nicht in die Karten schauen lassen

Es müsse der "Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung" geschützt werden, Sensburg, der Vorsitzende des Ausschuss schlägt schon mal als Ausweg vor, doch lieber Greenwald als Snowden zu befragen

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Die Bundesregierung hat schon diensteifrig vor dem Besuch der Kanzlerin in Washington eine Stellungnahme für den NSA-Untersuchungsausschuss an Medien durchsickern lassen, um deutlich zu machen, dass sie zum Schutz des Staatswohls - aber nicht der Grundrechte der Menschen - gegen eine Einvernehmung von Edward Snowden in Deutschland ist (Bundesregierung kuscht vor den USA). US-Präsident pries Merkel dann zwar als seine Freundin, als eine der engsten Partnerinnen und besten Freundinnen, sonst gab es aber keine Zugeständnisse bis auf nette Worte und die mögliche Etablierung eines unverbindlichen Gesprächskreises namens Cyberdialog.

Merkel wies zwar auf Differenzen hin ("a few difficulties yet to overcome"), zeigte sich aber ansonsten in allem bereit, der US-Regierung zu folgen, was die Ukraine-Politik betrifft, die die USA berechnend auf Eskalation trimmt, um die transatlantische Einheit und die von den USA dominierte Nato zu stärken, um die Freihandelszone durchzusetzen und damit auch die Abhängigkeit Deutschlands (und Teilen der EU) vom russischen Gas und Öl zu einer Exportchance für amerikanisches Schiefergas zu machen. Auch hier willigte Merkel ein. Das No-Spy-Abkommen war vorher bereits beerdigt gewesen.

Gerade erst hatte der Spiegel darauf aufmerksam gemacht, dass die Bundesregierung auch eine US-Kanzlei für ein Rechtsgutachten über die Folgen einer Befragung von Snowden beauftragt. Das hat selbst auch in den Reihen der Union und der SPD Unmut erregt, zumal die Anwälte deutlich den Mitglieder des Untersuchungsausschusses drohten, dass selbst eine Befragung, die nicht in Deutschland stattfindet, als "kriminelle Verabredung" gewertet werden könnte (US-Kanzlei: Befragung Snowdens ist "kriminelle Verabredung")

Der Spiegel hat schon wieder ein Indiz ausgegraben, das zeigt, dass der Bundesregierung bzw. deren Chefin kaum etwas an der Aufklärung liegt. Ein "hochrangiger Regierungsbeamter" hat dem Spiegel zuflüstert, dass der Untersuchungsausschuss in die Akten über die Verhandlungen zum No-Spy-Abkommen keinen großen Einblick haben wird. Das ist ja auch nur die Vertretung des Parlaments und die Repräsentanz der Bürger, die schwierigen Dinge entscheiden dann doch lieber die Spitzen der Regierung, die sich auch nicht in die Karten schauen lassen wollen. So könnte man auch eine gelenkte Demokratie am Werke sehen, die man aber lieber beim neuen, alten Feind im Moskau wähnt. Als Grund für die Intransparenz wird genannt, dass es sich um ein "laufendes Verfahren" handele. Zudem werde hier der "Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung" berührt, der verfassungsrechtlich geschützt sei. Vom Kernbereich der informationellen Selbstbestimmung ist nicht die Rede, die mit der Nicht-Durchsetzung des No-Spy-Abkommens weiter willentlich verletzt wird. Und laufend kann man das Verfahren auch nur ironisch nennen, wenn es doch schon von Seiten der USA eingestellt ist.

Martina Renner, Mitglied des Untersuchungsausschusses für die Linkspartei, kommentiert: "BReg will Unterlagen zu No-Spy-Abkommen vor #NSA-PUA geheim halten. Was stand da wohl drin? "Do what you want"?" Konstantin von Notz, Obmann der Grünen, erklärt "Bundesregierung weigert sich #PUA wichtige Akten zugeben. Sabotage der Aufklärung des Parlaments geht weiter."

