Wie mit Risikoanleihen Defizite geschönt werden

Nach Deutschland, Frankreich und Italien hat auch Spanien inflationsgeschützte Anleihen begeben, die wegen der EZB-Politik, die Inflation antreiben zu wollen, fatal für das Land werden

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In Spanien wurde weitgehend unkritisch gefeiert, dass das Land im Klub derer angekommen ist, die gefährlich an die Inflation gebundene Staatsanleihen begeben haben. Die Nachfrage war enorm, was in Zeiten von längerfristigen hohen Inflationsgefahren nicht verwunderlich ist. Denn gefahrlos wird für Anleger zur garantierten Rendite zusätzlich die Inflation ausgeglichen, egal wie hoch sie ausfällt. Die ist derzeit niedrig, aber die Europäische Zentralbank (EZB) lässt keinen Zweifel daran, dass sie die Geldschwemme weiter anheizen wird. Das kann gefährlich aus dem Ruder laufen. Die inflationsgebundenen zehnjährigen Anleihen bieten Anlegern eine risikolose Rendite, während Defizitsünder das Haushaltsdefizit aufhübschen und Kosten in die Zukunft verlagern können. Die dicke Rechnung kommt erst am Laufzeitende.

Die linksliberale Tageszeitung El País meldete bestürzt, dass die Staatsverschuldung Spaniens im März schon auf fast eine Billion Euro geklettert ist. Die Verschuldung im Verhältnis zur jährlichen Wirtschaftsleistung sei demnach auf nie gekannte 96,8% gestiegen. Das Land steht also an der Schwelle zur gefährlichen Marke von 100%. Griechenland (175%), Italien (133%), Portugal (129%), Irland (124%), Zypern (112%) und Belgien (102%) haben sie bereits überschritten. Das Stabilitätsziel von 60% rückt in immer mehr Ländern in immer weitere Ferne.

El País spricht aber auch von der "Kehrseite" erfolgreicher Staatsanleihe-Versteigerungen. Doch auch die der sozialdemokratischen Opposition nahestehende Zeitung, die in Opposition zur rechtskonservativen Regierung steht, titelte noch, dass "Investoren Spanien stärken", weil das Land an die Inflation gebundene Staatsanleihen im Umfang von fünf Milliarden Euro losgeworden ist. Gefeiert wurde, dass sich die Anleger und Spekulanten regelrecht um diese "Inflation-Linked Bonds" - auch Linker genannt - gerissen hätten. Spanien hätte mehr als 20 Milliarden Euro einnehmen können. El País erklärt, dass der Großteil der Zahlungen an die Kreditgeber am Laufzeitende nach zehn Jahren anfalle. Das sei "wertvoll in diesen Zeiten, weil es hilft, das Defizit zu begrenzen".

Hier staunt der informierte Leser, wenn keinerlei kritischer Hinweis darauf kommt, dass über zehn Jahre das Haushaltsdefizit trickreich und gefährlich aufgehübscht wird. Das hat Spanien bitter nötig. Denn über die Anleihen werden Kosten für den Schuldendienst in die Zukunft verschoben und das Defizit sieht mit Blick auf EU-Auflagen besser aus, als es ist. Real ufern nicht nur Schulden aus, denn es gelingt Spanien auch nicht, das Defizit in den Griff zu bekommen. Das Land wies Ende 2013 erneut ein Defizit von mindestens 7,1% aus, das Stabilitätsziel liegt bei 3%. Bei 7,1% muss es nicht bleiben. Es dürfte noch in Erinnerung sein, dass die Konservativen im vergangenen Jahr zu tricksen versuchten. Das reale Defizit musste von Eurostat dreimal nach oben angepasst werden. Es lag schließlich real bei 10,6%, womit Spanien 2013 Defizit-Europameister wurde.

Das böse Ende kommt am Schluss

Statt El País war es die der Regierung nahestehende Zeitung El Mundo, die wenigstens zaghaft anklingen ließ, dass die Aktion mit den inflationsgeschützten Anleihen auch teuer enden kann. So verweist die Zeitung darauf, dass die Inflation zwar offiziell derzeit niedrig sei, weshalb sogar von Deflationsgefahren gesprochen wird. "Doch man muss die Preisentwicklung in den folgenden zehn Jahren abwarten, um zu prüfen, ob die Operation rentabel war."

