Unflexible Kraftwerke, russisches Gas und Solarflugzeuge

Vattenfall KW Schwarze Pumpe; Bild: SPBer; Lizenz: CC BY-SA 3.0

Und wortbrüchige Wahlkämpfer: Die Energie- und Klimawochenschau

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Alle Proteste haben nichts geholfen: Die von SPD und Linkspartei geführte Landesregierung in Potsdam hat am Dienstag die Erweiterung des Tagebaus Welzow-Süd beschlossen, wie das Neue Deutschland berichtet. Ab 2025 soll dort, im äußersten Südosten Brandenburgs, Braunkohle abgebaggert werden. Bis 2067 wird nach den Planungen, die dem zugrunde liegen, der besonders umweltschädliche Brennstoff in den Kraftwerken der Lausitz weiter verheizt werden.

Während die SPD nie einen Hehl daraus gemacht hat, dass die Nutzung der Braunkohle für sie ein zentrales Anliegen ist, klang es beim linken Juniorpartner im Wahlkampf vor vier Jahren ganz anders."Wir wollen keine neuen Tagebaue", heißt es unmissverständlich im Programm des Landesverbandes der Linken.

Bis spätestens 2040 solle aus der Braunkohlenutzung ausgestiegen werden. Dennoch haben sich die vier Landesminister der Linken nun kurz vor der nächsten Landtagswahl (14.9.) noch im Kabinett am grünen Licht für Welzow-Süd II beteiligt.

Flexibler Dauerbetrieb

Bei Vattenfall war man hoch erfreut. Das Unternehmen ist Betreiber der brandenburgischen Tagebaue und der Mega-Kraftwerke wie Schwarze Pumpe (1,6 Gigawatt) und Jänschwalde (3 GW). In einer Pressemitteilung des Konzerns heißt es:

Mit der heutigen Entscheidung der Landesregierung wird nun die Voraussetzung dafür geschaffen, dass flexible, moderne Braunkohlenkraftwerke wie das in Schwarze Pumpe in den nächsten Jahrzehnten die Energiewende in Deutschland begleiten und absichern können.

Was es mit der Flexibilität auf sich hat, zeigt das Beispiel Jänschwalde. Das dortige Kraftwerk produziert nach Angaben Vattenfalls jährlich 22.000 Gigawattstunden Strom. Damit sind die sechs Blöcke im Durchschnitt etwa 7.000 von 8.760 Stunden im Jahr im Volllastbetrieb.

Mit anderen Worten: Die Anlagen laufen rund um die Uhr und werden auch dann meist nicht abgeregelt, wenn besonders viel Wind- oder Solarstrom erzeugt wird. Sie sind also mitverantwortlich für die zum Teil drastische Absenkung des Börsenstrompreises, der paradoxerweise die EEG-Umlage in die Höhe treibt, die von den Kleinverbrauchern bezahlt werden muss.

Der allergrößte Teil der Abwärme wird, wie bei Kraftwerken dieser Größenordnung üblich und fast unvermeidlich, ungenutzt an die Umwelt abgegeben. Nur für etwa 458 Megawatt thermischer Leistung von über 3.000 möglichen gibt es Verwendung. Zugleich emittieren die Blöcke nach Informationen des Umweltbundesamtes jährlich 24,3 Millionen Tonnen CO2. Das entspricht rund 6,7 Prozent der Treibhausgasemissionen aller deutschen Kraftwerke.

Daneben pusten die Jänschwalder Schornsteine auch noch allerlei anderes Ungutes in die Luft: 22.300 Tonnen Schwefeloxide, 19.600 Tonnen Stickoxide, 14.400 Tonnen Kohlenmonoxid, 635 Tonnen Feinstaub, 297 Tonnen Distickoxid (N2O, ein extrem effektives Treibhausgas), 79,6 Tonnen Chlorverbindungen, 368 Kilogramm Kupfer und Kupferverbindungen, 350 Kilogramm Quecksilber, 278 Kilogramm Blei und Bleiverbindungen,225 Kilogramm Nickel und Nickelverbindungen sowie 125 Kilogramm Arsen und Arsenverbindungen. Alle Mengenangaben für jeweils ein Jahr. (Zu den Folgekosten dieser Luftverschmutzung siehe der Bericht über eine OECD-Studie weiter unten in dieser Wochenschau.)

Vorbild für Deutschland?

Derweil kommen unerwartet gute Nachrichten aus den USA. Während sich US-Präsident Barack Obama außenpolitisch kaum noch von seinem kriegerischen Vorgänger George Bush unterscheidet sieht es in der Umweltpolitik ein wenig anders aus. Die US-Umweltbehörde EPA hat am Montag ein Maßnahmenpaket bekannt gegeben, mit dem bis 2030 die CO2-Emissionen der Kraftwerke gegenüber dem Niveau von 2005 um 30 Prozent abgesenkt sein sollen. Auch eine Reihe anderer Luftschadstoffe sollen auf diesem Wege vermindert werden.