Der Bundesregierung schließt sich der Verfassungsschutz bereitwillig an. Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen machte gegenüber dem Tagesspiegel schon mal klar, dass es "Grenzen der Offenheit" gegenüber dem NSA-Untersuchungsausschuss, was etwa die Zusammenarbeit mit den amerikanischen Geheimdiensten betrifft. Dabei geht es natürlich nicht um den Verfassungsschutz, sondern um "die Sicherheit Deutschlands", die nicht in den Händen des vom Volk gewählten Parlaments liegt, sondern bei den Beamten des Verfassungsschutzes. Maaßen machte auch gleich klar, dass Snowden ein "Täter" sei und der NSA "großen Schaden" zugefügt habe.

Ganz kuschen wollen die Abgeordneten nicht. Selbst Erika Steinbach (CDU) tritt für eine Vernehmung Snowdens in Deutschland ein, dann solle man aber das Auslieferungsabkommen mit den USA "korrekt" erfüllen. Auch so ließe sich Snowden abschrecken.

Christian Flisek, Obmann der SPD, gibt sich mutig und sagt, "theoretisch-abstrakte Einschätzungen US-amerikanischer Anwaltskanzleien" könnten die Arbeit des Untersuchungsausschusses nicht behindern. Und er erklärt: "Ich persönlich halte es nach wie vor für rechtlich möglich, dass Edward Snowden auch in Berlin vom Ausschuss befragt werden kann. Fest steht, dass wir ihn als Zeugen im Interesse zügiger Aufklärung möglichst bald befragen müssen. Daher werden wir schon am Donnerstag im Ausschuss konkrete Beschlüsse zum weiteren Verfahren fassen." Das dürfte bestenfalls auf eine Befragung via Videokonferenz hinauslaufen, was auch eher die Option der Unionsabgeordneten ist, um Ärger zu vermeiden.

Der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg (CDU) gibt sich im Interview mit dem Deutschlandfunk entrüstet über das angeforderte Gutachten von der US-Kanzlei:

Also, dieser Teil des Gutachtens, der regt nicht nur die Opposition auf. Ich glaube, da sind wir alle einer Meinung, das kann es nicht sein. Es geht um die Ermittlung von Straftaten zulasten der Bundesrepublik Deutschland, zulasten der Bürgerinnen und Bürger. Und da haben wir einen Auftrag, dem werden wir auch nachkommen, und der hält uns auch nicht davon ab, dass eine Kanzlei aus den USA meint, dabei würde man sich strafbar machen. Das sehen wir anders.

Sensburg schlägt aber schon den besseren regierungskonformen Trick vor, um ja die amerikanischen Freunde, die so gerne zuhören, nicht zu verärgern. Snowden bringe ja vielleicht nichts an neuen Erkenntnissen, weiß er, man könne ihn zwar via Videokonferenz befragen, besser wäre aber doch, den Journalisten Glenn Greenwald einzuladen, der doch alle Dokumente besitze: "Das wäre doch ein großer Wurf." Eine mögliche Videokonferenz mit Snowden müsse "mit einer sicheren Datenleitung" vonstatten gehen, meinte Sensburg. Jürgen Zurheide vom Deutschlandfunk griff dann zwar leider nicht diesen Punkt auf, um nachzufragen, wie wir die Kommunikation "vor dem vermeintlichen Freund USA" schützen sollen, aber er stellte die Frage allgemein. Sensburg zog es vor, der Frage nach den USA auszuweichen und antwortete lieber unverbindlicher:

Nein, wie schützen wir uns vor Datenangriffen jedweder Seite? Nicht nur von den USA, von anderen Ländern wie zum Beispiel China, Russland, Korea, Großbritannien, aber wie schützen wir uns auch vor Datenangriffen zum Beispiel von Privaten, die gegen Geld illegal Daten abschöpfen zum Beispiel von mittelständischen Betrieben?