Das will die konservative Regierung nicht. Wirtschaftsminister Luis de Guindos hat nach dem "Erfolg" bei der Versteigerung angekündigt, dass man "auf diesem Weg" weitergehen werde. Er behauptet, die Versteigerung dieser Anleihen zeige das "internationale Vertrauen" in sein Land. Das darf bezweifelt werden, wenn auch Griechenland wieder Kredite bekommt, obwohl die Situation im Land viel schlechter als vor dem Gang unter den Rettungsschirm ist und die Verschuldung explodierte. Die Kredite fließen nur, weil es eine Geldschwemme gibt, und das Geld nach lukrativen Anlagemöglichkeiten sucht. Zudem wurde fast jedes Risiko ausgeschlossen. Und vertraut wird weder in Spanien noch in Griechenland oder Portugal, sondern vertraut wird darauf, dass im Notfall eben erneut die EU-Steuerzahler wie bisher erneut einspringen (Portugal: Mit Geldschwemme zur "erfolgreichen" Rettung).

Und der spanische Wirtschaftsminister hat über die Linker ein Allheilmittel gefunden, um die realen Kosten für den Schuldendienst für viele Jahre zu verschleiern, das Defizit aufzuhübschen und Kosten für die eigene Politik auf folgende Regierungen zu verschieben. Und wer rechnen kann, braucht keine zehn Jahre zu warten, um festzustellen, dass diese Anleihen Spanien und die Steuerzahler teuer zu stehen kommen werden. Müsste der Wirtschaftsminister für Verluste haften, würde er nie derlei Operationen auf den Weg anpreisen oder auf den Weg bringen.

Fakt ist, dass für neue Schulden in Höhe von fünf Milliarden Euro wegen einer scheinbar günstigen Rendite von 1,9% in den nächsten zehn Jahren jährlich "nur" 90 Millionen Euro zusätzlich als Zinslast auf dem Haushalt lasten werden. Beachtet man, dass Spanien derzeit auch zehnjährige Anleihen ohne Inflationsbindung mit einer Rendite unter 3% loswerden kann, muss man mit dem Klammerbeutel gepudert sein, inflationsindexierte Anleihen zu begeben. Die Linker machen in diesem Umfeld nur Sinn, wenn es darum geht, Kosten zu verschleiern und teuer in die Zukunft zu verschieben. Denn für die üblichen Anleihen müssten statt etwa 90 Millionen jährlich eine Zinslast 150 Millionen Euro eingeplant werden. Das ist zwar zunächst scheinbar teurer, aber es ist klar, welcher Preis letztlich für die neu geliehenen fünf Milliarden zu bezahlen ist.

Im Fall der Linker ist das Gegenteil der Fall. Sie werden für Spanien schon deshalb zum Minusgeschäft, weil der Zinsunterschied zwischen normalen und inflationsgeschützten Anleihen nur einen Prozentpunkt ausmacht. Es ist bekannt, dass die Europäische Zentralbank (EZB) sogar den Auftrag hat, für eine Inflation von 2% zu sorgen. Derzeit liegt die Inflationsrate deutlich darunter, weswegen die EZB bereits angekündigt hat, wenn nötig die Notenpresse unbegrenzt in Gang zu setzen, um die Inflation anzuheizen (Setzt die EZB die Notenpresse ungebremst in Gang?).

Allseits wird erwartet, dass die Geldpolitik Anfang Juni nach der Europawahl weiter gelockert wird, obwohl sich schon heftige Blasenbildungen zeigen. In Erwartung der nächsten Geldspritze für die längst abhängig gewordenen Geldmärkte schoss der Frankfurter Leitindex am Donnerstag auf einen neuen Rekordwert von 9810 Punkten. Erwartet wird, dass der Leitzins von derzeit 0,5% auf ein weiteres Rekordtief oder sogar auf Null gesenkt und mit dem massiven Ankauf von Staatsanleihen - also mit dem Gelddrucken - begonnen wird. So titelte auch das Handelsblatt, dass der EZB-Chef Mario Draghi "die nächste Bazooka lädt". Das ist untertrieben, denn es geht um extrem schwere Geschütze, die der Italiener auffährt. Andere Medien berichten mit Bezug auf Insider, dass die EZB von den nationalen Zentralbanken "grünes Licht" bekommen habe, "um im Juni die Großoffensive zur Ankurbelung der Inflation zu beginnen".

Die Rechnung wird für Spanien nicht aufgehen, das weiß wohl auch der Wirtschaftsminister. Rechnen würden sich Linker für Spanien nämlich nur, wenn es der EZB über Nullzinspolitik und Gelddrucken über viele Jahre hinweg nicht gelänge, die Inflation im Euroraum über den derzeitigen Wert zu heben. Schafft sie es dagegen, die Inflation nur um einen Punkt zu heben, wird die Aktion zum teuren Rohrkrepierer, auch wenn sie damit das Inflationsziel immer noch nicht erreicht hätte. Gelingt es aber die Zielmarke einzuhalten, dann erhöhen sich die neuen Schulden in Höhe von fünf Milliarden Jahr für Jahr um 2%. Die dicken Kosten für die Steuerzahler, über Zinseszins weiter verstärkt, fallen dann an, wenn die erhöhten Schulden in zehn Jahren zurückgezahlt werden müssen. Wird das Inflationsziel eingehalten, wären jährlich 90 Millionen Euro an Rendite geflossen und aus fünf Milliarden wären sechs Milliarden geworden. Die müssen "zurückgezahlt" werden, wie man das verschleiernd so nennt. Eigentlich werden nur neue noch höhere Schulden aufgenommen, um die alten zu bezahlen.

