Wochenendblues bei Menschen mit hoher Ausbildung

Bei Menschen mit geringerer Ausbildung lassen sich während der Woche keine Unterschiede in der Lebenszufriedenheit erkennen, sie ist bei diesen aber generell niedriger

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Viele werden den Sonntagsblues kennen, das Gefühl der Langeweile während des trägen Wochenendes, das früher schon ab Samstagmittag eintreten konnte. Als Kind konnten Sonntage mit Familie und Spaziergang grauenhaft sein, aber ein leichtes depressives Gefühl kann sich auch im Erwachsenenleben noch einschleichen. Ökonomen der Universität Hamburg sind der "Sonntagsneurose", wie sie dies nennen, im Kontext der Forschung über zeitabhängige Rhythmen des Glücks oder Wohlbefindens einmal nachgegangen. Vor allem Männer mit hohem Bildungsstand könne sogar eine "Wochenendneurose" überfallen, so das Ergebnis.

Für die Studie, die der Ökonom Wolfgang Maennig mit Malte Steenbeck und Markus Wilhelm durchgeführt hat, haben die Wissenschaftler Daten des sozio-ekonomischen Panels (SOEP) ausgewertet. Seit 30 Jahren werden im Auftrag des DIW Berlin jedes Jahr in Deutschland über 20.000 Personen über Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung oder Gesundheit befragt.

Bislang seien, so die Wissenschaftler, bei der wirtschaftswissenschaftlichen Analyse der Lebenszufriedenheit zeitliche Aspekte weitgehend unberücksichtigt geblieben. Es gibt aber einzelne Studie, die auf Schwankungen während der Woche hinweisen. Britische Wissenschaftler haben einen Monday Blues ausgewiesen. Um Faktoren des durch SOEP erkennbaren Wochenendverstimmung auf den Grund zu gehen, wurden Daten von 1994 bis 2010 ausgewertet. Die Zufallsauswahl betraf über 250.000 Beobachtungen von mehr als 34.000 Personen.

An Wochenenden verspüren nach ihren Angaben Frauen und Männer mit einer mittleren und höheren Ausbildung eine geringere Lebenszufriedenheit, bei Frauen mit mittlerer Bildung ist eher der Samstag der Tiefpunkt, bei denen mit hoher Bildung der Sonntag. Allgemein müsse man im Hinblick auf die mittel und höher Gebildeten eher von einer Wochenendneurose als von einer Sonntagsneurose sprechen.

Bei Personen mit einer geringen Ausbildung lässt sich hingegen keine Sonntagsneurose feststellen, da ist die Freude offenbar hoch, nicht arbeiten zu müssen. Bei Letzteren schwankt die Zufriedenheit während des Monats deutlicher, bei den Mittel- und Hochgebildeten bleibt sie eher konstant, wobei bei gering Gebildeten gegen Monatsende ein leichter Rückgang konstatiert werden kann. Wenn das Haushaltseinkommen hier über dem Durschnitt lag, kompensiert dies den Rückgang der Lebenszufriedenheit am Ende des Monats, so die Ökonomen, die bei den Männern mit geringer Bildung überhaupt einen signifikanten Einfluss des Einkommens im monatlichen Verlauf feststellen.

Der Analyse lagen nur die Daten jeweils von Januar bis September zugrunde, weil in den anderen Monaten kaum Befragungen durchgeführt wurden. Danach lässt für die Lebenszufriedenheit von Januar bis September bei Frauen aller Bildungsschichten eine zunehmende Lebenszufriedenheit beobachten (die aber dann zum Jahresende, also zum Beginn des Winters, einbrechen müsste), bei den Männern ist dies nur bei den mittel und höher Gebildeten der Fall.

Leider interpretieren die Ökonomen die Ergebnisse nicht, liefern also keine Vermutungen über die Abhängigkeit der Lebenszufriedenheit vom zeitlichen Verlauf. Bestätigt wird auch hier, dass mit steigender Bildung - und steigendem Einkommen - auch die Lebenszufriedenheit steigt.

Bei den Männern mit einer hohen Ausbildung liegt die Lebenszufriedenheit auf der Skala zwischen 0 (total unzufrieden) und 10 (total zufrieden) immerhin bei 7,2, am glücklichsten sind sie am Montag (wenn die normale Arbeit wieder beginnt?). Sie sinkt am Samstag auf 7,1 und am Sonntag auf knapp 7, aber die Wochenendtiefstimmung ist immer noch viel besser als die Lebenszufriedenheit bei den wenig Ausgebildeten, die um 6,8 schwankt. Bei Männern mit mittlerer Bildung liegt die Lebenszufriedenheit während der Woche mit knapp unter 6,9 nur geringfügig höher, fällt am Samstag auf 6,8 und am Sonntag gar auf 6,7 Punkte.

Bei Frauen mit hoher Ausbildung verläuft die Zufriedenheit praktisch gleich wie bei den Männern, die mittel gebildeten Frauen sind mit etwa 7 Punkten auf der Skala während der Woche zufriedener als die Männer mit dem gleichen Bildungsstand und rutschen auch am Wochenende nur etwas unter 6,9. Die Frauen mit geringer Ausbildung sind allgemein etwas unzufriedener als die Männer derselben Bildungsschicht und am Wochenende am unglücklichsten, nämlich unter 6,7 Punkten auf der Skala.

Warum gibt es also die "Wochenendneurose" am stärksten bei den Menschen mit hoher Ausbildung? Weil am Montag der Stress droht und man kaum abschalten kann? Wohl eher nicht. Die Besserqualifizierten haben insgesamt (Führungs-)Jobs, die zufriedener machen, also eine Arbeit, der man auch lieber nachgeht als einer anspruchslosen, aber anstrengenden und schlecht bezahlten Arbeit. Der dpa sagte Maennig, dass die Hochausgebildeten vielleicht lieber auch am Wochenende arbeiten würden, als zu viel Zeit mit der Familie zu verbringen. Freizeit könne für sie belastend sein, wenn sie nichts tun können. Wie auch immer, jammern brauchen sie nicht, geht es ihnen doch noch immer besser als weniger gut Ausgebildeten.

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