Chaos in Abchasien

Karte: Vereinte Nationen. Lizenz: Public Domain.

Rebellen vertreiben Präsidenten - Hintergrund ist möglicherweise die Rückkehr georgischer Flüchtlinge

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Abchasien ist ein Gebiet im westlichen Kaukasus, das von 1931 bis zum Ende des Kalten Krieges als Autonome Republik zur Georgischen Sozialistischen Sowjetrepublik gehörte. Nachdem sich die Sowjetunion Ende 1991 auflöste, erklärte Wladislaw Ardsinba, der damalige Vorsitzende des Obersten Sowjets der Autonomen Republik, das Gebiet am 23. Juli 1992 für unabhängig. Danach kam es zu einem Krieg gegen Georgien, an dem sich auf Seiten der teilweise moslemischen Abchasen auch tschetschenische Wahabiten unter Führung des Terroristen Schamil Bassajew beteiligten.

Sie gelten als Hauptverantwortliche für den Bruch eines von der UN und von Russland garantierten Waffenstillstandes und ein Massaker, bei dem am 27. September 1993 ein großer Teil der georgischen Bewohner der abchasischen Hauptstadt Suchumi systematisch und teilweise auf extrem sadistische Weise ermordet wurde. Dieses und andere Massaker hatten zur Folge, dass die Bevölkerung Abchasiens durch Flucht und Vertreibung von über 525.000 auf 240.000 zurückging. Während 1989 noch fast 240.000 Georgier in Abchasien lebten, sind es heute lediglich 46.000, die fast alle in der Südprovinz Gali leben. Die Zahl der Russen sank von 75.000 auf 22.000, die der Armenier von 77.000 auf 42.000. Und von den ursprünglich knapp 15.000 Pontosgriechen verblieben nur gute tausend in einem Land, in dem aktuell 122.000 Abchasen eine recht knappe absolute Bevölkerungsmehrheit von 50,8 Prozent stellen.

Von 1994 bis 2009 versuchte eine United Nations Observer Mission in Georgia (UNOMIG), der neben russischen auch deutsche Soldaten angehörten, einen neuen Waffenstillstand zu sichern, der 2006 und 2008 erneut gebrochen wurde, was letztendlich zur Folge hatte, dass die Abchasen ihr Territorium um das Kodorital vergrößerten. Danach erkannten Russland und eine Handvoll weiterer Länder Abchasien als unabhängig an, wobei explizit auf das Vorbild des Kosovo verwiesen wurde.

Nun herrscht erneut Chaos im Land: Der russlandorientierte orthodoxe Präsident Alexander Ankwab, auf den in der Vergangenheit insgesamt sechs Mordanschläge verübt wurden, musste am Dienstag aus Suchumi fliehen, nachdem Rebellen nach einer Kundgebung die Staatskanzlei stürmten. Gerüchten zufolge hält er sich in seiner Herkunftsregion im Nordwesten des Landes auf. Rebellenführer Raul Chadjimba verkündete daraufhin die Machtübernahme eines "Koordinierungsrats". Ankwab will die Macht aber nicht aufgeben und kann sich angeblich weiterhin auf die Führung des Sicherheitsapparates stützen. Die Behörden werden ihm zufolge "alle Maßnahmen ergreifen [...], damit sich die Ereignisse in der Republik 'in der gesetzlichen Bahn' entwickeln".

Hintergrund des Putschversuchs ist möglicherweise, dass Ankwab georgischstämmigen Heimatvertriebenen erlaubte, auf ihre Höfe und in ihre Häuser zurückzukehren, wenn sie die georgische Staatsangehörigkeit aufgeben und die abchasische annehmen. Wahabiten und abchasischen Nationalisten ist diese Politik ein Dorn im Auge.

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