Mehr Konfrontation auf dem geopolitischen Schachbrett

Wer profitiert von einer neuen Ära der Angst gegenüber Russland?

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Obama wollte eine neue Ära der Zusammenarbeit mit Russland. Das Gegenteil ist eingetreten, scheinbar provoziert durch das Fehlverhalten Russlands die Krim zu annektieren. Doch wie viel Einfluss haben neokonservative Kräfte, außerhalb und innerhalb des US-Außenministeriums, auf die Krise in der Ukraine, und wie steht Obama dieser Entwicklung gegenüber?

"Gerade wo ich dachte, ich sei draußen aus Europa, zieht Russland mich wieder rein." Vielleicht fühlt sich Barack Obama dieser Tage erinnert an einen Mafia-Film: Statt seines großen außenpolitischen Vorhabens, den "Reset"-Knopf zu drücken und mit dem alten Feind eine neue strategische Zusammenarbeit aufzubauen, um Probleme mit Ländern wie Iran und Syrien zu mildern, scheint es nun plötzlich so, als müsste Obama sich weiterhin um Europa kümmern. Ganz unschuldig ist er daran nicht, ebnete er selbst fremden politischen Strömungen den Weg zur Einflussnahme auf seine Politik.

Bereits kurz nach der gewonnen Wahl 2008 gab Obama das erste Mal die Kontrolle über die Gestaltung seiner Außenpolitik ab, als er die Schaltzentrale mit Personalien aus der neokonservativen Bush-Administration besetzte. Darunter Robert Gates (Ex-Verteidigungsminister) und David Petraeus, außerdem die konservative Hardlinerin Hillary Clinton (Ex-Außenministerin).

Dazu stellte Obama seinem militärischen Kopf General Petraeus ausgerechnet Frederick Kagan helfend zur Seite, einen Wissenschaftler am neokonservativen Think Tank American Enterprise Institute. Er sollte der intellektuelle Architekt der "Surge"-Strategie in Afghanistan werden. Zwar stand Obama der Strategie skeptisch gegenüber, behauptet zumindest Robert Gates in seinen Memoiren, dennoch aber ließ er sie ausführen. War Obama damals das erste Mal unschlüssig geworden, welchen Weg die USA international einschlagen sollten, offenbart spätestens die Krise in der Ukraine, dass der Einfluss der neokonservativen Politik des "starken-Mannes" - mehr globale US-Macht durch mehr Militär-(Budget) und mehr Konfrontation -, seine Außenpolitik übernommen hat. Eine logische Entwicklung, lässt Obama sich immerhin von einigen der "härtesten Hardliner in Russlandfragen" beraten.

Einer aus dem Ratgeber-Kreis ist Michael McFaul. Er war fünf Jahre in der Obama-Administration, als Sonderberater des Präsidenten im Nationalen Sicherheitsrat für Russland und Eurasien und als US-Botschafter in Russland von 2012 bis Anfang 2014. Ende März erschien in der New York Times ein Artikel von ihm mit der Überschrift "Confronting Putin's Russia. In seinem Text fordert McFaul die Eindämmung Russlands und eine Aufrüstung der NATO-Staaten an den Grenzen zu Russland. McFaul ist Fellow an der neokonservativen Denkfabrik Hoover Institution, an der auch Bushs ehemalige Außenministerin Condoleezza Rice als Professorin tätig ist. Aufschlussreicher allerdings ist McFauls Verbindung zur Stiftung National Endowment for Democracy (NED), in der er als Mitglied eines angegliederten Forschungsrats aktiv ist.

National Endowment for Democracy

NED wurde 1983 unter Ronald Reagan ins Leben gerufen mit dem Ziel der weltweiten Förderung von Demokratie. Das Budget erhält NED vom US-Außenministerium. Weil es rechtlich als gemeinnützige Organisation eingetragen wurde, darf die NPO ihren Millionen-Etat an soziale und kulturelle Organisationen im Ausland vermitteln; an politische Gruppen, Bildungsträger, Medien, die quasi als Sub-Unternehmer arbeiten für den westlichen Demokratie-Export (siehe z.B.: Venezuela: "Agents of Destabilization").

NED war Reagans Kernstück im Propagandakrieg gegen die Sowjetunion und hat sich seitdem zu einem 100 Millionen US-Dollar Schmiergeldfonds entfaltet, der eine neokonservative Agenda unterstützt, die oftmals im Widerspruch zu Obamas Außenpolitik steht, berichtet der ehemalige Newsweek- und preisgekrönte Associated-Press-Journalist Robert Perry auf der investigativen Webseite consortiumnews.com. In mehreren Artikeln schreibt Perry dort ausführlich über den Einfluss der Neokonservativen auf die Ukraine-Politik Obamas (A Shadow US Foreign Policy und Neocons and the Ukraine Coup).

In Russland investierte NED laut Jahresreport 2013 acht Millionen US-Dollar in verschiedene Projekte, darunter Vorhaben zur Förderung der Transparenz oder zur Eindämmung der Korruption, aber auch für Projekte zur bürgerlichen Bildung mit der Bezeichnung "Verstärkung des politischen Wettbewerbs". In die Ukraine überwies NED im selben Zeitraum knapp drei Millionen US-Dollar, darunter für Projekte zur Unterstützung von Bürgerjournalismus, von Bürgerinitiativen und zur "Analyse regionaler Sicherheit", um die "öffentliche Diskussion anzuregen".

