"JA zu Europa, NEIN zu Europa!"

Interview mit PARTEI-Chef Martin Sonneborn über Zensur im EU-Wahlkampf

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Knapp ein Jahrzehnt nach ihrer Gründung hat die Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (PARTEI) infolge des Wegfalls der 3%-Klausel beste Aussichten, in das EU-Parlament einzuziehen. Doch Systempresse und Sicherheitsbehörden versuchen, der PARTEI durch diverse Zensurversuche Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Wir haben mit PARTEI-Chef und Grimme-Preisträger Martin Sonneborn über diese mäßig subtilen Einschüchterungsmaßnahmen sowie über den Endspurt des Wahlkampfs gesprochen.

Herr Sonneborn, der Südwestrundfunk hat gegenüber Ihrem Landesverband Rheinland-Pfalz die Ausstrahlung eines Radio-Wahlwerbespots abgelehnt, da darin kein Wahlaufruf zur bevorstehenden Europawahl zu erkennen sei. Werden Sie sich juristisch gegen diesen beispiellosen Akt der Zensur und Bevormundung durch einen öffentlich-rechtlichen Sender wehren?

Martin Sonneborn: Selbstverständlich. Es steht Sendern nicht an, inhaltlich zu beurteilen, was moderne Turbowahlwerbung ist und was nicht. Die Gesetze sind da leider recht eindeutig.

"Wenn wir dafür EU-Gelder beantragen, ist das auch ein EU-Thema"

Sah der gleiche Sender die Anforderungen im Wahlspot der PARTEI des Landesverbands Baden-Württemberg als gegeben? Das Fluten von Stuttgart ist doch an sich kein EU-Thema, oder?

Martin Sonneborn: Ich denke: doch. Wir agieren extrem populistisch, das Wahlversprechen, Stuttgart zu fluten, bringt uns in Baden-Württemberg viele Sympathien. Und wenn wir dafür EU-Gelder beantragen, ist das auch ein EU-Thema.

Auch Ihre Wahlplakate sind vor Zensur nicht sicher. So hat die Polizei in Berlin "Merkel ist doof"-Plakate beschlagnahmt. Was ist aus dieser Sache geworden?

Bild. Die PARTEI. Bearbeitung: Telepolis.

Martin Sonneborn: Die Staatsanwaltschaft prüft seit der Bundestagswahl, ob dieses Plakat legal ist. Was das bedeutet, ist klar: Sie unterziehen Merkel gerade einem sehr, sehr komplizierten Intelligenztest. Da wir nicht wissen, wie der ausgeht, haben wir das Plakat überarbeitet und eine Alternative entwickelt: "Merkel ist dick!"

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt inzwischen wegen dieses Nachfolge-Plakates. Wird das helfen, um die Kanzlerin wieder in Bikini-Figur zu bringen?

Martin Sonneborn: Unser Anwalt Tim C. Werner ist Mitglied der deutschen Adipositas-Gesellschaft. Er recherchiert gerade in Klatschzeitschriften und versucht, anhand von Größe, Kleider- und Körbchengröße, Merkels ungefähres Gewicht und ihren BMI (Body-Maß-Index) zu errechnen. Wir glauben, notfalls vor Gericht nachweisen zu können, dass die Kanzlerin dick ist. Auch wenn sie ein paar Tage später über die Schweine- Pardon: Springer-Presse verkünden ließ, sie sei "plötzlich so schlank".

Ihre diesmal gegen die Eidgenossen gerichtete Kampagne Schweiz raus aus Europa hat nur geringe Resonanz erfahren, sogar bei der Staatsanwaltschaft. Haben Ihre PARTEIstrategen die falsche Randgruppe gewählt?

Martin Sonneborn: Nein, das glaube ich nicht. Schon die TITANIC-Kampagne "Kauft nicht bei Schweizern!" kam bei den Lesern sehr gut an. Die Westverbände der PARTEI haben für den 17. Mai in Frankfurt eine Großdemonstration gegen die Schweiz angemeldet, ich bin zuversichtlich, dass die Zeil voll sein wird..

Apropos Randgruppen: Sie hetzen auch gegen die USA. So geben Sie den Slogan "Fuck the Freihandelsabkommen!" aus und werben für ein "Komitee für antiamerikanische Umtriebe". Was hat es damit auf sich?

Martin Sonneborn: Wir sind gegen ein - unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgehandeltes - Abkommen, in das wir nichts reinschreiben durften und das US-Firmen "Europa" (Sturmbannführer Dr. Giselher Wirsing, ca. 1940) auf dem Silbertablett serviert. Stattdessen laden wir die USA ein, unserem "Komitee für antiamerikanische Umtriebe" beizutreten.

"Wir sind die Partei für Leute, denen Europa egal ist, und das sind rund 70 Prozent in diesem Land"

Die Kandidaten, die für das monatlich wechselnde EU-Mandat kämpfen, sind bislang mit Ausnahme Ihrer Person nahezu unbekannt. Wichtige PR-Chancen wie nicht versteuerte Zweitwohnungen, Busenherzeigen und Haartransplantationen wurden verpasst. Setzen Sie auf den Endspurt?

Martin Sonneborn: Ja, wir werden in den nächsten zwei Wochen unseren Wahlspruch noch konsequenter kommunizieren: "JA zu Europa, NEIN zu Europa!" Wir sind die Partei für Leute, denen Europa egal ist, und das sind rund 70 Prozent in diesem Land. Außerdem werden wir die Bürger auffordern, nicht zur Wahl zu gehen, weil kleine obskure Parteien wie wir bei geringer Wahlbeteiligung besser abschneiden.

"Wir melken die EU fast wie einer dieser kleinen südeuropäischen Staaten!"

Nach dem Wegfall der FDP sehnt sich ein verstörtes Wählerpotential nach Orientierung. Statt zur Identifizierung einen starken Mann anzubieten, suchen Sie mit Ihrer Parole "Artenschutz für die Grünen" offensichtlich den Schulterschluss mit dem linken Lager, das sich jedoch gegenseitig kannibalisiert. Nehmen Sie es mit der Wahl möglicherweise gar nicht ernst?

Martin Sonneborn: Nein, wir wollten eher Mitleid für die GRÜNEN ausdrücken, sie sind für uns nicht mehr satisfaktionsfähig. Und wir nehmen die Wahl schon deshalb ernst, weil es bei einem Sitz in Brüssel um über 33.000 Euro pro Monat geht. Wenn wir die 0,6 Prozent schaffen, schleusen wir bei monatlichem Rücktritt 60 Leute durchs Parlament. Die übrigens auch alle noch ein halbes Jahr Übergangsgelder beziehen. Wir melken die EU fast wie einer dieser kleinen südeuropäischen Staaten!

Fast ein Jahrzehnt nach Ihrer stabilen Parteineugründung wurden Sie von einer erst letztes Jahr gegründete Satire-Partei rechts überholt. Die AfD macht Ihnen mit Deutschtümelei im grauen C&A-Anzug nebst roter Krawatte Ihre Stammwählerschaft nun auch bei der EU-Wahl streitig. Brauchen Parteien ein Leistungsschutzrecht auf Partei-Design?

Martin Sonneborn: Auf jeden Fall, vielen Dank, dass Sie das ansprechen. Dieser kleine Mann mit der hohen Stimme erhält von uns eine Rechnung präsentiert, die sich gewaschen hat.

Was wird anders mit der PARTEI im EU-Parlament?

Martin Sonneborn: Ganz ehrlich? Ich fürchte, es wird weniger irre.

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