Netanjahu fordert stärkeren rechtlichen Status für jüdische Bevölkerung Israels

Neues Grundgesetz soll den Aspekt Israels als Nation der Juden mehr betonen

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Der israelische Ministerpräsident will Israel stärker als jüdischen Staat festlegen. Pläne zu einer entsprechenden Änderung der Grundgesetze des Staates Israel waren bereits letzte Woche bekannt geworden. Gestern äußerte er sie gegenüber seinem Kabinett: "Israel verleiht allen seinen Bürgern gleiche Rechte, aber es ist der Nationalstaat eines Volkes - des jüdischen Volkes - und keines anderen. Um den Status Israels als Nationalstaat des jüdischen Volkes zu verstärken, will ich den Anstoß geben für die Formulierung eines Grundgesetzes, das diesen Status verankert."

Nach Aufassung Netanjahus tragen die bisherigen Grundrechte dem Status Israels als jüdischer Staat nicht genügend Rechnung. Das zeige sich auch daran, dass die nationalen Symbole, die Flagge, die Nationlahymne, die Sprache "und andere Komponenten unserer Nation ständig und stärker von Außerhalb angegriffen werden - und sogar zu Hause".

Das Recht der Juden auf den Staat Israel soll rechtlich definiert und verstärkt werden, ohne dass individuelle Rechte eines israelischen Bürgers verletzt werden, betonte Netanjahu.

So misstrauisch Netanjahu gegenüber allen politischen Manövern ist, die Israels Sicherheit gefährden könnten und so sehr er die Bedrohung des Staates herausstellt, so groß ist auch das Misstrauen gegenüber seinen politischen Manövern. Es ist klar, worauf er anspielt: auf die Rechte der arabischen Israelis, bei denen es nach Aussagen der arabischen Staatsbürger und Beobachtungen von Landeskennern ohnehin nicht zum Besten steht. De facto werden sie demnach häufig als Bürger zweiter Klasse behandelt. Gerichte mussten öfter eingreifen, um deren Rechte zu sichern.

Erlaubnis für neue Landnahmen

Entsprechend weist die liberale israelische Zeitung Ha'aretz darauf hin, dass ein neues Grundgesetz nach Vorstellungen Netanjahus nicht nur auf einer abstrakteren Ebene die in der Rechtssprechung verankerte Gleichberechtigung gefährden würde, was brisant genug ist, sondern dies auch ganz konkrete nachteilige Auswirkungen hätte.

Tatsächlich stellt dieses Gesetz eine Grundlage, um zwischen israelischen Bürgern zu unterscheiden, um die Bürgerrechte der arabischen Staatsbürger zu verletzen und um Land zu vereinnahmen, indem man gegen Rechte der Bewohner verstößt.

Kritik wurde vor allem von linksstehenden Parteien der Knesset laut. Auch Justizministerin Zipi Livni äußerte Widerstand. Sie werde dafür eintreten, dass die "demokratischen Werte Israels auf keinen Fall geschwächt und jüdischen Werten unterstellt werden". Sie habe sich solchen Versuchen schon immer entgegengestellt und werde es auch diesmal tun.

Nationaler Rechtskurs

Die Diskussion über den Status Israels - inwieweit er den Charakter als Staat der Juden akzentuieren soll, aber als demokratischer Staat auch dazu verpflichtet ist, allen Bürgern gleiche Rechte zu garantieren - ist seit Israels Gründung Gegenstand einer fortwährenden Debatte. Kritiker der Bestrebungen, Israel stärker als Nation der Juden hervorzuheben - ein Kurs, den die Regierungen unter Ministerpräsident Netanjahu seit Jahren einschlagen - verweisen in diesem Zusammenhang auf den Maßstab, den bereits Theodor Herzl und die Staatsgründer angelegt haben, dass nämlich "allen Einwohnern Israels gleiche Rechte zugestanden werden", dass also das demokratische Element wesentlich für den Staat ist.

Wie die Grundgesetzänderung konkret formuliert werden soll, ist noch nicht bekannt. Netanjahu hat sein Projekt, dessen Auswirkungen auf die Rechtssprechung unabschätzbar sind, aber beträchtlich sein könnten, noch nicht präzisiert. Das Projekt ist einerseits vage, anderseits reagiert es sehr präzise auf die jüngsten Entwicklungen im Verhältnis zwischen Israels derzeitiger Regierung und den Palästinensern.

Neue Abfuhr für die Palästinenser

Just in dem Moment, als es danach aussieht, dass sich Hamas und Fatah einigen und die Hamas sich der Erklärung Abbas anschließt, den Staat Israel (in den Grenzen von 1967) anzuerkennen, erhöht Netanjahu genau dort die Anforderungen. Abbas hatte bislang immer wieder erklärt, dass er Israel anerkennt als jüdischen und demokratischen Staat, dem gleiche Rechte für alle Bürger wichtig sind, wo der Status als jüdischer Nationalstaat nicht betont wird.

Nachdem sich Netanjahu jahrelang mit großem Erfolg und bemerkenswert wenig amerikanischem Widerstand dem Ziel nahefühlen kann, die Zwei-Staaten-Lösung de facto als politisch realisierbare Lösung erledigt zu haben, errichtet er nun neue Hindernisse, um die "Ein-Staaten-Lösung" so zu gestalten, dass sie für Palästinenser unakzeptabel ist.