Tatsächlich überweist das US-Außenministerium bereits seit Anfang des neuen Jahrtausend Geld in die Ukraine. Unter George W. Bush flossen 65 Millionen US-Dollar über drei US-Stiftungen (eine davon NED) in das Land, mit dem Ziel die demokratischen Bemühungen der Oppositionspartei "Unsere Ukraine" um Viktor Juschtschenko voranzutreiben. Das gesamte US-Investitionsvolumen für den "Demokratie-Export" seit der Unabhängigkeit des Landes 1991 liegt, laut Aussage (7:45min) von Victoria Nuland während eines Gesprächs in den USA vor ukrainischen Geschäftsmännern Ende vergangenen Jahres, bei fünf Milliarden US-Dollar.

Victoria Nuland

Nuland ist seit September 2013 Obamas für Europa zuständige Staatssekretärin im US-Außenministerium. Anfang des Jahres erlangte sie internationale Berühmtheit durch Kraftausdrücke am Telefon ("Fuck the EU").

Obamas Top-Vermittlerin in der Causa Ukraine ist mit Robert Kagan verheiratet. Kagan ist einer der bekanntesten Neokonservativen in den USA, Mitgründer des "Project for the New American Century" (Irak-Krieg von langer Hand vorbereitet), das die USA drängte, eine globale Vorreiterrolle durch militärische Stärke spielen müssen (archivierte Website). Kagan ist überdies Experte für NATO-Erweiterung (unter den Top 100 der Global Thinkers). Sein Bruder ist Frederick "Surge" Kagan.

Freilich muss die Ehefrau nicht die gleichen politischen Überzeugungen teilen wie ihr Ehemann - sogar wenn Obama selbst bereits großer Fan von Robert Kagans Ansichten ist -, aber Nuland war nicht nur Sprecherin von Hillary Clinton. Sie war auch Hauptberaterin in Sicherheitsfragen in der Bush-Administration für Vizepräsident Dick Cheney.

Spätestens da dürften etwaige Zweifel ausgeräumt sein, wie Obama einem Schüren des Konflikts in der Ukraine gegenüber stand. Aus seiner Diplomatie der strategischen Zusammenarbeit ist eine Lochkrapfen-Diplomatie (Victoria "Doughnut Dolly" Nuland) geworden: Maidan-Protester mit Süß0gebäck unterstützen und Russland eindämmen und als Störfaktor minimieren. "Obama schreibt Putin ab", analysierte die New York Times. Von jetzt an, sagt Ivo H. Daalder, Obamas ehemaliger Botschafter bei der NATO, werde man eine konstruktive Beziehung mit dem "Master of the Kremlin" aufgeben zugunsten einer Außenpolitik, bei der Fortschritte noch möglich seien.

NATO Verteidigunsbudget

Hat Obama seinen neuen Ansatz der Zusammenarbeit mit Putin selbst verpfuscht durch "falsche" Personalien oder haben ihm neokonservative Kräfte im Washingtoner Dunstkreis beim "Reset"-Versuch schlicht erfolgreich dazwischen gegrätscht? Die Antwort auf die Frage dürfte den US-Präsidenten wenig interessieren, denn am Ende gibt es auf US-amerikanischer Seite vor allem Gewinner.

Weil ein diplomatischer Weg bei der Bewältigung der Probleme mit Syrien und dem Iran zwischen Putin und Obama unwahrscheinlich geworden ist, dürfen die Neocons mal wieder auf mehr militärische Konfrontation hoffen. Ihr Traum einer konstanten US-Hegemonie durch militärische Stärke - nach dem Desaster des "Regime-Change" im Irak nahezu K.O. - lebt weiter. Nach Obamas Budgetkürzungen für US-Streitkräfte darf sich ebenso die Rüstungsindustrie ob des neuen alten Feindes Russland freuen: Sowohl Biden als auch Außenminister Kerry forderten in den vergangenen Wochen, dass die europäischen NATO-Staaten ihr Verteidigungsetat aufstocken sollen. Es sei jetzt an der Zeit, so Kerry. Russlands Vorgehen in der Ukraine habe den Nutzen der NATO schließlich deutlich kundgetan, bestärkte ihn jüngst sein Kollege, US-Verteidigungsminister Chuck Hagel.

Die EU hat ihre Ausgaben seit der Finanzkrise 2008 um 15 Prozent herunterfahren, im Gegenzug stiegen sie in Russland um 30 Prozent. Polen will offenbar nicht lange warten und denkt schon über den Kauf eines MEADS Radar-Raketenabwehrsystems nach.

Eine stärkere NATO in Europa hieße, Obama könnte sich beruhigt wieder seinem eigentlichen außenpolitischem Ziel, Asien und der Eindämmung Chinas, widmen. Angriff ist immer noch die beste Verteidigung, sogar nach zwei kräftezehrenden Kriegen. Worauf auch immer die US-Bürger 2008 gehofft haben, es scheint, als obliege die Außenpolitik der USA keiner Zustimmung ihres Volkes.