Da die Kraftwerks-Emissionen etwa ein Drittel der US-Treibhausgasemissionen ausmachen, wäre das eine Minderung um ein rundes Neuntel oder rund elf Prozent. Allerdings nur gegenüber dem Niveau von 2005. Für gewöhnlich beziehen sich aber die Reduktionsmaßnahmen, zum Beispiel die bisher in den internationalen Verträgen vereinbart wurden, auf das Jahr 1990. In den USA sind in diesen 15 Jahren die Emissionen allerdings noch einmal um rund 20 Prozent gestiegen, und zwar die Treibhausgasemissionen im Allgemeinen als auch die der Kohlekraftwerke im besonderen, wie beim Carbon Dioxide Information and Analysis Center nachzulesen ist.

Dennoch wäre eine Reduktion der Kraftwerks-Emissionen um 30 Prozent mehr als Deutschland, dessen Regierungen sich auf der internationalen Bühne gerne als Musterknaben in Sachen Klimaschutz ausgeben, bisher hinbekommen hat. Hierzulande sind zwar die Kraftwerksemissionen Anfang der 1990er in kurzer Zeit um etwa ein Neuntel zurückgegangen, nachdem Ostdeutschland weitgehend deindustrialisiert und die ältesten Kraftwerke stillgelegt waren. In den letzten 20 Jahren schwanken die Emissionen der Energiewirtschaft aber in etwa um die 380 Millionen Tonnen CO2 im Jahr ohne einen klaren, längerfristigen Negativ-Trend zu zeigen.

Mal geht es um ein, zwei Dutzend Millionen Tonnen nach oben, mal nach unten. Zuletzt sind sie wieder etwas gestiegen, was nicht zuletzt mit der geringeren Auslastung der Gaskraftwerke und großen Mengen exportiertem Stroms zu tun hat. Im Vergleich sind also die US-Ankündigungen nicht so schlecht, aber bei weitem nicht der große Durchbruch für die sie in einigen Medien ausgegeben wurden. Zumal noch abzuwarten bleibt, was davon im rauen politischen Alltag der USA und gegebenenfalls bei einem Regierungswechsel Bestand haben wird.

Kein billiges Gas für Kiew

Derweil scheint sich der Gasstreit zwischen der Ukraine und Russland etwas entspannt zu haben. Gazprom hat der Regierung in Kiew, wie Agenturen berichten, einen Aufschub bis zum 9. Juni gegeben. Außerdem arbeiten die beiden Seiten an einem Plan für den schrittweisen Abbau der Schulden und die Sicherung der ukrainischen Versorgung bis zum Sommer 2015.

Über den Preis gibt es aber nach wie vor große Uneinigkeit, wie die Moscow Times am Dienstag schreibt. Während Gazprom zuletzt 485 US-Dollar pro 1000 Kubikmeter Gas berechnete, erklärte Kiews amtierender Premierminister, dass der "richtige" Preis 268 US-Dollar sei. Keinesfalls würde man 500 US-Dollar pro 1000 Kubikmeter zahlen.

In Westeuropa liegt der Importpreis für Gas, so die russische Zeitung, bei durchschnittlich 360 US-Dollar pro 1000 Kubikmeter, die Ukraine habe das Gas aber bisher für 286 US-Dollar pro 1000 Kubikmeter bezogen. Im April habe Gazprom den Preis jedoch auf über 485 US-Dollar angezogen. EU-Energie Kommissar Günther Oettinger, der die Verhandlungen begleitet, geht davon aus, dass der Preis zwischen 350 und 380 US-Dollar pro 1000 Kubikmeter liegen werde.

Zum Vergleich: Bei dem kürzlich zwischen Russland und China ausgehandelten Gasdeal wurde zwar kein Preis bekannt gegeben, aber Beobachter schätzten ihn allgemein auf 400 Milliarden US-Dollar für 38 Milliarden Kubikmeter Gas jährlich über 30 Jahre. Das entspricht in etwa einem Preis von 350 US-Dollar pro 1000 Kubikmeter. Zugleich wird China aber vermutlich einen Teil des Geldes vorschießen, sodass dieser für den Bau der notwendigen Infrastruktur und der Erschließung neuer Gasfelder eingesetzt werden kann.

Der im Besitz des russischen Staates befindliche Gazprom-Konzern streitet sich derweil mit der Regierung in Kiew auch über die Höhe der offenen Rechnung. Während Kiew am Montag 786 Millionen US-Dollar überwiesen hat und den fälligen Betrag bei 2,2 Milliarden US-Dollar sieht, geht Gazprom hingen von 3,5 Milliarden US-Dollar aus, die Kiew für das bisher in diesem Jahr gelieferte Gas zahlen müsse.

Nebenkosten

Der Transportsektor wird hier in der Wochenschau meist etwas vernachlässigt. Zu unrecht, denn sein Anteil an den Treibhausgasemissionen ist erheblich und zwar insbesondere der des Straßenverkehrs. Dieser hat bekanntlich noch diverse andere Nachteile, wie die hohe Zahl der Unfallopfer und Verkehrstoten oder die Feinstaubbelastung in den Städten.

