Wirtschaftsspionage: USA eskalieren den Konflikt mit China

China bezeichnet die Klageschrift des US-Justizministeriums gegen Mitglieder der chinesischen Volksbefreiungsarmee "heuchlerisch und extrem absurd"

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Es ist ein seit längerem schwärender Konflikt zwischen den USA und China, den das amerikanische Justizministerium am Montag mit einer dicken Anklageschrift gegen fünf Mitglieder der chinesischen Volksbefreiungsarmee der Einheit 61398 auf eine neue Eskalationsstufe hob. Der Vorwurf lautet Diebstahl von Geschäftsgeheimnissen, Industriespionage. Ein Vorwurf, dem mit Verweis auf die NSA-Aktivitäten leicht zu kontern ist, wie dies auch auf chinesischer Seite getan wird. Welche Konfliktstrategie verfolgt die US-Regierung?

Als "heuchlerisch und extrem absurd", bezeichnen chinesische Vertreter, der stellvertretende Außenminister Zheng Zeguang und der Botschafter Chinas in den USA, Cui Tiankai, die Anklage, deren Grund in Gänze bestritten wird.

Der US-Botschafter in China wurde einbestellt; der Kommentar der Global Times, der mal mehr, mal weniger Nähe zur Regierung attestiert wird, ruft heute chinesische Organisationen und Personen dazu auf, Klagen gegen die US-Regierung einzureichen:

Wenn es um die Sicherheit von Netzwerken geht, verhalten sich die USA derart wie ein Schurke, das wir aufhören müssen, uns irgendwelche Illusionen zu machen.

Das sind zunächst einmal nur scharfe Töne, damit wurde in den USA gerechnet. Befürchtet wird Schlimmeres: Dass die chinesische Regierung im Gegenzug zur Anklage konkrete Schritte unternimmt, die amerikanischen Unternehmen schaden könnten.

Interessant ist, dass amerikanische Unternehmen ihrerseits bereits den Datenklau über Speerfischen, den die fünf "Militärhacker" (NYT) der Einheit 61398 laut Anklage des amerikanischen Justizministeriums begingen, als Revancheakt begreifen.

Alle vier Unternehmen, bei denen strategisch wichtige Papiere ausgespäht wurden, hatten sich gegen Chinas Handelspolitik gewandt, der sie Wettbewerbsverzerrung über Subventionen und daraus folgenden Preisdumping vorwerfen. In Deutschland am bekanntesten dürften in diesem Zusammenhang die Vorwürfe des Unternehmens Solar World gegen die chinesische Wettbewerbspolitik sein. Angeblich ist es einem chinesischen Militär in Zusammenarbeit mit einem "konspirativen Kollegen" gelungen, im Zeitraum zwischen Mai bis September 2012 an detaillierte Informationen über geplante Produkte, Neuerungen, Kosten wie auch strategischen Diskussionen mit Anwälten zu gelangen.

Allerdings wird von amerikanischer Expertenseite Zweifel daran geäußert, ob die Anklageschrift des US-Justizministeriums vor Gericht Bestand hätte - "proving those facts would be very tricky". Einer der wesentlichen Schwierigkeiten für die US-Regierung bestünde darin, den Nachweis zu führen, ohne auf eigene Spionage-oder Überwachungaktivitäten hinzuweisen oder sie zu enthüllen. Das führt in ein gewisses moralisches Dilemma.

Mit der Schwierigkeit, der größeren Öffentlichkeit zu erklären, warum etwas justiziabel ist, wenn es Chinesen tun, aber okay, wenn es der amerikanische Geheimdienst NSA in großem Stil tut, ist die amerikanische Regierung bereits jetzt konfrontiert. Man hilft sich mit einer Rethorik, die eine "feine Grenze" zieht - zwischen gezieltem Datendiebstahl bei einzelnen Unternehmen, der Vorwurf der China gemacht wird, und einer generellen Überwachung aus nationalem Interesse, wie sie die NSA betreibe, die aber nicht in den Wettbewerb eingreift, "weil man ja gar nicht weiß, welchem der amerikanischen Unternehmen man den Vorzug geben soll".

Dieser Beteuerung zu glauben, fällt schwer. Die brasilianischen Erfahrungen deuten darauf hin, dass sich die USA über die NSA-Überwachung wirtschaftliche Vorteile verschaffen; der Fall der indonesischen Nelkenzigaretten zeigt, dass die USA NSA-Informationen tatsächlich in einem "Handelskrieg" verwendeten. Warum also auch nicht in einem Handelskrieg mit China? Zudem zeigen die NSA-Angriffe auf Internet-Backbones in China, dass China es hier bei weitem nicht mit harmlosen "Ausspähaktionen" zu tun hat, die irgendwie in einem harmlosen Bereich nationaler US-Interessen angesiedelt wären.

Warum aber verleiht die US-Regierung nun einer Sache, die seit Jahren immer wieder als unbelegter Vorwurf auftaucht, chinesische Wirtschaftsspionage, eine neue Schärfe - eine Anklageschrift aus dem Justizministerium hat eine andere Qualität als lancierte Zeitungsmeldungen oder Vorwürfe, die in Reden geäußert werden? Dass dies ein kalkulierter Schritt ist, davon kann man ausgehen. Um die US-Unternehmen, die sich seit Jahren über chinesische Industriespionage beschweren, zu davon zu überzeigen, dass die Regierung bereits ist, härter vorzugehen? Um sich die Wirtschaft innenpolitisch auf eine ähnliche Weise gewogen zu machen, wie man dies in großem Stil mit dem Kampf gegen Terroristen gegenüber den Wählern macht?

Welche außenpolitischen Ziele Obama damit verfolgt, bleibt vage. Es sei denn die Verschärfung des Handels-Konflikts mit China ist ein außenpolitisches Ziel. Möglich, dass der US-Präsident den Augenblick dafür gekommen sieht, weil er über den Konflikt in der Ukraine wieder auf eine neu gefestigte Partnerschaft mit den Europäischen Staaten zählen kann, die ihm dort den Rücken frei halten und vermutlich auch den Vorgaben zur Aufrüstung folgen werden. Und die ihm im Übrigen keinerlei Schwierigkeiten bei der NSA-Überwachung bereiten und