Analog zu dem Beispiel ist klar, was passiert, wenn die Inflation sogar deutlich über das von der EZB angestrebte Ziel steigt. Dann wird es für Steuerzahler sehr teuer. Und zu erinnern sei daran, dass die harmonisierte Inflation im Euroraum vom September 2007 bis November 2008 und vom Dezember 2010 bis Dezember 2012 deutlich über der Zielmarke von 2% lag und im Juli 2008 auf 4% stieg. In diesem Fall müsste Spanien schon fast 7,5 Milliarden zurückzahlen. Eine Variante, in der die Inflation sogar noch deutlich über den Höchstwerten der letzten Jahre läge, mag man sich nicht einmal ausmalen. Doch es würde die gefährliche Spirale der Ausweitung der Geldmenge, bei der große Teile der Gesellschaft ohnehin ständig und immer stärker enteignet werden, noch stärker antreiben.

So einfach war es noch nie, Geld zu verdienen

Erinnert sei daran, dass Deutschland nach der Weimarer Republik erstmals wieder 2006 diese inflationsgebundenen Anleihen begeben hat. Das könnte zu denken geben. Man erinnere sich an die damalige galoppierende Inflation, die ihren Ursprung vor allem in der massiven Ausweitung der Geldmenge durch den Staat zur Finanzierung des Ersten Weltkriegs hatte. In Weimar waren sie beliebt, denn solche Anleihen finden gerade dann Liebhaber, wenn mittel oder langfristig mit einer hohen oder steigenden Inflation gerechnet wird.

Das Risiko bei den spanischen Anleihen wurde zudem weiter für Anleger und Spekulanten minimiert. Kopiert wurde die absurde deutsche Variante, über die fast jedes Risiko für die Geldgeber ausgeschlossen wird. Während in den USA eine Deflation auch zur Minderung der Zahlung bei Fälligkeit dieser Anleihen führt, ist das bei deutschen und nun auch bei den spanischen Anleihen ausgeschlossen. Staatlich garantierter Gewinn! Warum sollte ein Anleger in die Produktion von Gütern oder andere mit Risiken behaftete Vorgänge investieren, wenn sie das Geld von Notenbanken und Staaten praktisch geschenkt bekommen?

Letztlich macht der spanische Staat nach, was im Land in den letzten Jahren viele Immobilienbesitzer in den Ruin getrieben hat. Man lässt sich auf variable Zinsen ein, die einem schnell das Genick brechen können. Es waren 2004 ebenfalls die Konservativen, die einst bei einem niedrigen Zinssatz ermöglichten, dass Hypothekenkredite mit variablen Zinsen vergeben werden durften. Das gaukelte Kreditnehmern vor, sich Zinsen und Tilgung leisten zu können. Sogar die Bankenvereinigung (AEB) hatte sich wegen der Risiken gegen diese variable Zinsen ausgesprochen.

Die AEB sah darin den zentralen Grund für die Immobilienblase, die 2008 mit fatalen Folgen geplatzt ist (Nichts aus der Krise gelernt). Den Menschen wurde nicht erklärt, dass die Zinsen langfristig genauso steigen werden - wie die Inflationsrate -, wenn sie sich auf historischen Tiefständen bewegen. Heute gaukelt der Staat mit den neuen inflationsgebundenen Anleihen den Menschen vor, dass die Zinsen für die Staatsverschuldung bezahlbar seien. Dass dürfte genauso schief gehen, wie es bisher im Fall von etwa einer halbe Million Familien schief ging, die aus ihren Wohnungen geworfen wurden.

Für Anleger und Spekulanten sind diese inflationsindexierte Anleihen derzeit allerdings eine tolle Gelegenheit, auch noch das Inflationsrisiko komplett loszuwerden. Es ist kein Wunder, wenn sie eifrig zugreifen. Denn die EZB und andere Notenbanken verleihen das Geld praktisch zum Nulltarif. Mit der neuen Anleihe garantiert Spanien aber fast zwei Prozent Zinsen und gleicht zudem noch die Inflation komplett aus. So einfach war es wohl noch nie, Geld zu verdienen, wenn man schon genügend hat. Und damit versteht man besser, warum Superreiche immer reicher werden.