Wie jetzt ein Bericht der OECD, der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, gezeigt hat, entstehen den 34 Mitgliedsländern - das sind meist die westlichen Industriestaaten - durch die Abgase des Straßenverkehrs jährlich Kosten in Höhe von 800 Milliarden US-Dollar (rund 590 Milliarden Euro).

Das ist eine ganz schöne Stange Geld und zeigt einmal mehr, dass Umweltschutz auch ökonomisch ziemlich sinnvoll sein könnte. (Es sei denn natürlich, man sieht den Sinn der Ökonomie allein darin, Unternehmern und Anlegern einen möglichst hohen Gewinn zu verschaffen und hält den Gebrauchswert der erzeugten Güter und Dienstleistungen für belanglos.)

Ein erheblicher Teil der Kosten betrifft das Gesundheitssystem und den monetären Verlust, der der Gesellschaft durch den Verlust eines Mitglieds entsteht. Der exorbitante Smog in den chinesischen Metropolen hat in den letzten Jahren immer wieder für Schlagzeilen, aber auch in Nordamerika und Europa ist die Atemluft in den Städten oft alles andere als gesund. Drei Millionen Menschen würden jährlich durch Luftverschmutzung sterben, heißt es bei der OECD. Etwa die Hälfte davon gingen auf das Konto des Straßenverkehrs.

Zu den Kosten des Straßenverkehrs kommen noch die der anderen Verschmutzer hinzu; und welch einen Giftcocktail ein Kraftwerk im umweltrechtlich ach so fortschrittlichen Deutschland legal in die Luft blasen darf, haben wir oben am Beispiel Jänschwalde bereits geschildert. Insgesamt werden die Kosten der Luftverschmutzung durch vorzeitige Todesfälle und durch die zusätzlichen Ausgaben im Gesundheitssystem für die OECD-Mitgliedsländer auf 1,7 Billionen US-Dollar jährlich geschätzt.

Für China werden weitere 1,4 Billionen und für Indien 0,5 Billionen US-Dollar veranschlagt. Das wären in marktüblichen Wechselkursen gerechnet beachtliche 17 bzw. 27 Prozent des jeweiligen Bruttonationaleinkommens.

Solarer Höhenflug

Und wieder einmal sind längst nicht alle Themen in dieser Wochenschau behandelt worden. Über die "Sonnensteuer" und die laufende Debatte über die EEG-Novelle wird in den nächsten Tagen in den News zu berichten sein. Der Bundesrat, das heißt, die Länderkammer, fordert noch eine Reihe von Änderungen.

Auch wäre noch einmal der Frage nachzugehen, ob Russlands Gasquellen eigentlich wirklich für Westeuropa, den enormen Eigenverbrauch Russlands, für den chinesischen Energiehunger und auch noch den Export nach Südkorea und Japan reichen. Und dann gibt es auch aus der Klimaforschung einiges zu berichten. So legen jüngste Studien erneut nahe, dass die Antarktis deutlich weniger stabil als bisher angenommen sein könnte.

Aber zu guter Letzt soll noch schnell auf eine neue technische Entwicklung hingewiesen werden. In der Nähe der Schweizer Stadt Payerne hat kürzlich die "Solar Impulse 2" ihren ersten Testflug absolviert.

Das Flugzeug hat Tragflächen so groß wie ein Jumbo, die mit Solarzellen bestückt sind und hatte bereits einen erfolgreichen Prototype-Vorgänger. Der hatte in den letzten Jahren erfolgreich demonstriert, dass man durchaus mit einem solarbetriebenen Flugzeug weite Strecken zurücklegen kann.

"Solar Impulse 2" soll im nächsten Jahr zu einer Weltumrundung aufbrechen und wird damit sicherlich ein interessanter Werbeträger für die Möglichkeiten der Solarenergie sein. Angesichts des wachsenden Beitrags des Luftverkehrs zum Klimawandel - durch die CO2-Emissionen und auch durch die Kondensstreifen, die, sofern sie länger erhalten bleiben, einen ähnlichen Effekt wie das CO2 haben - sind alternative, umweltfreundliche Antriebe sicherlich sehr wünschenswert

Allerdings ist es eher unwahrscheinlich, dass künftig solarbetriebene Flugzeuge den mit Kerosin-Jets ernsthaft Konkurrenz machen können. Dafür ist der Energiebedarf, der für den Transport von Last und Passagieren per Flugzeug benötigt wird einfach zu groß oder die mögliche Traglast eines Solarflugzeuges zu klein. Wahrscheinlicher wäre da schon, dass künftig solarbetriebene Luftschiffe zum Einsatz kommen. Die brauchen, weil sie sich nicht aerodynamisch in der Luft halten müssen sondern schweben, nur für den Antrieb Energie. Außerdem haben sie im Vergleich zu Flugzeugen eine erheblich größere Fläche, auf der Solarzellen angebracht werden könnten.